In Bad Oldesloe wird Stolperstein für Robert Kersten verlegt

Verdrängung, Angst vor traumatischen Erinnerungen, Schuldgefühle – die Gründe sind vielfältig, weshalb aus der Zeit des Nationalsozialismus so Vieles verschwiegen und vertuscht wurde und immer noch wird. Doch mitunter gelingt es, den Opfern der industriell organisierten Tötungsmaschinerie der Nazis wieder ein Gesicht zu geben. Im Fall des Oldesloers Robert Kersten, der im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg ermordet wurde, ist dies gelungen. Zwar weist die Biografie des Sozialdemokraten, der 1883 im mecklenburgischen Dreschvitz auf Rügen geboren wurde, immer noch viele Blindflecken auf, doch durch einen Zufall sind jetzt ganz persönliche Aufzeichnungen aus der Zeit seiner Inhaftierung aus der Versenkung aufgetaucht und somit der Nachwelt überliefert. Am Weltfriedenstag, 1. September, wird für Robert Kersten an seinem letzten Wohnort in Bad Oldesloe ein Stolperstein verlegt. Der ursprünglich für April vorgesehene Termin musste verschoben werden. SPD stiftete Stolperstein für ihren Genossen: Auf die Person Kerstens war die frühere Stadtarchivarin Dr. Sylvina Zander bei Recherchen für ihr neues Buch über Bad Oldesloe in der Zeit des Nationalsozialismus gestoßen. Ihr Fund machte die Runde. Wie Ilse Siebel vom Bündnis gegen Rechts berichtet, saß Robert Kersten einst als Stadtverordneter für die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) in Stralsund, wechselte aber letztlich zu den Sozialdemokraten über. 1933 legte er sein Mandat nieder und zog nach Bad Oldesloe, wo er am Kirchplatz 4 wohnte. „Aus dieser Zeit ist nicht mehr so viel über ihn bekannt. Man weiß nur, dass er bei den Gas- und Wasserwerken tätig war und wahrscheinlich als Invalide aus dem Krieg zurückkam“, berichtet Ilse Siebel. 1944 im Zuge der Aktion „Gewitter“ nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg sei Kersten dann inhaftiert worden, erst in Lübeck, Kiel und schließlich im Konzentrationslager (KZ) Neuengamme. Dort ist er am 27. Februar 1945 ermordet worden. Das ist auch in den Stolperstein eingraviert, den der SPD-Ortsverein gestiftet hat. Kerstens Enkelin erfuhr wenig über den Großvater: Diese Nachricht fand auch ihren Weg nach Meddewade zu Ingrid Gollan. „Als ich das las, war ich wie vom Schock gerührt. Robert Kersten, das war doch mein Großvater“, beschreibt die Enkelin ihre erste Reaktion auf den Zeitungsbeitrag. In ihrer Familie wurde früher kaum über den Großvater gesprochen und wenn, dann nur ausweichend. „Dass er im KZ war, habe ich schon erfahren, aber mehr nicht. Die Eltern wollten uns wohl nicht belasten“, sagt die Nachfahrin Kerstens. Erst im Nachlass der Mutter stieß sie auf ein Bündel Briefe, die ihr Großvater aus dem Lager nach Hause geschickt hatte. Konfirmanden lesen aus Briefen vor: Umgehend wandte sich Ingrid Gollan an die Organisatoren der Gedenkveranstaltung. Von Ilse Siebel erfuhr sie mehr über ihren Großvater als sie bis dahin wusste und stellte schließlich auch Kopien seiner Briefe für die Dokumentation zur Verfügung. Da Robert Kersten zuletzt am Kirchberg 4 wohnte, ist jetzt auch die evangelische Kirche in die Zeremonie eingebunden. Denn sie hat dort heute ihr Verwaltungsbüro. Aus den ganz persönlichen Gedanken Robert Kerstens kurz vor seinem Tod werden nun Konfirmanden Passagen vortragen. „Es war mir ein großes Bedürfnis, auch junge Leute mit einzubinden“, sagt Ilse Siebel. Die Verlegung des Stolpersteins beginnt am Dienstag, 1. September, um 16 Uhr am Kirchplatz 4 in Bad Oldesloe. Von Dorothea von Dahlen