Prozessauftakt: Schießerei in Glinde

Das könnte eine echte Puzzlearbeit für das Schwurgericht des Lübecker Landgerichts werden: Es muss in einem mehrwöchigen Prozess aufklären, was genau am 28. April 2020 am Golfplatz Glinde passiert ist. Bei einer bewaffneten Auseinandersetzung wurden damals eine Person lebensgefährlich und eine weitere schwer verletzt. Drei junge Männer aus Glinde und Reinbek sitzen seit Mai beziehungsweise Juni in Untersuchungshaft. Der Prozess begann kurz vor Weihnachten, das Gericht hat elf Hauptverhandlungstage anberaumt und bislang 22 Zeugen sowie drei Sachverständige geladen. Bei einer Verurteilung drohen den Männern lange Haftstrafen. Die drei Männer (alle 26 Jahre alt) sind angeklagt wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gemeinschaftlich begangenen versuchten Totschlags. Einer der beiden Glinder soll im April 2020 das spätere Opfer, einen 41 Jahre alten Mann aus Hamburg, zu einem Treffpunkt nahe des Golfplatzes in Glinde bestellt haben. Dort wollte Antoni S. mit Ivan N. (beide Namen geändert) über Schulden in Höhe von 1800 Euro sprechen, die der Neffe des 41-Jährigen angeblich bei Antoni S. hatte. Nach einem Gerangel fiel ein Schuss: Zu dem Treffen soll der Glinder dann die beiden anderen Angeklagten mitgebracht haben. Alle drei sollen bewaffnet gewesen sein, einer mit einem Beil und die beiden anderen mit Schusswaffen. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft erklärte Ivan N. – er tritt im Prozess auch als Nebenkläger auf – den Männern, dass er mit den Schulden seines Neffen nichts zu tun habe. Daraufhin soll er von Antoni S. einen Schlag gegen den Kopf bekommen haben. Es kam zu einem Gerangel der vier Männer, infolgedessen der 26-Jährige aus Reinbek in Richtung des 41-Jährigen geschossen haben soll, ihn jedoch verfehlte. Ivan N. soll daraufhin ein Messer gezogen und Antoni S. damit einen Stich versetzt haben. Alle drei Angeklagten sollen daraufhin zurückgewichen sein, wobei der Reinbeker und Antoni S. ungezielte Schüsse auf den Zeugen abgegeben haben sollen. Mindestens vier sollen den 41-Jährigen getroffen haben. Er erlitt einen Durchschuss des linken Oberarmes, einen Durchschuss des linken hinteren Oberschenkels, Streifschüsse an beiden Oberschenkeln und einen Durchschuss des linken Fußes. Er kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus Boberg. Wenig später wurde dort auch sein mutmaßlicher Peiniger mit schweren Verletzungen im Brustbereich eingeliefert. Nach seiner Entlassung ging es sofort in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Lübeck, von den mutmaßlichen Mittätern fehlte lange jede Spur. Erst einen Monat später wurden sie von der Polizei gefasst und kamen ebenfalls in Untersuchungshaft. Angeklagte erzählen andere Version: Vor Gericht erzählten zumindest zwei der Angeklagten am Freitag eine ganz andere Version, der dritte will sich erst beim nächsten Mal äußern. Im voll besetzten Gerichtssaal – viele Angehörige waren gekommen – berichteten sie von einer Art Notwehr-Situation. Ursprünglich sei er mal mit dem Neffen von Ivan N. befreundet gewesen und habe ihm immer wieder Geld geliehen, erzählte Antoni S. Er habe das jedoch nie zurückbekommen, sei stattdessen von ihm immer wieder am Telefon bedroht worden. Am besagten Tag habe ihn Ivan N. angerufen, um die Sache abschließend zu erklären. Zum vereinbarten Treffpunkt am Golfplatz nahm Antoni S. seine beide Freunde mit, weil er nach eigener Aussage eine Falle befürchtete. „Deshalb haben wir uns auch Waffen besorgt“, sagte er in der Verhandlung. Weiter ging er darauf nicht ein, Nachfragen seitens des Gerichts hatten die drei Anwälte abgelehnt. Vor Ort habe Ivan N. schnell klargemacht, dass er die Schulden seines Neffen nicht begleichen wolle. „Ivan und Antoni beleidigten sich gegenseitig auf Russisch, ehe Ivan plötzlich ein Messer zückte und ohne Vorwarnung Antoni in die Brust stach“, sagte der 26-Jährige aus Reinbek. „Ich habe direkt die Pistole gezogen und auf den Boden geschossen. Dann sind wir weggelaufen. Antoni war wegen seiner Verletzung jedoch nicht so schnell.“ Als sie von dem 41-Jährigen fast eingeholt worden seien, habe Antoni viermal auf den Mann geschossen. So schilderte es auch der mutmaßliche Schütze selbst. Ob es so war oder doch wie in der Anklage beschrieben, sollen in den kommenden Wochen die Befragungen von Sachverständigen, Polizeibeamten und anderen Zeugen klären. Die Verhandlung wird am 27. Januar um 9 Uhr in Saal A des Landgerichts, Außenstelle Am Flugplatz 4, fortgesetzt. Von Markus Carstens

Prozessauftakt: Schießerei in Glinde - es ging um 1800 Euro