Neues Mähkonzept sorgt für Artenvielfalt auf Oldesloer Grünflächen

Dr. Ulrike Graeber von der BUND-Kreisgruppe Stormarn und ihr Mann Klaus Graeber, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Bad Oldesloe, trauten ihren Augen nicht, als sie im Frühjahr 2018 nach einem Urlaub einen Spaziergang über den Ehrenfriedhof der Kreisstadt machten. Der Baubetriebshof hatte dort gründlich gemäht. „Leider zu gründlich, viele Frühblüher, darunter alle meine geliebten Goldsterne waren nicht mehr da“, sagt die Ostholsteinerin. Sogleich setzte das Ehepaar sich mit Presse, Stadt und Bauhof in Verbindung und machte seinem Ärger Luft. Die Sorgen der beiden Naturschützer wurden sehr ernst genommen, diese Fläche von da an nur noch verhalten gemäht. Während in der Folgezeit dann gemeinsam darüber beraten wurde, wie dem Artensterben von Pflanzen und Insekten weiterhin entgegenwirkt werden könnte, „half“ sich die Natur selbst. „Bei einer Begehung im Sommer 2019 stellten wir fest, dass aus den dort zuletzt gezählten 44 unterschiedlichen Pflanzenarten 121 geworden waren“, sagt Ulrike Graeber. Nach aktuellem Stand gebe es inzwischen sogar 132, darunter viele „alte Arten“, auf dem 3200 Quadratmeter großen Gelände des Ehrenfriedhofs. Neues Mähkonzept zufällig entdeckt: Geschehen konnte dies durch das ausbleibende Mähen. Helge Brauer vom Bauhof erläutert das Prinzip: „Während wir zuvor die gesamte Fläche etwa alle zwei Wochen gemäht haben, mähen wir jetzt nur noch ein- bis zweimal im Jahr, im Herbst und im Frühjahr, lassen dabei jetzt ein Drittel der Pflanzenwelt stehen.“ Dadurch hätten eigentlich schon ausgestorben geglaubte Pflanzen wieder austreiben können. Auf dem stehengelassenen Teil der Fläche könnten zudem Kräuter ungemäht überwintern, die wiederum Insekten während der kalten Jahreszeit Schutz böten. In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, dem Baubetriebshof, dem Nabu, BUND und der Tiefbauabteilung der Kreisstadt wurde beschlossen, dieses zufällig entstandene neue Mähkonzept nicht nur auf dem Ehrenfriedhof beizubehalten, sondern auch noch auf zunächst acht weitere Oldesloer Grünflächen auszudehnen. Darunter ist auch das knapp ein Hektar große Gelände im Neubaugebiet West, zu dem der Spielplatz, der See, die Klimabäume und der Obstgarten gehören. Durch das neue Konzept wurden hier inzwischen sechzig Pflanzenarten gezählt, dabei die seltene Flockenblume. Die Artenvielfalt der Insekten wird demnächst ermittelt. Um auch die Bevölkerung an dieser Blütenpracht teilhaben zu lassen, wird jeweils ein Streifen an den Wegen als Rasen gemäht, sodass man als Spaziergänger praktisch „über die Wiese“ gehen kann. Zum anderen sind diese neuen Insektenschutzgebiete ausgeschildert worden, um über das Konzept zu informieren. Schon neun neue Insektenschutzgebiete: Helge Brauer freut sich, dass jetzt nicht nur der Naturschutz unterstützt wird, sondern auch endlich der schon eingestaubte „Balkenmäher“ des Bauhofs wieder in Aktion treten kann und das neue Konzept viel kostengünstiger ist. „Und man braucht kaum Voraussetzungen, die Fläche muss lediglich so groß, sein, dass sie mit unseren Maschinen befahrbar ist“, betont er. Die kleinste Wiese hat derzeit eine Größe von 700 Quadratmetern, die Gesamtgröße aller neun Flächen beträgt 20 500 Quadratmeter. Allen ist dabei gemein, dass sie bereits seit vielen Jahren nicht mehr gedüngt und mit Herbiziden behandelt worden sind. „So konnten Pflanzen in der Erde über Jahre überleben und jetzt wieder blühen. Wie schön, dass aus einem Ärgernis so etwas Schönes entstanden ist“, sagt Klaus Graeber. Und Bürgermeister Jörg Lembke erkennt schon Potenzial in Richtung Tourismus: „Man könnte Oldesloe direkt als ,Grüne Stadt’ bewerben.“ Stetige Weiterentwicklung: Die Zusammenarbeit von Stadt, Bauhof und den Naturschutzverbänden ist damit noch nicht zu Ende. Weiterhin wird gemeinsam untersucht, wie das Projekt weiterentwickelt werden kann. „Derzeit planen wir, sechs weitere Grünflächen auf die gleiche Weise zu bearbeiten. Zudem arbeiten wir an dem Problem der Mahd-Entsorgung. Wenn wir da eine kostensparende Lösung finden, ist das Projekt ,rund’“, betont Brauer. Von Sandra Freundt