Frau aus Reinfeld reiste nur von Handtasche von China nach Deutschland

Isabel Wagner liebt kleines Gepäck: Nur mit einer Handtasche reiste die gebürtige Reinfelderin drei Monate lang auf dem Landweg durch China und Israel zurück nach Deutschland. Über ihre Erfahrungen hat sie ihr erstes Buch „Die Handtaschennomadin“ geschrieben und im Selbstverlag herausgebracht. Mittlerweile liegt das dritte Buch der Autorin vor. Querflöte und Unterhosen: „Ich war während des Studiums 2012 für ein Jahr als Deutschlehrerin in China“, erzählt Isabel Wagner. Dort habe sie eine kritische Haltung zum Konsumverhalten entwickelt und wegen der Reizüberflutung schließlich darüber nachgedacht, was wohl passieren würde, wenn man nichts besitzt. Die Theorie setzte sie in die Praxis um. „Ich habe mich dann entschieden, über Land zurück zu reisen und nur so viel Gepäck mitzunehmen, wie in eine Handtasche passt.“ Das war keine Clutch, aber auch keine riesige Tasche. „Ich bin mit einer ganz normalen Handtasche losgefahren.“ Eingepackt hatte sie Portemonnaie, Telefon, Tabletten, Zahnputzzeug, fünf Unterhosen, eine Holzquerflöte und ein T-Shirt. „Im letzten Moment kam noch ein Plastiklöffel dazu, der hat sich dann im Laufe der Reise sehr bewährt.“ Die Holzquerflöte war ein Geschenk einer Freundin und wurde zur Rettung aus der Not: „Im Nachtzug von Ulan Bator nach Peking sind zwei betrunkene Männer in mein Abteil gekommen. Als sie aufdringlich wurden, habe ich die Querflöte gezückt und sie damit bedroht, da sind sie weggegangen.“ Die minimalistische Ausstattung brachte sie nach Jordanien und Russland, und in Moskau warf Isabel Wagner ihr langärmliges T-Shirt auch noch weg. „Ich wollte einen Abstecher nach Israel machen, und dort war es sehr warm.“ Gefehlt hat ihr in den drei Monaten nichts. „Ich bin sehr gut mit dem zurecht gekommen, was ich hatte. Die Leute, die ich getroffen habe, haben gestaunt – sie hatten alle die volle Ausrüstung von professionellen Ausstattern – und viele haben mir auch mit kleinen Dingen ausgeholfen.“ Die bunte Hose, die sie auf ihrer Reise trug, wurde bei Bedarf zum Kopftuch. Kalt wurde es, als sie mit Ballerinas durch die Mongolei reiste. „Da habe ich die warme Kleidung im Lager gelassen, damit ich abends etwas Trockenes zum Anziehen hatte.“ Wanderung durch Deutschland: Drei Monate lang lebte sie aus der Handtasche und machte dabei die Erfahrung, dass sich auch ihre eigene Einstellung wandelte. „Ich habe gemerkt, dass man sich gut von allen überflüssigen Sachen befreien kann.“ Als sie wieder zuhause war, schreib sie ihre Erlebnisse auf, um sie nicht zu vergessen. Als ihr Mann, von Beruf Lektor, sie las, schlug er ihr vor, sie doch als Buch zu veröffentlichen. So erschien 2015 „Die Handtaschennomadin“. Kurz darauf machte Isabel Wagner sich erneut auf den Weg, diesmal mit lebendem Gepäck. „Im August 2016 wollte ich mit einem Schäferhund und einem Zelt von Eckernförde nach München wandern.“ Aber im Harz wurde der Hund krank, und so endete die Tour nach 300 Kilometern. „Ich bin auch die folgenden Jahre viel gereist“, so die Autorin. 2019 erschien „Die Zahlenkönigin“, nachdem sie nur mit einem kleinen Rucksack erneut in der Welt unterwegs war. „Ich leide an Diskalkulie, kann also schlecht mit Zahlen umgehen“, erläutert Isabel Wagner. „Dadurch habe ich immer wieder die Währungen und die Zeitzonen durcheinander gebracht.“ Schwierig wurde es, als sie dadurch die transsibirische Eisenbahn verpasste. Isabel Wagner wurde 1988 in Bad Oldesloe geboren und ging bis 2008 in Lübeck zur Schule. Nach mehreren Auslandsaufenthalten unter anderem in Venezuela und den Niederlanden ging die Reinfelderin für ein Sprachstudium nach China. Heute lebt sie in Nortorf. Jetzt hat sie mit „Die Tänzerin“ ihr drittes Buch vorgelegt, das sich aus Essays, Kurzgeschichten und kreativen Änderungen bekannter Werke speist. Ein Teil der Texte stammt aus Wagners Literaturstudium an einer Akademie von 2016 bis 2019 und setzt sich mit verschiedenen Textgattungen auseinander: Boccaccios „Falkennovelle“ hat sie zu einer Erzählung umgearbeitet, aus Ibsens Theaterstück „Die Frau vom Meer“ eine Kurzgeschichte gemacht und auf Brechts „Nachtlager“ eine lyrische Hommage verfasst. Neben Erlebnisberichten und kreativen Arbeiten möchte die Reinfelderin, die heute in Nortorf lebt, Themen der Gesellschaft aufzeigen. So verarbeitet sie in ihren Büchern auch soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten, die sie während ihrer Reisen beobachtet hat. „Eine Botschaft habe ich nicht“, sagt sie, „ich möchte das Nachdenken über die Gesellschaft in Kunst verpacken.“ Sobald es wieder geht, möchte sie ihr neuestes Buch in Lesungen vorstellen. Auch neue Reisepläne hat sie schon: „Wir haben uns ein Segelboot gekauft, und damit kann man auch sehr viel erleben.“ Von Bettina Albrod