Stormarns letzte Süßmosterei in Nienwohld schließt

Die Stecker der Abfüllanlage sind bereits gezogen, die großen Edelstahltanks gereinigt und stehen zum Verkauf bereit: Am Montag, 31. August, ist Schluss. Mit der Süßmosterei Paul Schmidt schließt die letzte stationäre Fruchtsaftmosterei im Kreis Stormarn, in der Martin Schmidt Rhabarber, Johannisbeeren, Sauerkirschen, Pflaumen, Zwetschen, Äpfel, Birnen und Quitten aus heimischen Gärten zu Saft, Nektar, Gelee und Marmeladen verarbeitet hat. „Ein bisschen Wehmut ist da - je näher der Tag kommt. Viele Kunden haben sich bereits gemeldet, manche haben zum Abschied sogar Schokolade vorbei gebracht. Sie werden mir fehlen“, sagt Martin Schmidt (65), der die Süßmosterei seiner Familie bereits in dritter Generation führt. Ausschlaggebend für das „Aus“ waren seine Gesundheit und keine Aussicht auf Besserung. 2013 gab ihm ein Schlaganfall den ersten Schuss vor den Bug. Kaum hatte er sich davon erholt, zog ihm zwei Jahre später ein Arbeitsunfall im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weg. Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen: „Ich habe einen Tank gereinigt, bin mehrmals die Leiter rauf und runter gestiegen und irgendwann lag ich da“, denkt Martin Schmidt zurück. Mehrere Brüche hatte er sich zugezogen und lag wochenlang im Krankenhaus. Es folgten mehrere Operationen, die jedoch alle nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Auch fünf Jahre nach dem Sturz kann er sich nur mit einem Gehstock fortbewegen. Seine drei Kinder haben zwar oft und gerne in der Mosterei geholfen, übernehmen wollten sie den Familienbetrieb aber nicht. „Das kann ich auch verstehen. So ein Betrieb erfordert viel Zeit. Über eine 37,5-Stunden-Woche kann ich nur lachen. Die war bei mir mittwochs schon rum“, denkt Martin Schmidt zurück, der sich in seiner Freizeit auch noch als Gemeindevertreter von Nienwohld engagiert. „Ich mache das bereits seit 20 Jahren. Vieles in der Gemeinde trägt meine Handschrift. Das freut mich. Viele denken, weil meine Frau Französin ist, wir würden wegziehen. Aber das tun wir nicht. Wir bleiben hier“, stellt Martin Schmidt klar. Trotz der Schließung der Süßmosterei Paul Schmidt müssen die Stormarner nicht auf ihren Äpfeln sitzen bleiben. Auf der Internetseite des Naturschutzbundes ist unter www.nabu.de ein bundesweites Verzeichnis von stationären Mostereien zu finden. Darüber hinaus enthält das Verzeichnis Adressen mobiler Mostereien, von denen „ Richies mobile Mosterei “ aus Mölln vom 7. September bis 7. November auch im Kreis Stormarn unterwegs ist. Ihre Stationen sind mittwochs von jeweils 10 bis 17 Uhr bei Famila in Trittau und donnerstags am Obi-Markt in Bad Oldesloe. Die Süßmosterei Paul Schmidt hat zwar ihre Produktion eingestellt und schließt am 31. August ihren Verkaufsladen, so lange noch Säfte, Weine und Marmeladen vorhanden sind, können diese nach telefonischer Absprache unter 04537/250 auch danach noch erworben werden. Zusätzliche Infos gibt es auf der Homepage www.suessmost-schmidt.de. Eltern und Großeltern gehörten Guttemplern an: Gegründet wurde der Familienbetrieb in den 30-er Jahren von seinem Großvater Fritz Aurig auf Gut Pfeilshof in Hamburg. Er gehörte dem Guttempler-Orden an, der mit Selbsthilfegruppen gegen jede Art von Drogen kämpft. Die Saftproduktion dagegen wurde damals von dem Orden gefördert. „Als junger Kerl war mein Vater Paul Schmidt auf der Suche nach einer Lehrstelle. Die fand er zwar nicht, dafür aber die Liebe seines Lebens, meine Mutter Inge“, erzählt Martin Schmidt. Sein Vater Paul stieg in die Süßmosterei des Schwiegervaters ein, für zwei Familien aber reichte der Ertrag nicht. „Damals gab es noch 20 bis 30 kleine Mostereien in der Umgebung. Mein Vater übernahm dann eine in Lokstedt. Als 1968 die alte Meierei von Nienwohld stillgelegt wurde, hat er sie gekauft und seinen Betrieb in den Kreis Stormarn verlegt“, erinnert sich Martin Schmidt. Auch seine Eltern gehörten dem Guttempler-Orden an und tranken keinen Alkohol. „Das war für die Bauern hier zwar komisch, aber sie haben gesehen, dass er was kann und haben ihn entsprechend gut aufgenommen.“ Ausbildung zum Süßmoster in Hessen: Seine Eltern wohnten zwar weiterhin in Hamburg, aber schon als Kind half Martin Schmidt in der Süßmosterei seines Vaters aus. Mit 16 Jahren begann er schließlich eine Ausbildung zum Süßmoster. „Schleswig-Holstein ist ein Getreideland. Hier gibt es Bier, Schnaps, Korn und Muckefuck, aber keine Fruchtsaftbetriebe. Um Süßmoster zu werden musste ich nach Südhessen“, erzählt Martin Schmidt. Dort erfuhr er neben der Obstbaumkunde nicht nur das „A & O“ der Fruchtsaftherstellung, sondern auch das Kochen von Gelee und Marmeladen hat er dort von der Pike auf gelernt. Für zehn Kilogramm Äpfel aus dem eigenen Garten erhielten seine Kunden zuletzt neun Flaschen Apfelsaft. Die angelieferten Mengen jedoch haben abgenommen, wofür Martin Schmidt nicht nur schlechtere Apfelernten verantwortlich macht. „Obstbäume müssen gedüngt und gepflegt werden. Der Winter-, aber auch der Sommerschnitt sind wichtig. Ein Pilz ist nach Norden gezogen, deshalb kommt auch der ökologische Obstanbau an der chemischen Schädlingsbekämpfung nicht vorbei. Das will natürlich im eigenen Garten niemand“, weiß Schmidt, der im Laufe der Jahre auch auf Anregungen seiner Kunden reagiert und Säfte aus tropischen Früchten mit in sein Sortiment aufgenommen hat. Banopaya, Viridia und Makunada: exklusive Saftkreationen: Seine Eigenkreationen, zu denen auch die Cocktails Banopaya, eine Mischung aus Bananen, Orangen und Papaya, und Viridia, ein alkoholfreier Bittercocktail gehören, kamen an bei seinen Kunden, für die er auch exklusive Wünsche erfüllte. „Ein Musiker aus Altona kam mit einer Kühltasche voller Ingwerpüree und einem Rezept seiner afrikanischen Großmutter vorbei. Mit Zitronensaft und Minze wurde daraus ,Makunada’. Das ist immer noch im Programm“, erzählt Martin Schmidt, bei dem auch ausgewählte Weine zu haben sind. Seinen Eltern und Großeltern dürfte das gar nicht gefallen. Martin Schmidt mit einem Augenzwinkern: „Ich war schon immer das schwarze Schaf der Familie.“ Von Petra Dreu