Inzucht unter Wildtieren in Stormarn: Jäger fordern neue Wege

Das Problem ist seit einigen Jahren bekannt, mittlerweile ist es jedoch richtig virulent: Immer häufiger wird bei Wildtieren in Stormarn Inzucht festgestellt, vor allem bei Rot- und Damwild. Durch immer mehr Verkehr auf Straßen und Schienen bleiben Hirsche und Rehe in ihren Rudeln unter sich, eine Durchmischung findet nicht mehr statt. Die Folgen: missgebildete Jungtiere, verkürzte Unterkiefer und sogar Blindheit. Die Lösung könnten Wildbrücken als Querungshilfen für die Tiere sein, die Kosten gehen aber in die Millionen. Trotzdem hat im Kreis nun die SPD einen neuen Anlauf unternommen, um Möglichkeiten für solche Querungen zu prüfen – auch in Kooperation mit den Nachbarkreisen und dem Land Schleswig-Holstein. Antrag der SPD im Kreistag: „Das Bundesamt für Naturschutz hat einen Biotopverbund, eine sogenannte Rotwild-Autobahn, durch Schleswig-Holstein erarbeitet, der eine Verbundachse zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark bilden soll. Leider wird dieser Biotopverbund gerade in Stormarn und den Nachbarkreisen durch die A 1 und die B 404/A 21, aber auch durch die A 24 zerschnitten“, erläuterte Heinz Hartmann in seinem Antrag an die Kreisverwaltung. Hartmann ist umweltpolitischer Sprecher der SPD im Stormarner Kreistag. „Um eine mangelnde Migration für das Wild und dadurch gentechnische Defekte zu verhindern, ist es erforderlich, Querungshilfen für das Wild über die Autobahnen zu ermöglichen, damit es eben nicht zu Inzuchtdepressionen kommt.“ Durch diese wird das Rotwild auch anfälliger für Krankheiten. Bei verkürzten Unterkiefern würden die Tiere zudem beim Fressen extrem leiden. Rotwild muss wandern können: Auf einer Sitzung des Umweltausschusses erläuterte auch Kreisjägermeister Uwe Danger, dass Rotwild wandern und sich ausbreiten müsse. „Es bestehen bereits deutliche Anzeichen von Inzucht.“ Im Ausschuss herrschte Einigkeit darüber, dass eine Populationsdurchmischung unterstützt werden sollte. Der Antrag an die Verwaltung, Möglichkeiten für Querungshilfen zu prüfen, wurde einstimmig angenommen. Vorgeschlagen wurden überdies zwei Varianten, die nicht ganz so kostenintensiv wären: zum einen die Unterführung unter der A 1 bei Lasbek, die jedoch zu einem wichtigen Radwanderweg gehört; zum anderen die Trave-Brücke im Verlauf der Autobahn 1 bei Reinfeld. Auch dort könnten die Tiere möglicherweise am Traveufer die Fernstraße unterqueren. Grünstreifen statt Beton: „Bisher scheuen die Tiere diesen Weg, weil er gepflastert ist“, sagt auch Marcus Börner, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, für den das Thema mittlerweile auch ganz oben auf der Agenda steht. Er hat bereits den Bundestagsabgeordneten Gero Storjohann eingeschaltet. „Wenn statt des Betons an der Trave Grünstreifen angelegt werden, würde das Rotwild dort eher mal die Seite wechseln“, sagt Börner. Mit wenig Aufwand sei dort viel möglich. Börner bestätigt, dass das Problem im Südosten Schleswig-Holsteins deutlich größer sei als in anderen Regionen. Er spricht von dringendem Handlungsbedarf. „Es gibt immer mehr Verkehr, immer mehr Siedlungen und im Gegenzug immer weniger Landschaft.“ Mit dem Belt-Tunnel werde es außerdem zu noch mehr Verkehr auf Straße und Schiene speziell durch den Kreis Stormarn kommen. Die nächsten Wildbrücken seien weit weg, etwa an der A 20 bei Strukdorf, an der A 21 auch erst im Kreis Segeberg und an der A 24 bei Gudow an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig sei daher eine Querung der A 1, am besten bei Hammoor in der Nähe des Beimoorwaldes. Rotwild versus Radfahrer: Die Variante bei Lasbek wurde allerdings mittlerweile bereits wieder verworfen. Die Unterführung sei zu schmal für die Tiere, und „wir wollen dort auch nicht den Radfahrern in die Quere kommen“, stellt Gerold Rahmann (Grüne) klar, Vorsitzender des Umweltausschusses. Der Radwanderweg von Bad Oldesloe nach Trittau müsste sonst um einige Kilometer verlegt werden. Für weitere Projekte werde es ungleich schwieriger, wie Ingo Lange vom zuständigen Fachdienst der Kreisverwaltung erläuterte. „Der Kreis selbst kann keine Brücken über Autobahnen bauen. Die bestehenden Grünlandbrücken sind alle als Ausgleichsmaßnahmen für andere Bauprojekte entstanden.“ Allerdings stünden mittelfristig ja einige Baumaßnahmen an wie der Bau der S-Bahnlinie S4 bis Bad Oldesloe oder der weitere Ausbau der B 404. Daher hat Landrat Henning Görtz nun Schreiben an Landeswirtschaftsminister Bernd Buchholz, die Autobahn GmbH sowie die Deutsche Bahn verfasst, um auf diese Problematik hinzuweisen. Wo genau es dann Querungshilfen als Ausgleichsmaßnahmen geben kann, solle mit der Stormarner Kreisjägerschaft sowie dem Landesjagdverband erörtert werden. Lesen Sie auch: Heilshoop: Widerstand gegen Windkraft Impfzentren: Wie die Stormarner gegen Corona geimpft werden sollen Mundschutzmaske und Mimik: Halbierte Botschaften Von Markus Carstens