Kita-Reform 2020: Hamberge: Kita-Beiträge falsch abgebucht

Erste Schritte zur Kitareform sind am 1. August 2020 in Kraft getreten. Die Elternentlastung durch einen Beitragsdeckel wurde umgesetzt. Was außerdem neu ist: Die Ermäßigung wird nicht mehr durch den Kindergarten direkt gesteuert, sondern Eltern müssen für jedes Kind einen Antrag direkt bei der Kreisverwaltung Stormarn stellen. „Das habe ich im Monat Juli getan. Das war aufwendig mit den Formularen und Papieren, die man einreichen musste“, berichtet Jennifer Ditscher, die ihre drei Kinder in der Regenbogen-Kita in Hamberge untergebracht hat. Doch als sie im August einen Blick auf ihre Kontoauszüge warf, traute sie ihren Augen nicht: „Statt 210 Euro wurden 670 Euro für die Kita abgebucht. Mehr als das Dreifache. Und das, obwohl wir Ermäßigungen und nur einen Alleinverdiener haben.“ Normalerweise ist das dritte Kind von Jennifer Ditscher frei, für das zweite zahlt sie 50 Prozent, in ihrem Fall 70 Euro. „Nur für unser erstes Kind zahlen wir den vollen Beitrag von 140 Euro. Ich weiß von drei weiteren Fällen allein in meiner Gruppe, bei denen auch Mehrbeträge eingezogen wurden.“ Durch die Kitareform 2020 werden Eltern entlastet. „Die Kindergarten-Gebühren sind jetzt gedeckelt. Für ein Kind unter drei Jahren zahlen Eltern 7,21 Euro pro Wochenbetreuungsstunde. Ein Kind mit Krippenplatz kostet damit maximal 288,40 Euro“, rechnet Stefan Dzyk, Fachbereichsleiter Familie und Schule des Kreises Stormarn, vor. Für ein Kind bis zum Schuleintritt zahlen Eltern 5,66 Euro pro Wochenbetreuungsstunde. Bei 40 Wochenstunden sind das maximal 226,40 Euro. „Vorher hat ein Krippenplatz bis zu 600 Euro gekostet. Da ist eine deutliche Reduzierung ab 1. August 2020 zu spüren“, so Dzyk. „Bürgerunfreundlicher“ Anrufbeantworter: Dabei sei zuvor vom Kreis mitgeteilt worden, dass Eltern sich wegen der Umstellung keine Sorgen machen müssten, schildert die Hambergerin. Träger und Kindergarten-Institutionen würden die Beiträge zunächst nicht abbuchen. Im Kindergarten Regenbogen in Hamberge hat das nicht geklappt. „Der Kirchenkreis Plön-Segeberg wusste gar nichts von dieser Regelung, hat mir eine Mitarbeiterin gesagt.“ Also rief die dreifache Mutter bei der Kreisverwaltung an und landete bei einem Anrufbeantworter „Aufgrund der Kitareform dauert die Bearbeitung der Anträge auf Ermäßigung oder Übernahme des Elternbeitrages für den Besuch einer Kindertagesstätte (...) derzeit länger als gewohnt. Aus diesem Grund sind wir bis auf Weiteres telefonisch nicht erreichbar. Bitte sehen Sie in Ihrem eigenen Interesse dennoch von Rückfragen zum Eingang oder zum Bearbeitungsstand Ihres Antrages auch per Mail ab. Die Mehrarbeit für die Beantwortung Ihrer Fragen bindet zusätzlich Kapazitäten ein und verlängert die Bearbeitungszeit so noch weiter.“ Jennifer Ditscher war fassungslos. „Der Kreis kommt mit der Arbeit nicht hinterher. Und dann so eine Ansage, dass ich nicht anrufen und keine Mail schicken soll, um zu fragen, was mit meinem Antrag ist? Das geht gar nicht.“ Das empfinde sie als bürger- und elternunfreundlich. Antragsflut beim Kreis Stormarn: Bei der Kreisverwaltung, die zum 1. August die Kitaermäßigung von den Kommunen übernommen hat, herrscht ein Rückstau bei der Bearbeitung der Anträge. Der Aufwand ist allerdings auch enorm. Der Fachbereich Familie und Schule rechnet mit 4500 Anträgen. Zweieinhalb neue Stellen wurden dafür zusätzlich geschaffen. Außerdem wird Personal aus kreiseigenen Schulen eingesetzt, um den Berg an Gesuchen zu bewältigen. Dennoch: „Derzeit muss leider von einer Bearbeitungszeit von nicht unter sechs Wochen ausgegangen werden“, heißt es in einer Pressemitteilung. Die geplanten Vorarbeiten hätten Corona-bedingt nicht im beabsichtigten Umfang erfolgen können, da im Mai die Anträge ausblieben. Die Informationskette war wegen des deutlich eingeschränkten Betriebs der Kindertagesbetreuung im Frühjahr unterbrochen. Erst Mitte Juni flatterten die ersten Umschläge ins Haus. „Seit Juli haben wir kistenweise Anträge täglich, die es zu bewältigen gilt. Viele davon sind unvollständig, weil die Gebührenbescheide fehlen. Die Kitas haben sie zu spät versendet“, informiert Fachbereichsleiter Stefan Dzyk. Kommunale Kita-Träger warten Verfahren ab: In dem Bestreben, den Familien mit geringerem Einkommen die Übergangszeit bei der Umsetzung der Kita-Reform zu erleichtern, wurden die Träger der Kindertagesstätten um Unterstützung gebeten. Dzyk: „Wir haben alle Träger angeschrieben, dass sie aufgrund der Situation, die wir im Moment haben, bitte Umsicht walten lassen, um die Sache nicht unnötig zu strapazieren. Aber einige Träger haben den Beitrag trotzdem zum 1.8. abgebucht, ohne dass sie die Rechnung überhaupt verschickt haben. Das läuft im Moment recht konfus“, hat Dzyk festgestellt. In Hamberge sei es die Kirche, die ihre Einzugsermächtigungen nutze. Kommunale Träger hätten hingegen Rechnungen verschickt und eine Mahnsperre gesetzt. „Das heißt, sie warten das Verfahren ab und mahnen nicht, wenn die Eltern nicht zahlen. Im Wissen, dass das Geld vom Kreis ja irgendwann kommt.“ Einzugsermächtigung stoppen: Im Moment ist das Team der Kreisverwaltung bei der Antragsbearbeitung von Mitte Juli angelangt. „Wir arbeiten mit Hochdruck. Wir sind dabei, alle noch nicht beschiedenen Anträge zu listen und eine vorläufige Eingangsbestätigung zu schicken, auch wenn uns das in der Sachbearbeitung wieder zurückwirft. Jede verfügbare Hand wird mit in die Sozialstaffel involviert, ob es Stammdatenerfassung ist, das Nachfassen bei fehlenden Unterlagen oder das Erstellen von Bescheiden.“ Im Fachbereich Familie und Schule seien auch alle Mitarbeiter anwesend. „Was die Anrufbeantworter betrifft: Wir reagieren nur sparsam, da wir genug anderes zu tun haben“, macht der Fachbereichsleiter deutlich. Nun steht der Monat September vor der Tür. „Wer seine Einzugsermächtigung nicht zurückgenommen hat, dem kann es passieren, dass noch mal der volle Beitrag eingezogen wird. Es sei denn, der Träger ist einsichtig geworden und hat das gestoppt.“ Eltern seien aber auf der sicheren Seite: In jedem Fall müssten die Kindergärten die Überzahlung zurückerstatten. Lesen Sie auch Ahrensburger Eltern protestieren gegen Kita-Reform Kreis stellt Kitas und Tagespflege gleich Eltern in Bad Oldesloe in Sorge: Viele Fragen zum neuen Kita-Gesetz Kita-Reform in Schleswig-Holstein: Viele Eltern zahlen künftig weniger Kita-Reform: 665 Erzieher fehlen, kleine Kitas sind in Gefahr Von Britta Matzen