Segeberg und Stormarn wollen Corona-Zahlen der Städte und Ämter nicht veröffentlichen

Die Kreise Segeberg und Stormarn wollen die Corona-Inzidenzwerte der einzelnen Städte und Ämter nicht offenlegen. Da viele Bürger gerne wissen möchten, wie hoch die Zahl der Corona-Infektionen in ihrem näheren Umfeld ist, hatten sich die Stadt Lübeck und der Kreis Herzogtum Lauenburg dazu entschlossen, die Zahlen nach Stadtteilen beziehungsweise nach Städten und Amtsbezirken herauszugeben. Im Herzogtum war die Auflistung auf Initiative der Kreistagsabgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan entstanden. So wurden deutlich erhöhte Zahlen südlich von Mölln öffentlich, die mit dem verstärkten Pendelverkehr nach Hamburg zusammenhängen könnten. Segeberg hält Zahlen für nicht relevant: Im Kreis Segeberg wird es jedoch keine Informationen darüber geben. „Wir nennen weiterhin keine gesonderten Inzidenzen für einzelne Städte, Ämter oder Gemeinden“, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Die Verwaltung befürchtet, dass solche Zahlen die Menschen nur in die Irre führen könnten. „Das Ausbruchsgeschehen im Kreis war und ist nach wie vor diffus. Einzelne Orte stechen beispielsweise nur dann hervor, wenn es einen größeren Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung gibt. Dadurch steigt in der Theorie natürlich die Inzidenz in dem Ort. Da Ereignisse wie diese aber in einem mehr oder weniger geschlossen Rahmen stattfinden, haben sie auf die Bevölkerung zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen“, erklärt Müller. Zudem hätten die Zahlen ohnehin keinen Einfluss auf irgendwelche Maßnahmen. Müller: „Alle müssen sich überall und zu jeder Zeit an die gebotenen Regelungen halten – unabhängig davon, ob es in einer Stadt drei oder 30 akute Fälle gibt. Relevant für Maßnahmen in die eine oder andere Richtung ist nur der Gesamtinzidenzwert des Robert-Koch-Institutes für den Kreis Segeberg.“ Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Testen Sie jetzt kostenlos LN+! Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Wo würde eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit gelten? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Belegung der Krankenhäuser mit Corona: Wie viele Intensivbetten in Schleswig-Holstein sind frei? Wie viele Menschen wurden bisher in SH gegen Corona geimpft? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Kreistag wollte Betroffene schützen: Zudem könnte die Verwaltung die Zahlen auch gar nicht zur Verfügung stellen, weil der Kreistag sich in seiner Sitzung im Dezember bereits zum zweiten Mal in einem Beschluss dagegen ausgesprochen hat. Bis auf die AfD hatten sich alle Fraktionen gegen die Veröffentlichung der Zahlen ausgesprochen. „Ja, viele wollen die Zahlen haben, dabei geht es aber mehr um Neugier. Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie helfen sie nicht weiter“, begründet Torsten Kowitz, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, seine Entscheidung. Allenfalls für Norderstedt könnten die Zahlen noch Sinn machen, überall sonst führe das nur zu Unmut. Die SPD-Fraktion befürchtet sogar Ausgrenzung von Infizierten. „Wir haben schlechte Erfahrungen gemacht, dass Menschen, die infiziert waren, gemobbt wurden. Wir wollten nicht, dass sich so etwas wiederholt, deshalb möchten wir nicht, dass die Corona-Zahlen von Orten veröffentlicht werden. Und selbst bei unseren Ämtern wären Betroffene relativ schnell rauszufiltern“, sagt die Fraktionsvorsitzende Edda Lessing. Stormarner Landrat verweist auf das Sozialministerium: In Trittau hat LN-Leser Siegfried Rohde die Entwicklung im Lauenburgischen sehr interessiert wahrgenommen. „Diese Informationen wünsche ich mir auch für den Kreis Stormarn“, sagt Rohde. Die Bürger hätten ein Recht auf die Veröffentlichung dieser Daten, meint er und will sich mit seinem Anliegen auch an die Kreispolitik wenden. Aus dieser gab es bislang aber keine Bestrebungen in diese Richtung, und die Stormarner Kreisverwaltung will auch nach dem Vorstoß aus dem Nachbarkreis bei ihrer Leitlinie bleiben. „Wir werden die Zahlen weiterhin nicht rausgeben“, bekräftigt Landrat Henning Görtz gegenüber den LN. „Damit halten wir uns an die Maßgabe aus dem Sozialministerium.“ Dieses habe die Handlungsempfehlung ausgesprochen, Corona-Fallzahlen und Inzidenzwerte nur für die Kreise und nicht für Städte, Gemeinden und Ämter zu veröffentlichen. Andere Kreise mit guten Erfahrungen: Einige Kreise machen es jedoch anders, Rendsburg-Eckernförde zum Beispiel. Dort zeigte man sich am Mittwoch überrascht, dass einige Kreise die detaillierten Zahlen nicht nennen. „Wir veröffentlichen die Zahlen schon seit April vergangenen Jahres und haben damit gute Erfahrungen gemacht“, sagt Prof. Dr. Stephan Ott, Leiter des Corona-Lagezentrums im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Sobald die Zahlen signifikant steigen, wird dann auch der Ruf der Bürger nach verschärfenden Maßnahmen laut, so habe man es zumindest in der Stadt Rendsburg beobachtet. Gemeinden mit fünf bis sechs Infektionen in Stormarn: Einige der Stormarner Bürgermeister würden die Inzidenzzahlen laut Landrat Görtz auch gerne veröffentlicht sehen, aber die große Mehrheit folge der Linie des Kreises. Bei größeren lokalen Infektionsgeschehen wie jüngst in Trittau im Pflegeheim Haus Billetal würden natürlich die Bürgermeister informiert. Görtz befürchtet, dass bei Veröffentlichung der Zahlen für Städte und Dörfer „eine gewisse Sorglosigkeit unter den Bürgern um sich greifen würde“. Derzeit gebe es durchaus größere Gemeinden mit nur fünf bis sechs Infektionen. Welche dies sind, verriet der Landrat nicht. Von Markus Carstens und Sven Wehde