Reinfelder Fahrschule wegen Corona ausgebremst

Freie Fahrt: Seit dem 18. Mai ist der Betrieb in den Fahrschulen wieder angelaufen. Theorieunterricht ist wieder erlaubt, und die Fahrschüler dürfen auch wieder ans Steuer – trotz Corona. Das freut die Fahrlehrer, nachdem sie wochenlang nicht unterrichten durften. Für die Fahrstunden gelten strenge Richtlinien, wie Özlem Dagli von der MC-Fahrschule in Reinfeld berichtet. „Fahrschüler und Fahrlehrer müssen im Auto Masken tragen. Nach jeder Fahrt müssen wir das Auto desinfizieren und eine Viertelstunde lüften.“ Diese Auflagen sind aus Sicht von Özlem Dagli richtig und gut, aber nicht ganz unproblematisch. „Vater Staat unternimmt nichts gegen Wucherpreise“: Thema Desinfektion: „Haben Sie in den letzten Tagen mal nach dem Literpreis von Desinfektionsmitteln geguckt? Das ist bald teurer als Gold. Für das Auto brauche ich besonders hochwertige und teure Desinfektionstücher. Dazu noch die vielen Masken, die wir besorgen müssen. Ich bin ganz ehrlich – das tut weh, was ich dafür hinblättern muss.“ Die Preise seien komplett durch die Decke gegangen. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach „Ich will mich nicht über die Maßnahmen beklagen, die ich sehr sinnvoll finde. Aber ich beklage mich über unseren Vater Staat, der nichts gegen die Wucherpreise unternimmt. Es kann nicht sein, dass Leute damit Geschäfte machen.“ Es gebe andere Länder, wie etwa die Türkei, dort dürfe eine Maske nicht mehr als umgerechnet 20 Cent kosten. Özlem Dagli hat überschlagen, dass sie im Monat allein wegen der Hygienemittel mindestens 200 Euro Mehrkosten hat. Durch die verordneten Pausen von 15 Minuten hat sich zudem ihr Arbeitstag verlängert – um 2,5 Stunden. Unbezahlt wohlbemerkt. Fahrlehrer dürfen keine Überstunden machen: Umsatzeinbußen können Fahrschulen im Gegensatz zu vielen anderen Gewerben nicht auffangen. „Ich würde gerne mehr arbeiten, aber wir dürfen keine Überstunden machen. Fahrlehrer dürfen am Tag nicht mehr als 495 Minuten arbeiten. Das sind genau elf Fahrstunden à 45 Minuten.“ Sonn- und Feiertagsarbeit ist für Fahrlehrer verboten. Mehr als 200 000 Fahrschüler konnten bundesweit wegen Corona ihre Ausbildung nicht abschließen. Das teilt der Branchenverband Moving in Ludwigsburg mit. Darunter seien rund 10 000 Fahrer in der Ausbildung zum LKW-Führerschein. Sie würden dringend in systemrelevanten Berufen der Logistik, der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks gebraucht. Eine Umfrage des Branchenverbandes unter den Fahrschulen hat ergeben, dass bei 30 Prozent der Befragten die staatlichen Hilfen nicht ausreichen werden, um die Krise zu überstehen. 45 Prozent der Befragten gaben an, dass die Mittel nur teilweise helfen. 25 Prozent der Fahrschulen glauben, dass sie ihr Geschäft nach der Krise erhalten werden. Doch auch nach Corona wird es für viele Fahrschulen laut Moving-Umfrage schwierig werden: Über die Hälfte rechnet mit wirtschaftlichen Problemen. Nur jede zehnte Fahrschule gab an, dass sie wahrscheinlich ohne Schwierigkeiten das Geschäft weiterführen wird. Fahrstunden werden teurer: Aufgrund der wirtschaftlichen Situation sieht sich die Reinfelder Fahrlehrerin gezwungen, die Preise für die Fahrstunden anzuheben. „Ich habe schon mit einigen Kunden gesprochen, die hatten Verständnis dafür.“ 45 Euro kosteten die Übungsfahrstunden bei der MC-Fahrschule in Reinfeld vor Corona. Jetzt soll der Preis auf 49 Euro angehoben werden. „Sonderfahrten bleiben beim alten Preis von 49 Euro“, sagt die 43-jährige Chefin. Mit einer Preiserhöhung rechnet auch Dieter Quentin, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e. V. (BVF). „Neben dieser Belastung der Hygienemaßnahmen spielt ein weiterer Punkt eine wichtige Rolle: die Abstandsregeln von 1,50 Meter in Bezug auf die Erteilung des theoretischen Unterrichts. Das bedeutet eine massive Reduzierung der Teilnehmerzahl für den Theorieunterricht. Die Fahrschulen müssen mehr Unterricht anbieten, um die gleiche Anzahl von Schülern zu bedienen. Das ist eine große Mehrbelastung von der Zeit her. Deshalb gehe ich davon aus, dass es Preiserhöhungen geben wird.“ Sorge um Maske und Gesundheitsrisiken: Sorgen macht sich Özlem Dagli auch über das lange Tragen des Mundschutzes: „Wir Fahrlehrer sitzen am Tag elf Übungsstunden im Auto und haben diese Maske auf. Ich mache mir Gedanken, ob das so gut für die Gesundheit ist.“ In den vergangenen Tagen habe sie nach der dritten Stunde mit dem Unterricht aufgehört und die restlichen Fahrstunden abgesagt. „Ich habe gemerkt, dass mir leicht schwindelig war und ich schlecht Luft gekriegt habe. Das wirkt sich natürlich auf die Konzentration aus, und das geht im Straßenverkehr gar nicht.“ Alle Ersparnisse wegen Corona aufgebraucht: Eine Woche vor der Coronakrise hatte Özlem Dagli gerade ein neues Auto und ein neues Motorrad für die Fahrschule bestellt. Leasingraten für Fahrzeuge und Theorieunterricht, Miete für die Fahrschule, zwei Angestellte – Dagli hat einige monatliche Verpflichtungen. Sie hat Soforthilfe beantragt und auch bekommen. „Das ging relativ zügig. Ich bin total dankbar, dass es zumindest das gab. Wir waren auch wirklich darauf angewiesen.“ All ihre Ersparnisse seien jedoch in den vergangenen Wochen komplett draufgegangen – für die private Miete und den Lebensunterhalt. Prüfungen wurden abgesagt: Auch für die Fahrschüler ist es keine leichte Situation. Am 17. März, als die Fahrschulen stillgelegt wurden, sollten bei der MC-Fahrschule zwei Prüfungen stattfinden. Dagli: „Beiden Schülern musste ich absagen. Die Zwei waren völlig fassungslos. Die sind immer noch enttäuscht. Fast neun Wochen sind sie jetzt nicht gefahren. Die kann ich jetzt auch nicht einfach so ans Steuer setzen und direkt zur Prüfung bringen. Die Angst, der Stress – das funktioniert nicht, dann fallen die mir durch.“ Die beiden Schüler müssten jetzt leider noch mal zusätzliche Fahrstunden nehmen, um wieder Sicherheit zu gewinnen. Arian Salehi ist ebenfalls betroffen. „Eigentlich wäre ich mit dem Führerschein schon durch. Ich habe die erforderlichen Fahrstunden, Sonderfahrstunden und die Theorie hinter mir. Dann kam Corona“, berichtet der 18-Jährige. Neuneinhalb Wochen habe er nicht hinterm Steuer gesessen. Jetzt ist er selbst gespannt, wie die erste Fahrstunde nach der langen Pause abläuft. „Ob ich das Fahren verlernt habe? Ich hoffe nicht. Ich möchte doch nächste oder übernächste Woche die Prüfung machen.“ Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Schutzmasken richtig tragen: So geht’s! 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Reinfeld - Fahrstunde nur mit Maske: Corona trifft die Fahrschulen hart