Prozess Ahrensburg: Reisebüro-Chefin muss zweieinhalb Jahre in Haft

Luxusurlaub, Ferienapartment, Schmuck, teures Auto: All das hat sich eine 54-jährige Frau aus Ahrensburg offenbar nicht gegönnt, als sie sich als Inhaberin zweier Reisebüros in Ahrensburg und Schwarzenbek wiederholt am Geld ihrer Kunden bediente. Ein Schaden von 74 000 Euro soll dabei mindestens entstanden sein. Die Frau benötigte das Geld vielmehr, um ihr Geschäft am Leben zu halten. Die Buchhaltung sei ihr über den Kopf gewachsen, sagte sie jetzt mit zitternder Stimme vor Gericht. Ergebnis: Beide Reisebüros sind abgewickelt, sie hat nach eigenen Angaben Schulden in Höhe von rund 100 000 Euro, und das Amtsgericht Ahrensburg verurteilte sie jetzt wegen Betrugs und Untreue zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre gefordert, die Verteidigung zwei Jahre auf Bewährung. Der Prozess am Donnerstag war der dritte Versuch, zu einem Urteil zu kommen. Denn während die 54-Jährige anfangs noch Atteste vorlegte, erschien sie im Juli 2020 einfach nicht. Es wurde ein Haftbefehl beantragt und Angelika K. (Name geändert) zur Fahndung ausgeschrieben. Obwohl sie offenbar nicht weit weg auf eine karibische Insel oder dergleichen floh, sondern im Bereich Ahrensburg blieb, wurde sie erst im November von der Polizei geschnappt. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Lübeck. Angeklagte zitterte am ganzen Körper: Von dort kam sie am Donnerstag zum ersten Tag der Hauptverhandlung und war schon vor dem Beginn eine reines Nervenbündel. Sie zitterte an beiden Händen, manchmal auch am ganzen Körper, atmete schwer durch ihre Corona-Maske und blickte starr durch die beschlagene Brille vor sich auf den Tisch. Als sie sich zu ihrer Person äußern sollte, brachte die 54-Jährige auch zunächst kein Wort heraus, sondern stammelte nur „ich schaff das nicht“. Mithilfe ihres Rechtsanwalts Kemal Su aus Hamburg fing sich Angelika K. schließlich doch etwas und räumte die ihr vorgeworfenen Taten ein. Beschuldigt wurde sie, in mindestens 30 Fällen zwischen Juni 2015 und Februar 2018 Kontodaten und Kreditkartendaten ihrer Kunden missbraucht zu haben. Sie beglich damit Rechnungen, zahlte die Ladenmieten und Löhne ihrer Mitarbeiter. „Sie hat offenbar keinen Vermögensgewinn damit erzielt, sondern wollte eine wirtschaftliche Notlage begleichen und ihr Unternehmen retten“, sagte der ermittelnde Polizeihauptkommissar, der am Donnerstag als Zeuge aussagte. Hohe kriminelle Energie habe er zumindest anfangs nicht feststellen können. „Sie wollte kurzfristig finanzielle Löcher stopfen, um Zeit zu gewinnen.“ Reisebüros gingen schon 2009 in Insolvenz: Angelika K. sagte zu ihren Beweggründen: „Mutti durfte nicht wieder insolvent werden.“ Diese hatte vorher die Reisebüros geführt und 2009 Insolvenz angemeldet. Ihre Tochter führte den Betrieb weiter, und zunächst ging das auch alles gut. Die Mutter arbeitete weiterhin mit, fiel dann jedoch krankheitsbedingt länger aus. „Dann musste ich auch die Buchhaltung mitmachen“, so die 54-Jährige. Irgendwann fehlte überall Geld, „und ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Ich wollte ja auch alles zurückzahlen, konnte aber auch mit niemandem reden“. 2017 wurden die ersten Angestellten entlassen, 2018 die Filiale Schwarzenbek dichtgemacht. Zu dem Zeitpunkt lagen auch bereits mehrere Beschwerden von Kunden, Mahnungen und Vollstreckungsbescheide vor. Außerdem stand Angelika K. bereits zweimal wegen Betruges vor Gericht. Ein Verfahren wurde eingestellt, beim anderen erhielt sie eine Geldstrafe. „Ein dicker fetter Warnschuss“, sagte Richter Ulf Thiele. „Wer danach immer noch weitermacht, will in Gefängnis.“ Reisen und Flüge nicht bezahlt: Vielen Menschen habe die 54-Jährige die schönste Zeit des Jahres genommen, hieß es später in der Urteilsbegründung. Denn viele Kunden fanden nicht nur unrechtmäßige Abbuchungen in vierstelliger Summe vor, sondern konnten teilweise auch Reisen nicht antreten, weil sie nicht bezahlt waren. Der Polizeibeamte wusste von einer Familie zu berichten, die lange gespart hatte für eine Weltreise. Unterwegs hätte diese feststellen müssen, dass einige Flüge nicht bezahlt worden waren. Von Markus Carstens