Stormarns Corona-Chronik: Der dramatische Weg in den Teil-Lockdown

Während sich die Corona-Krise über den Sommer etwas zu beruhigen schien, steigen die Zahlen in den vergangenen Wochen auch im Kreis Stormarn mit rasanter Geschwindigkeit an. Seit Montag gilt der Teil-Lockdown, der die Entwicklung abbremsen soll. Die Chronik einer dramatischen Entwicklung: 17. September: Es war die berüchtigte Ruhe vor dem Sturm: Seit Anfang September kamen pro Tag jeweils nur zwei bis vier Corona-Neuinfektionen im Kreis Stormarn dazu. An diesem Donnerstag wiederum gibt es den ersten kleinen „Ausreißer“ nach oben mit sieben Neuinfektionen an einem Tag. Die Gesamtzahl der klinisch bestätigten Covid-19-Fälle in Stormarn liegt nunmehr bei 579,davon sind 62 aktuell noch krank, 517 Personen wieder genesen. 27 Stormarner sind zu diesem Zeitpunkt in Quarantäne, niemand in stationärer Behandlung. Erste Sorgen und viel Arbeit machen dem Kreis die Reiserückkehrer. 250 Reiserückkehrer hatten sich nicht bei der Kreisverwaltung gemeldet. Diese zu ermitteln und vor allem deren Quarantäne zu überprüfen, stellt die Mitarbeiter der Behörde vor große Herausforderungen, so Landrat Henning Görtz. Es werden erste Bußgelder verhängt. 22. September: Es ist ein Hin und Her an der Theodor-Mommsen-Schule (TMS): Nachdem ein Schüler positiv auf Covid-19 getestet worden war, hatte Schulleiter Henning Bergmann vorsorglich den gesamten zwölften Jahrgang nach Hause geschickt. Dann gab es vom Gesundheitsamt zunächst Entwarnung: Da der Infizierte bereits die ganze Woche nicht am Unterricht teilgenommen hatte, wurden Ansteckungen in der Schule nahezu ausgeschlossen, die 102 Abiturienten durften wieder in die Schule. Zwei neue Fälle in der gleichen Kohorte über das Wochenende aber machten den Besuch des Gymnasiums erneut unmöglich. Ein weiteres Problem ist der Kreis inzwischen angegangen: Vor und nach der Schule stehen viele der Mädchen und Jungen dicht gedrängt und bunt durcheinander gemischt in den Schulbussen. Da wollten die Stormarner Politiker nicht länger zusehen. Der Kreis-Verkehrsausschuss hat deshalb beschlossen, d ie meistfrequentierten Schulbusstrecken durch zusätzliche Busse zu entlasten. Beginn soll nach den Herbstferien sein. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn 1. Oktober: Der „Ausreißer“ von Mitte September ist zur Regel geworden, täglich kommen sieben bis acht neue Corona-Fälle hinzu. Mit insgesamt 659 Infizierten seit Beginn der Pandemie liegt der Kreis landesweit an zweiter Stelle hinter dem Kreis Pinneberg mit fast 900 Fällen. Mit den steigenden Zahlen kommt es auch wieder zu einem erhöhten Arbeitsaufkommen im Gesundheitsamt, besonders bei der Verfolgung der Kontakte. Denn die neu Infizierten lassen sich laut Kreissprecher Gregor Tuscher nicht auf einen Ort und auch nicht auf einen bestimmten Bereich eingrenzen. Reiserückkehrer seien ebenso dabei wie Personen, die sich auf einer Feier angesteckt haben. 2. Oktober: Die Corona-Krise hat mittlerweile mehrere Stormarner Schulen erreicht. Anfang Oktober sind in Stormarn fünf Schulen betroffen und dort die älteren Jahrgänge. Zuletzt kommt ein Fall an der Ida-Ehre-Schule in Bad Oldesloe hinzu, eine Kohorte muss in Quarantäne. An der Beruflichen Schule in Bad Oldesloe wurden bislang sieben Fälle gezählt. Auch an der Theodor-Mommsen-Schule (Bad Oldesloe), der Immanuel-Kant-Schule in Reinfeld sowie der Anne-Frank-Schule in Bargteheide gab es Fälle, es kommt jedoch zu keinem größeren Ausbruch. Die bevorstehenden Herbstferien werden zur willkommenen Pause, danach gilt auch in Stormarn ab der fünften Klasse die Maskenpflicht im Unterricht. Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die Corona-Regeln ab November Das sind die Regeln zur Maskenpflicht in Lübeck So unterschiedlich sind die Corona-Regeln in den Nord-Bundesländern In diesen Texten informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Beherbergungsverbot: Das sind die Regeln in den anderen Bundesländern Diese weiteren Corona-Regeln haben die anderen Bundesländer erlassen Telefonische Krankschreibung ist wieder möglich Fragen und Antworten: Wo gilt die Maskenpflicht? Welche Ausnahmen gibt es? Für Aufregung hatte der Fall eines Schülers gesorgt, der sich nach einem eigenen negativen Test selbst aus der häuslichen Isolation entlassen hatte. „Das geht natürlich nicht“, sagt Kreissprecher Gregor Tuscher. Solche Fälle würden verfolgt und mit einem Bußgeld geahndet. Landrat Henning Görtz macht sich derweil Gedanken. „Die Bürger sind sorglos geworden“, sagt er und appelliert an alle, sich an die Regeln zu halten. 7. Oktober: Neun Mitarbeiter sind beim Infektionsschutz des Kreises mit der Suche nach Kontaktpersonen von Corona-Patienten und dem Verfolgen der Infektionsketten beschäftigt. Doch die kommen langsam an ihre Grenzen. Christiane Clobes, Fachdienstleiterin Gesundheit im Kreis Stormarn, stellt daher einen Antrag auf personelle Unterstützung bei der Bundeswehr. Sie hofft, dass sich die Lage ein wenig entspannt, wenn erst die fünf Helfer, es handelt sich um zivile Kräfte der Bundeswehr, mit einspringen. 19. Oktober: Es ist ein Montag und allein über das Wochenende sind 26 Neuinfektionen hinzugekommen. Innerhalb der vergangenen sieben Tage zählte der Kreis 69 Neuinfektionen, das entspricht einem Inzidenzwert von 28,3 Infektionen pro 100 000 Einwohnern. Die erste Schwelle für einen kritischen Wert liegt bei 35 und kommt immer näher. Aufgrund der Summe der Neuinfektionen hat Landrat Henning Görtz die Arbeit eines extra eingerichteten Verwaltungsstabes der Kreisverwaltung wieder aufnehmen lassen, um das Infektionsgeschehen zu bewerten und Maßnahmen zu beraten. An diesem Montag tagt der Stab erstmals wieder seit dem Frühjahr. Große Mühe bereitet dem Gesundheitsamt die Kontaktverfolgung. Die infizierten Personen haben einfach zu viele Kontakte. Positiv auf Corona getestet worden, aber nicht ansteckend? Was der Ct-Wert über die Infektiosität verrät Drosten: PCR-Corona-Tests sind „zweifelsfrei“ Was kostet ein Corona-Test und wo kann ich mich testen lassen? Was unterscheidet den Corona-Schnelltest vom PCR-Nachweis? Wie entscheidend sind „falsch positive“ Testergebnisse? 21. Oktober: Die Entwicklung nimmt dramatisch an Fahrt zu: An diesem Tag vermeldet das Gesundheitsamt Stormarn einen neuen Höchststand an Neuinfektionen. Danach gibt es im Vergleich zum Vortag 32 zusätzliche bestätigte Covid-19-Fälle. Mit nun 93 Neuinfektionen in ganz Stormarn innerhalb der vergangenen sieben Tage ist der Inzidenzwert auf 38,1 Infektionen pro 100 000 Einwohner geklettert. Er liegt damit über der kritischen Marke von 35. Ab sofort gelten neue Auflagen, unter anderem eine Maskenpflicht in der Oldesloer Fußgängerzone zu den Wochenmarkt-Tagen mittwochs und sonnabends von 6 bis 18 Uhr sowie ständig an der Bushaltestelle Zob/Hagenstraße, auf dem Skateland-Gelände, dem Streetworkout-Bereich am Exer sowie dem Dirtpark. Bei privaten Feiern zu Hause liegt die Höchstgrenze bei 15 Personen. Der Landrat appelliert erneut eindringlich an die Stormarner Bürger: „Sie alle können durch Ihr umsichtiges und verantwortungsvolles Handeln dazu beitragen, dass diese Grenzwerte wieder unterschritten werden.“ 27. Oktober: Die Appelle des Landrats konnten die Entwicklung nicht aufhalten, anstatt die Schwelle wieder zu unterschreiten, wird der nächste Grenzwert überschritten, der Inzidenzwert liegt in Stormarn jetzt erstmals über 50. Damit gilt die Maskenpflicht jetzt auch in Grundschulen. Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum mit mehr als zehn Personen sind untersagt. Die bereits verfügte Sperrstunde zwischen 23 und 6 Uhr wird erweitert um ein Verkaufsverbot von alkoholhaltigen Getränken in allen Verkaufsstellen, insbesondere Tankstellen und Supermärkten. 2. November: Wie in ganz Schleswig-Holstein ist mit dem Teil-Lockdown in Stormarn eine überarbeitete Landesverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Kraft getreten. Dazu zählen unter anderem Kontaktbeschränkungen und die Schließung von gastronomischen Betrieben – und eine Ausweitung der Maskenpflicht. „In Fußgängerzonen, Haupteinkaufsbereichen und anderen innerörtlichen Bereichen, Straßen und Plätzen mit vergleichbarem Publikumsverkehr ... müssen Fußgänger eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen“, heißt es in der neuen Allgemeinverfügung des Kreises Stormarn. Landrat Henning Görtz räumt ein: „Im Monat November gelten für uns alle zahlreiche Einschränkungen, die unser tägliches Leben in vielen Bereichen erneut beeinflussen werden. Die zweite Corona-Welle hat so stark zugeschlagen, dass diese Maßnahmen erforderlich wurden. Die Infektionszahlen steigen weiterhin ungebremst.“ Es ist eine schlechte und eine gute Nachricht zugleich: Die Corona-Schnelltests, die in den Seniorenwohnheimen in Großhansdorf eingesetzt wurden, haben sich als unzuverlässig erwiesen. Das Positive daran: Nur 14 Corona-Fälle sind jetzt bestätigt statt zuvor 36. 3. November: Es ist der traurige Höhepunkt einer rasanten Ausbreitung der Pandemie: Innerhalb eines Tages sind im Kreis Stormarn 23 neue Corona-Infektionen nachgewiesen worden. Und es hat auch wieder Stormarner gegeben, die die Krankheit nicht überstanden haben. „Leider müssen wir mitteilen, dass zwei weitere infizierte Personen verstorben sind. Es handelt sich um einen Mann der Altersgruppe über 70 Jahre sowie einen Mann der Altersgruppe über 80 Jahre“, sagt Kreissprecher Michael Drenckhahn. 39 Personen seien jetzt insgesamt verstorben. Die Gesamtzahl der klinisch bestätigten Covid-19-Fälle in Stormarn beträgt jetzt 1099. Davon seien 784 Personen wieder genesen, 271 aktuell in Quarantäne und fünf in stationärer Behandlung. Die kritischen Schwellenwerte sind im Kreis deutlich überschritten. Drenckhahn: „Es wurden innerhalb der letzten sieben Tage 155 Neuinfektionen bestätigt. Das entspricht einem Inzidenzwert von 63,4 Infektionen pro 100 000 Einwohner.“ Lesen Sie auch Großhansdorfer Verein will ein essbares Museum pflanzen Corona in Pflegeheimen in Stormarn: So werden die Alten gschützt Zwei weitere Corona-Tote im Kreis Stormarn Von Sven Wehde