Hexentanz statt Häschenkult

Ein Lämmchen aus Zuckerteig liegt in dem mit weißem Leinen ausgekleideten Körbchen, daneben kunstvoll bemalte Eier, Wurst und einiges mehr. Katarzyna Swaczyi aus Bargteheide hat ihn gefüllt, ganz so wie es in ihrer früheren Heimat Polen zum Osterfest auch heute noch üblich ist. 95 Prozent der Bevölkerung sind katholischen Glaubens. „Jede einzelne Zutat hat eine symbolische Bedeutung. Schinken steht für Gesundheit und Fruchtbarkeit, Salz für die Reinigung der Herzen und Meerrettich für die Bitterkeit der Leiden Christi“, erklärt sie. Tochter Julia Carmen Zielke lauscht ihr aufmerksam. In Polen nehmen die „Kosze“ aber noch ganz andere Dimensionen an. Mitunter wagenradgroße Körbe, überbordend bestückt, werden da am Ostersonntag in die Kirche getragen – ein farbenfrohes Spektakel. „Der Priester segnet alles, was die Familien zum Fest der Auferstehung mitgebracht haben“, erzählt Katarzyna Swaczyi . Erst mit dem anschließenden Frühstück, auf das sich alle mit Heißhunger stürzen, endet die Fastenzeit. Sie erstreckt sich zwar in Polen nur von Karfreitag bis Ostersonntag, an den beiden Tagen dazwischen wird aber ganz aufs Essen verzichtet. Ein typisches Ritual ist auch „Smingus Dyngus“ am Ostermontag. „Die jungen Leute bespritzen sich da mit Wasser. Attraktive Mädchen werden besonders gern aus Eimern begossen“, sagt die Bargteheiderin. Worauf sich der Brauch gründet, ist nicht genau überliefert. Einige sagen, er geht aufs Jahr 966 zurück, als sich der Herrscher Mieszko I. taufen ließ, andere sehen in „Smingus Dyngus“ ein heidnisches Reinigungsritual. Gefärbte Eier im Vorgarten aufzuhängen – auf diese Idee käme kein Schwede. „Bei uns ist es eher üblich, Birkensträuße mit bunten Federn in die Vase zu stellen, die man påskris nennt“, erzählt Therese Bernhardt, die 1990 von Småland nach Bad Oldesloe übersiedelte und als Fachübersetzerin und Lehrbuchautorin tätig ist. Früher seien echte Gänse- oder Entenfedern dafür verwendet worden. Zum Schutz der Tiere werde auf diese Praxis inzwischen aber verzichtet. Überraschend mag klingen, dass in Schweden nicht Häschen, sondern Hexen zu Ostern Hochkonjunktur haben. Das geht auf alte Mythen zurück, wonach die wilden Weiber mit schwarzer Katze und Kupferteekanne auf dem Besenstiel zum „schwedischen Blocksberg“, dem Blåkulla auf der Insel Blå Jungfrun geflogen sein sollen. Daran wird heute noch am Gründonnerstag erinnert. „Die Mädchen und Jungen verkleiden sich als Osterhexen. Sie ziehen von Haus zu Haus, verteilen Ostergrüße und bekommen zum Dank Süßigkeiten oder Geld“, erzählt Therese Bernhardt, die noch ein Foto aus Kindertagen besitzt, auf dem sie mit Kopftuch und rot geschminkten Wangen als Hexe unterwegs war. Das hier populäre Eiersuchen ist in Schweden unbekannt. Stattdessen schenken Eltern, Verwandte und Freunde den Kindern påskäggen, große bemalte, mit Geleefrüchten, Schokolade und anderen Naschis gefüllte Pappeier. Viel eleganter, glamouröser und damit auch attraktiver als die eigene empfinden viele Deutsche die französische Lebensart. Dass hiesige Osterbräuche aber bei den europäischen Nachbarn besonders verfangen, weiß kaum jemand. „Meine Familie in Frankreich ist immer neidisch, wenn ich erzähle, wie hier gefeiert wird“, erzählt zumindest Carole Hack aus Sprenge. Dass Sträucher und Bäume im und ums Haus schön geschmückt werden, sei in ihrem Heimatland nicht üblich. „Es gibt zu Ostern schon außergewöhnliche Süßigkeiten, aber dekoriert wie in Deutschland wird nicht“, sagt die Reisekauffrau. Häschen in Goldpapier gibt es hüben wie drüben. In den Regalen französischer Chocolaterien aber tauchen dazwischen auch Glöckchen auf. Und damit hat es seine besondere Bewandtnis. „Ab Karfreitag wird in den Kirchen nicht mehr geläutet. Uns Kindern hat man damals immer erzählt, dass die Glocken nach Rom geflogen sind, um sich den Segen vom Papst zu holen“, berichtet Carole Hack. Doch nicht nur das. Bei dieser Gelegenheit bringen sie gleich noch ein paar Eier mit. Wie die in den nach unten geöffneten Glocken transportiert werden? „Diese Frage darf man sich nicht stellen“, wiegelt Carole Hack lachend ab. Da das Osterfest in diesem Jahr auf den 1. April fällt, hat sie einen weiteren Brauch auf Lager. An diesem Tag spielen Franzosen einander gern einen Streich. Sie heften ihrem ahnungslosen Gegenüber einen Papierfisch an die Jacke. Manch einer läuft damit noch tagelang herum und wundert sich über das Gelächter der anderen. TEXTE/FOTOS: DOROTHEA VON DAHLEN Erst schwitzen, dann Eiertitschen: „Ohne Kulitsch kein Ostern“, sagt Irma Anhalt (78) und rollt verzückt mit den Augen. Das muffin-große Küchlein wird mit Hefe und Rosinen gebacken. Obendrauf kommen bunten Perlen, verrät die aus Kasachstan stammende Russlanddeutsche. Seit 25 Jahren lebt sie in Bad Oldesloe. „Alle Kinder sind hier, meine zehn Enkel und acht Urenkel. Was will ich mehr?“ Gemeinsam mit Aleftina Deutsch (79), die bis vor zwölf Jahren noch am Baikalsee gelebt hat, schwelgt sie in Erinnerungen. Selbst unter dem strengen atheistischen Diktat der einstigen Sowjetunion ließen sich ihre Familien nicht beirren und feierten das religiöse Fest, das für sie von jeher viel wichtiger als Weihnachten. Auch körperliches Reinemachen war vor den Festtagen angesagt. Gründonnerstag ging es kollektiv ab in die russische Banja. Nach einer Verschnaufpause am Karfreitag begannen die österlichen Vorbereitungen. Schnickschnack gab’s beim Eierfärben nicht. Zwiebelschale, Rote Beete oder auch Moosflechte taten ebenso gute Dienste. „Meine Mutter hat dann unsere Fellmützen umgedreht und sie hineingelegt. Sie sagte dann: ’Die hat der Hase gebracht’“, sagt Irma Anhalt versonnen lächelnd. Beim österlichen Sonntagsfrühstück ging es hoch her. Vater, Mutter, Kinder, Tanten, Onkel – alle machten eifrig mit beim Eiertitschen. Blieb die Schale heil, war man eine Runde weiter. In den Familien gab es regelrecht Experten, die genau wussten, wo die empfindlichen Sollbruchstellen am Ei sitzen. Der leckere Kulitsch durfte natürlich auch nicht fehlen. LN