Landwirtschaft: Warum der Mais in Stormarn den Raps verdrängt

In Stormarn ist die Maisernte angelaufen. Gut zehn Prozent wurden bisher abgeerntet. „Der Maisertrag wird mit relativ großen regionalen Ausschlägen durch die Trockenheit durchschnittlich sein. Wir gehen in etwa von 40 bis 45 Tonnen pro Hektar aus“, teilt Peter Koll, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes mit. Landesweit ist der Maisanbau in den vergangenen Jahren flächenmäßig angestiegen. Waren es 167 400 Hektar im Jahr 2015, gibt das Statistikamt Nord für 2020 einen Anbauumfang von 188 600 Hektar an. Auch im Kreis – insbesondere in Nordstormarn – dominiert Mais auf immer mehr Äckern. Die Ursache ist witterungsbedingt. Mais wird in Schleswig-Holstein seit den 1960er Jahren angebaut. Der Anbau von Mais hat im Laufe der Jahrzehnte um ein Vielfaches zugenommen. 1959 wurden 279 Hektar Grünmais im Land angebaut, 1960 waren es 626 Hektar. 1960 war Stormarn mit 108 Hektar Mais zur Futtergewinnung Spitzenreiter unter den Kreisen. Und so entwickelte sich der Anbauumfang von Mais nach den Daten des Statistikamtes Nord weiter: 1995: 68 025 Hektar, 2000: 79 032 Hektar, 2005: 102 408 Hektar, 2010: 175 669 Hektar, 2011: 194 006 Hektar. Nach Angaben des Kreisbauernverbandes werden aktuell in Stormarn mehr als 5000 Hektar mit Mais bepflanzt. Mais statt Raps: 2017 war ein ausgesprochen nasses Jahr – auch in der Bestellzeit im Herbst wurden starke Niederschläge verzeichnet. Dadurch konnte ein Drittel der Wintergetreidebestände nicht ausgesät werden, folglich mussten die Landwirte nach einer Alternative suchen. „2018 war auch extrem. Gleich im April setzte die Trockenheit ein. Die Landwirte sind statt auf Sommergetreide auf Mais ausgewichen“, berichtet Koll. Im Herbst 2018 hätten die Bauern wegen der anhaltenden Dürre immer noch kein Getreide anbauen können. Erst im Folgeherbst habe sich die Fruchtfolge wieder einigermaßen reguliert. „Man hat es mehr oder weniger leidlich hinbekommen, Raps oder Wintergetreide zu bestellen. In diesem Frühjahr zeigte sich beim Raps, dass wir massive Ausfälle bei einigen Beständen durch den Rapserdfloh und die Kohlfliege hatten. Gerade in Nordstormarn mussten etliche Flächen, die mit Raps bestellt waren, umgebrochen werden.“ Dort sei Mais eingesät worden, weil die Zeit im April so weit fortgeschritten war, dass keine andere Kultur mehr in Frage gekommen wäre. Zu viel Gülle auf den Maisfeldern: „Mais wächst eigentlich überall und erfordert keine große Umsicht. Anders als Weizen hat Mais keine besonderen Ansprüche an die Bodenqualität. Selbst auf sandigen Böden wächst er. Er braucht dann nur ordentlich Dünger. Das ist auch eines der Kardinalprobleme“, teilt Fritz Heydemann, stellvertretender NABU-Landesvorsitzender, mit. „Der Maisacker wird in der Regel vor dem Drillen, also vor der Einsaat, gedüngt. Dann aber wie. Das geht richtig ins Eingemachte“, erklärt der NABU-Experte. Mit Folgen für die Umwelt. Die Maispflanzen bedeckten den Boden nur ungenügend, auf Maisfeldern komme es deshalb häufig zu beträchtlichen Erosionen durch Regenfälle. „In diesem Jahr hatte ich in der Nähe von Reinfeld im Bereich der Trave das Problem. Das war exorbitant“, schildert Heydemann. Auf einem Maisacker in Hanglage war der Boden in Bewegung geraten und in die Traveniederung gerutscht. „Problematisch ist vor allem Phosphor aus dem Dünger. Der Regen spült diesen Nährstoff in das nächstgelegene Gewässer, wo er zur tödlichen Gefahr für Wassertiere und -pflanzen wird.“ Hinzu kämen noch belastende Herbizide wie Glyphosat. Durch das Düngen lande zudem viel Nitrat auf den Maisfeldern. Heydemann: „Das wirkt sich auch auf unser Grundwasser aus. In der Geest, wo besonders viel Mais angebaut wird, hat man das schon vor langer Zeit festgestellt. Die Brunnen werden dort immer tiefer gebohrt. Man versucht, dem Nitrateintrag auszuweichen, aber er kommt immer weiter runter. Man rechnet mit einem Meter pro Jahr, und das ist nicht aufzuhalten.“ NABU: „Biogasanlagen sind umweltschädlich“: Beim Maisanbau wird nicht unterschieden zwischen Viehfuttermais und Biogasmais. „Landesweit gilt: Die eine Hälfte wird für Agrargasanlagen verwendet, die andere Hälfte für Viehfutter“, sagt Heydemann. „Wir sehen den Maisanbau sehr kritisch, das sagen wir ganz offen. Auch wenn er für Viehfutter ist. Allerdings ist dann eher noch die Sinnhaftigkeit gegeben. Während es bei Biogas eine vergeudete Ressource ist, wenn der Boden dem Maisanbau geopfert wird.“ Biogasanlagen sind für den NABU ohne Wenn und Aber umweltschädlich. „Ausnahmen bilden nur Anlagen, die Rest- und Abfallstoffe verwerten sowie die Abwärme sinnvoll einsetzen – doch die gibt es hierzulande kaum.“ Heydemann schätzt, dass landesweit 650 Biogasanlagen mit einer durchschnittlichen Leistungsgröße von 500 kW in Betrieb sind. „100 000 Hektar nachwachsende Rohstoffe werden für diese Biogasanlagen gebraucht.“ Was der NABU besonders kritisiert: Häufig werde der Mais über weite Strecken antransportiert und damit viel Treibstoff verbraucht. „Manche Landwirte holen den Mais sogar aus Dänemark.“ Bei den wenigsten Anlagen erfolge zudem eine sinnvolle Abwärmenutzung. „Der Energiegewinn ist damit nicht viel größer als der Energieverbrauch. Windkraft- und Photovoltaikanlagen arbeiten deutlich effizienter. Doch durch die 20-jährige Einspeisevergütung müssen wir noch für die nächsten Jahre mit dem Maisboom auskommen“, so der NABU-Experte. Vielleicht sogar noch länger. „Es hat sich eine gewaltige Lobby rund um die Biogasanlagen aufgebaut. Die befürchten, dass ihnen das ganze Geschäft zusammenbricht, wenn keine Anschlussförderung kommt. Dafür wird jetzt schon ordentlich getrommelt.“ Thünen-Institut: Tolle Kulturfrucht für den ökologischen Landbau: Das Thünen-Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst bestätigt, dass der Maisanbau wegen der Biogasanlagen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. „Mais ist einfach sehr energiereich und sehr effizient. Mais wächst auch sehr gut hier oben in unseren Breitengraden. Auf schweren wie auf leichten Standorten“, sagt Dr. Hans Marten Paulsen, stellvertretender Institutsleiter. Von der ökologischen Wirkung sei es allerdings kritisch, wenn zu viel Mais angebaut werde und man nur noch wenige Kulturen in der Fruchtfolge habe. Davor warnt auch das Landwirtschaftsministerium in Kiel. „Generell hat die Konzentration auf wenige Ackerfrüchte, in Schleswig-Holstein im wesentlichen Mais, Winterweizen, Wintergerste und Winterraps, negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Umwelt. Die Wahl der angebauten Kulturpflanzen liegt jedoch bei den Landwirten selbst. Als Umwelt- und Landwirtschaftsministerium werben wir dafür, die Probleme von engen Fruchtfolgen und Monokulturen ernst zu nehmen.“ Paulsen hält Mais dennoch für eine tolle Kulturfrucht, die auch im ökologischen Landbau ertragreich sein könne. Mais habe den Vorteil, dass er relativ spät im Jahr angebaut werde und bis spät in das Jahr Stickstoff aufnehme. Es müsse auch nicht unbedingt Stickstoff auswaschen, wenn man das Düngemanagement im Griff habe. „Einzig, wenn die Flächen stark mit Gülle und Biogasgülle gedüngt werden, was tatsächlich der Fall ist, und dann noch auf leichten Standorten, kommt es schon zu Nährstoffausträgen und Erosionen, weil die Flächen lange blank und die Reihen weit auseinander liegen.“ Das seien auch die Hauptkritikpunkte beim Maisanbau. So wird der Maisanbau grüner: „Man muss sich eben bemühen, das Anbauverfahren grüner zu machen. Das kann man mit Untersaaten und Zwischenfrüchten“, sagt der Trenthorster. Als Untersaat eigneten sich Bohnen oder Klee. Phacelia werde zunehmend als Zwischenfrucht angebaut und erst kurz vor der Saat umgebrochen. Auf diese Weise könne man Erosionen über den Winter verhindern. Paulsen: „Man sieht, wie die Landwirte experimentieren und versuchen, auch etwas für den Boden zu tun. Mais ausdrillen, den Boden über den Winter blank liegen und es einfach draufregnen lassen, ist nämlich keine gute Idee.“ Lesen Sie auch Blühstreifen: Reinfelder Landwirte setzen sich für die Natur ein Kreisbauernverband diskutiert über Zukunft der Landwirtschaft Kreisbauerntag 2020: Landwirte fordern mehr Dialog Von Britta Matzen