Totes Baby in Glinde: Ermittler entnehmen DNA-Proben

Fast ein Jahr nach dem Fund einer Babyleiche in Glinde haben die Ermittler der Lübecker Mordkommission am Freitag mit gerichtlicher Anordnung zu einer DNA-Reihenuntersuchung aufgerufen, um die Mutter des Jungen zu ermitteln. Insgesamt 530 Frauen im Alter von 13 bis 48 Jahre in einem größeren Radius um das Fundgebiet sind angeschrieben worden, um sich mit einer freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe an der DNA-Reihenuntersuchung zu beteiligen. Dafür steht ein Team auch am Sonnabend noch im Glinder Schulzentrum bereit, das die Proben entnimmt. Bis die DNA ausgewertet ist, wird es drei bis vier Wochen dauern. Blaues Handtuch stammt von Sconto: Schüler hatten im März 2019 bei einer Müllsammelaktion im Gellhornpark nahe des Schulzentrums in Glinde die Leiche eines Säuglings gefunden. Der Leichnam des Kindes war in ein blaues Handtuch gewickelt und teilweise im Erdreich verscharrt in einem Wald gefunden worden. Bei dem Jungen, dem die Polizei den Namen Leander gegeben hat, handelte es sich um eine Frühgeburt im siebten Schwangerschaftsmonat. Ob das Kind eines natürlichen Todes gestorben ist oder ob es sich um ein Tötungsdelikt handelt, wird nicht bekannt gegeben, um die Ermittlungen nicht zu behindern. „Wir haben ermitteln können, dass das blaue Handtuch in einem Geschäft der Kette ,Sconto’ verkauft wurde“, sagt Polizeihauptkommissar Stefan Muhtz von der Polizeidirektion Lübeck – eine Niederlassung gibt es in Oststeinbek, das 3,5 Kilometer von Glinde entfernt ist. Nachdem weder eine Plakataktion noch die Befragung von Ärzten oder Hinweise aus der Bevölkerung zur Ermittlung der Mutter geführt haben, hat sich die Polizei nun zu einem DNA-Test entschlossen. „Wir gehen davon aus, dass eine Spur dabei ist“, erklärt Polizeihauptkommissar Ulli Fritz Gerlach. „Entweder können wir über den Test die Mutter des Kindes ermitteln oder wir können sie ausschließen.“ Von dem Test erhoffe man sich auch mögliche Verwandtschaftshinweise, was ein vielversprechender Ansatz für weitere Ermittlungen wäre. Auch sehe man, wer von den Angeschriebenen nicht zum Test gekommen sei, was natürlich auch ganz banale Gründe haben könne. Strenge Einhaltung des Datenschutzes: „Viele haben sich schon im Vorfeld abgemeldet, weil sie verhindert sind, deshalb wird es noch einen Ersatztermin geben“, kündigt Muhtz an. Auch bestehe die Möglichkeit, sich per Attest vom Arzt bescheinigen zu lassen, dass zur fraglichen Zeit keine Schwangerschaft vorgelegen habe, oder eine Probe direkt bei einer Polizeidienststelle machen zu lassen. Frauen, die zum Zeitpunkt des Auffindens der Leiche schwanger waren, kommen ebenfalls nicht als Mutter in Frage. Die Polizei konzentriert sich auf Glinde, weil laut Muhtz vergleichbare Fälle bundesweit zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit groß sei, dass das Kind in der Nähe des Wohnorts abgelegt wurde. „Die DNA-Abnahme erfolgt streng nach den Bestimmungen des Datenschutzes“, betont Muhtz. Die Proben, die mittels Wangenabstrich erhoben werden, würden unter einem Strichcode beim Labor des Landeskriminalamtes in Kiel eingereicht. Alle negativen Proben würden anschließend vernichtet und sämtliche Daten gelöscht. „Eingeladen sind Frauen aus 37 Nationen mit 31 Amtssprachen“, ergänzt Gerlach. Dafür stünden vier Dolmetscher zur Verfügung, und ein Team aus 15 Polizeibeamten ist an beiden Tagen vor Ort, um die DNA-Entnahme vorzunehmen. „Bei den Ermittlungen sind wir von einer Einheit der Operativen Fall Analyse (OFA) Schleswig-Holstein beraten worden, die auch beim Erstellen der Fahndungsplakate geholfen hat“, sagt Muhtz. Dahinter verbergen sich Profiler, die durch psychologische und sozialwissenschaftliche Analyse ein mögliches Täterprofil erstellen. Nachdem die Ermittlungen nach einem Jahr noch zu keinem Ergebnis geführt haben, habe man sich zu dem DNA-Test entschlossen. „Der Test erfolgt freiwillig, ist aber trotzdem ein Eingriff in die Privatsphäre“, erläutert der Polizeisprecher. „Deshalb bedarf es einer gerichtlichen Anordnung, um den Test durchführen zu dürfen.“ Dabei wird genau auf die Wahrung der Anonymität geachtet. Das Schulgelände, das wegen beweglicher Ferientage leer steht, wurde abgeschirmt, und sämtliche Presseaufnahmen und Begehungen erfolgten vor Beginn der Proben-Abnahme mit gestellten Bildern, auf denen keine Privatpersonen zu sehen sind. In Bad Schwartau gab es 2014 einen ähnlichen Fall, da war die Mutter noch vor einem DNA-Test von der Polizei ermittelt worden. Auch am Sonnabend können benachrichtigte Frauen noch von 10 bis 18 Uhr eine DNA-Probe im Schulzentrum Glinde abgeben. Das Kind Leander ist mit Hilfe von Spenden bestattet worden. „Die Polizisten geben in einem solchen Fall dem Kind einen Namen“, erklärt Muhtz. Zum einen werde dann nicht immer nur „das Baby“ gesagt, zum anderen sei es für die beteiligten Ermittler eine psychologische Hilfe, einen Namen zu kennen. 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