Stormarner Betriebe bieten noch viele Ausbildungsplätze an

Die Corona-Pandemie hat offensichtlich auch einen negativen Effekt auf den Ausbildungsmarkt in Stormarn. Nach Informationen der Oldesloer Agentur für Arbeit haben sich bis dato fast 15 Prozent weniger Schulabgänger für eine Lehrstelle im Kreis beworben als im Vorjahr. Ein womöglich wirtschaftlich bedingtes, zögerliches Verhalten der Betriebe ist hingegen nicht festzustellen. Im Gegenteil: Die Unternehmen im Kreis bilden nicht nur unvermindert aus, sie bieten laut Agentur sogar über zwei Prozent mehr Plätze in diesem Jahr an. Dies betrifft in erster Linie das boomende Handwerk, aber auch erfolgreiche gewerbliche Unternehmen. Doch von den 1428 seit Herbst 2019 offenen Lehrstellen sind 805 noch nicht besetzt. Mehr als die Hälfte der regionalen Firmen braucht also noch dringend betrieblichen Nachwuchs. Von ursprünglich 845 als suchend gemeldeten jungen Leuten sind bis dato 392 noch nicht in einem Betrieb untergekommen. Deshalb soll der 1. August nicht mehr als offizieller Starttermin für berufliche Ausbildungen gelten. Die Kammern stellen sich auf eine tolerantere Terminwahl zu späteren Zeiten ein. Kältetechnik als krisensichere Branche: Ausschau nach motivierten Azubis hält auch Unternehmer Bernd Hauschild. Sein Handwerksbetrieb für Kältetechnik in Reinfeld mit 28 Angestellten läuft trotz Corona-Krise wie geschmiert, eine krisensichere Branche, wie er erklärt. „Wir bieten einen sehr innovativen Job an, der vielfältig ist. Nahezu überall kommt Kältetechnik zum Einsatz: in der Lebensmittelindustrie, Krankenhäusern, Supermärkten, Büros, um nur einige Beispiele zu nennen“, sagt der Unternehmer. Immerhin ist es ihm gelungen, in diesem Jahr zumindest eine von drei angebotenen Lehrstellen zu besetzen. Für Integration Geflüchteter gibt es Zuschüsse: Samiullah Karimi wird am 3. August offiziell mit seiner Ausbildung zum Mechatroniker beginnen. „Ich bin glücklich, einen Job zu haben und ein sicheres Leben“, sagt er im Gespräch mit den LN. Der 20-Jährige stammt aus Afghanistan, wo kriegerische Auseinandersetzungen und Gewalt immer noch an der Tagesordnung sind. Über den Iran, wo er fast wie ein Leibeigener schwerste körperliche Arbeit auf Baustellen leistete, ist er in Etappen nach Deutschland gelangt, lernte die Sprache und holte 2019 seinen Hauptschulabschluss nach. Die Lehrstelle in Reinfeld vermittelte ihm das Jobcenter in Bad Oldesloe. Unternehmer Hauschild erhält für die Beschäftigung eine finanzielle Unterstützung aus dem Fonds zur beruflichen Integration Geflüchteter. Einen Glücksgriff tat Hauschild auch mit Philipp Thalinger, der seine Lehre bereits vor zwei Jahren begann. „Ich wollte eigentlich Elektriker werden. Aber da war diese Gehaltslücke. So bin ich zur Kältetechnik gekommen, eine sehr abwechslungsreiche Tätigkeit, bei der täglich andere Aufgaben anliegen“, erzählt der Azubi, der sich selbst als „eher praxisbezogen“ beschreibt. „Es gibt viele, die nur im Büro arbeiten wollen. Das wäre nichts für mich“, sagt er. Schulabgänger, die noch Hilfe brauchen bei der Berufswahl oder der Formulierung ansprechender Bewerbungen, haben noch ausreichend Möglichkeiten, sich zu informieren. Die Handwerkskammer Lübeck bietet ihnen beziehungsweise ihren Eltern kostenlose Online-Beratungen an. Der erste Termin „Erfolgreiche Bewerbung“ ist am Mittwoch, 1. Juli, ab 16 Uhr. Um die Berufsorientierung geht es am 9. Juli ab 18 Uhr mit anschließender Telefonsprechstunde mit Beratern der Kammer. Eine offene Online-Sprechstunde für Jugendliche gibt es zudem am 16. Juli, und zwar von 15 bis 18 Uhr. Sind noch Fragen übrig geblieben, kann das letzte Online-Seminar am 23. Juli helfen, bei dem es um Bewerbungsschreiben und -gespräche geht. Anmeldungen bei der Handwerkskammer unter www.hwk-luebeck.de Offene Ausbildungsstellen sind auf den Plattformen der Kammern und Verbände zu finden. Die Industrie- und Handelskammer bietet eine Liste unter ihk-lehrstellenboerse an, die Handwerkskammer unter www.hwk-luebeck-service-center/lehrstellenboerse. Laut Arbeitsagentur werden Azubis in folgende Bereichen gesucht: 60 Kaufleute im Einzelhandel, 40 Fachkraft (Lager), 34 Verkäufer, 33 Bankkaufleute, 29 Elektroniker, 26 Kaufleute Groß- und Außenhandel, 26 Kfz-Mechatroniker, 22 Fachlageristen, 22 Kaufleute (Büromanagement) sowie in 488 weiteren Berufen. Termine für die telefonische Beratung in der Oldesloer Agentur für Arbeit können vereinbart werden unter Telefon 04531/167 154 oder badoldesloe.berufsberatung@arbeitsagentur.de. Spannende Jobs leider noch wenig bekannt: „Eingerahmt“ von großen Unternehmen wie Minimax, Aspen und August Ernst firmiert auch die Leonhard Fischer & Co GmbH in der Oldesloer Industriestraße. Der 80 Mitarbeiter zählende Betrieb, der zur weltweit agierenden Linda-Gruppe gehört, produziert Maschinen und Werkzeuge in Sonderanfertigung für die Industrie. „Sprühköpfe an Dosen und anderen Behältern etwa von Deos oder sonstigen Körperpflegemitteln kommen aus unserem Haus“, berichtet Geschäftsführer Torben Gerds. Ihm zufolge stellte das Unternehmen im Vorjahr fünf Azubis ein, bildet aber auch nach wie vor in vollem Umfang aus. „Wir bieten etliche Ausbildungsberufe an, vom Industriemechaniker über Elektroniker bis hin zum Mechatroniker und technischen Produktdesigner“, sagt Gerds. Zu seinem Bedauern gab es in diesem Jahr so wenige Bewerber, dass nur eine von drei Lehrstellen bis dato besetzt werden konnte. Hako steht bei jungen Leuten hoch im Kurs: Doch es gibt auch andere Beispiele. Das auf Reinigungs- und Kommunaltechnik spezialisierte Unternehmen Hako steht bei jungen Leuten offenbar hoch im Kurs. „Die Anzahl unserer Bewerber ist relativ stabil. Wir leben davon, dass wir im Kreis sehr bekannt sind. Seit nunmehr acht Jahren engagieren wir uns schon bei Ausbildungsmessen wie den Nachtschwärmern oder dem BiZ (Berufs- und Informationszentrum). Oft melden sich junge Leute, die sagen: ’Ich will bei Hako arbeiten, egal in welchem Beruf.’ Wir haben das Glück, ein Traditionsunternehmen zu sein, das großes Ansehen genießt“, sagt der technische Ausbilder Frank Thielebein. 13 Plätze hatte die Firma in diesem Jahr zu vergeben, davon neun im gewerblichen und vier kaufmännischen Bereich. Unbesetzt blieb lediglich die Stelle für einen Fertigungsmechaniker in spe. Shutdown an Schulen behinderte Berufsorientierung: Messen, zwanglose Begegnungen mit Unternehmen und freilich auch die Orientierungswochen an Schulen spielen laut Marcus Krause, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, eine große Rolle bei der Berufsfindung. Dass es in diesem Jahr hakt, habe mit dem Shutdown zu tun. „Es gab keine Berufsberatung, keine Präsenzveranstaltungen und nach der Wiedereröffnung der Schulen diente die Zeit nur zur Ablegung der Prüfungen“, erklärt er. Noch sind die Messen aber nicht gesungen. Ulrich Hoffmeister, Bereichsleiter für Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK) macht Mut: „Wir lassen niemanden im Regen stehen. Der 1. August hat sich als Termin für Vertragsabschlüsse eingebürgert. Aber Ausbildungen können das ganze Jahr über begonnen werden.“ Wenn dies erst im September, Oktober oder später klappe, sei das keine Hürde. Agenturchefin macht den Schulabgängern Mut: „Bleibt am Ball und lasst Euch nicht entmutigen“, appelliert auch die Chefin der Arbeitsagentur, Kathleen Wieczorek, an die diesjährigen Schulabgänger, sich doch noch für eine Ausbildung im Herbst zu bewerben. Noch sei es nicht zu spät. Die Sommerferien könnten genutzt werden für betriebliche Praktika, die ja wegen der Corona-Einschränkungen in diesem Jahr nicht möglich gewesen seien. Die Berufsberater der Arbeitsagentur stünden mit Rat und Tat zur Seite, auf dass ein passender Ausbildungsplatz sicherlich gefunden werde. Von Dorothea von Dahlen