Urteil: Müssen Kommunen Teiche und Badestellen umzäunen?

Ein tragischer Fall im hessischen Neukirchen sorgt für Aufsehen: Dort ertranken drei Kinder in einem nicht eingezäunten Teich. Der Bürgermeister der Kleinstadt wurde persönlich dafür in die Verantwortung genommen. Er wurde vom Gericht wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen schuldig gesprochen. Das Amtsgericht kam zu dem Schluss, dass der Bürgermeister, der gegen das Urteil vorgehen will, den Teich hätte absichern müssen. Gefährliche Dorfteiche: „Technische Anlagen wie Löschteiche und Klärteiche müssen schon immer eingezäunt sein. Was wir jetzt als Thema haben, ist die Einzäunung der offenen Gewässer, sofern eine besondere Gefährdung vorliegt“, erläutert Nordstormarns Amtsdirektor Stefan Wulf. Die Bedeutung dieser Verkehrssicherungspflicht sei allen Gemeinden durch das Urteil ins Bewusstsein geführt geworden. „Wir haben eine Schulung für alle Gemeindevertreter angeboten, in der wir die Problematik genau aufgezeigt haben. “ Gefährdet seien vor allem Dorfteiche mit steilen und rutschigen Uferbereichen, wo man ohne fremde Hilfe nicht wieder herauskomme. „Auch wenn Spielplätze direkt nebenan sind, ist es ratsam, einen Zaun zu setzen.“ Dorfteich in Heidekamp wird nicht eingezäunt: „Die Diskussion, ob unser Dorfteich eingezäunt werden soll oder nicht, haben wir schon seit Jahrzehnten in Heidekamp. Immer mal wieder ist es auch in Schleswig-Holstein vorgekommen, dass ein Kind ertrunken ist und der Bürgermeister haften musste“, berichtet Heidekamps Bürgermeister Dr. Horst Mosler. Bisher seien die Heidekamper Gemeindevertreter der Meinung gewesen, dass es nicht nötig sei, das Gewässer einzuzäunen. „Dann müssten wir auch bei der Heilsau, die in unmittelbarer Nähe ist, die Kanten alle einzäunen. Das passt einfach nicht zusammen.“ Früher war der Heidekamper Dorfteich Löschteich, doch die Funktion hat er aufgrund seines geringen Wasserstandes verloren. „Unser Dorfteich ist recht verschlammt und nur etwa 60 Zentimeter tief. Es liegt also keine Notwendigkeit für eine Einzäunung vor.“ Westerau: Schöner Blick bald Vergangenheit: Westeraus Bürgermeisterin Petra Jürß sieht sich unter Druck. „Wir haben um unseren Dorfteich, der auch Feuerlöschteich ist, einen einfachen Holzzaun, der muss erneuert werden. So sind heute die Bestimmungen.“ Die Gemeinde müsse deshalb in einen 300 Meter langen, hohen Metallzaun investieren. Kostenpunkt: 16 000 Euro. Was Jürß bedauert: „Dass sich mit dem Zaun der schöne Blick auf den Dorfteich verändert.“ „Die Kanäle in Lübeck werden auch nicht eingezäunt“: Dass Bürgermeister wie im hessischen Neukirchen in die Pflicht genommen werden, findet Westeraus Bürgermeisterin nicht gerechtfertigt. Die Kanäle in Lübeck würden ja auch nicht eingezäunt. „Dort liegt die Verantwortung bei dem Bürger. Aber hier in den kleinen Ortschaften wird den Ehrenamtlichen die Verantwortung zugeschoben, Bürgermeister müssen mit einer Strafe rechnen. Ich weiß ich nicht, wo man in Zukunft noch Menschen findet, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Außerdem geht einem Ort sehr viel Charme verloren, wenn wir alles einzäunen und verbarrikadieren müssen.“ Gerade wenn der Dorfteich wie in Westerau in der Ortsmitte liege. „Ich bin anders aufgewachsen. Früher waren die Dorfteiche auch nicht eingezäunt. Wir mussten als Kinder lernen, damit umzugehen.“ Muss Gemeinde allgemeines Lebensrisiko absichern? Dass dem hessischen Bürgermeister der Prozess gemacht wurde, findet auch der Heilshooper Bürgermeister Jan Steen hanebüchen. „Es kann nicht Angelegenheit der Gemeinde sein, allgemeines Lebensrisiko abzusichern.“ Was die Naturbadestelle beim Moorteich anbelangt, sieht Heilshoop keine Veranlassung, den Teich einzuzäunen. „Der Moorteich hat auf allen Seiten seichtes Ufer“, sagt der Gemeindechef. „Eine atypische Gefahr ist steil abfallender Grund, und das haben wir dort nicht.“ „Das Baden im Moorteich erfolgt auf eigene Gefahr“, teilt Bürgermeister Jan Steen mit. Die Gemeinde hat jetzt mit einem vom Landtag neu verabschiedeten Badesicherheitsgesetz Rechtssicherheit über die Beaufsichtigungspflicht erhalten. In dem Gesetz wird klargestellt: „Soweit Badestellen nicht eingerichtet oder betrieben sind oder auf andere Weise für ein natürliches Gewässer der Badeverkehr eröffnet wurde, erfolgt die Benutzung, insbesondere zum Schwimmen und Baden, auf eigene Gefahr.“ Eine Badeaufsichtspflicht besteht insbesondere dann, wenn ein Entgelt für die Nutzung der Badestelle erhoben wird oder wenn besondere Gefahren von der Badestelle ausgehen. 1,60 Meter hoher Schutz für Heilshooper Klärteiche: Bei den Heilshooper Klärteichen hingegen will Steen nachbessern. „Dort haben wir einen 70 Meter langen Stacheldrahtzaun. Kinder können sich hindurch quetschen. Das wollen wir verhindern.“ Bei der nächsten Gemeinderatssitzung wolle man sich für einen nicht passierbaren Zaun entscheiden. „Die einen sagen, wir brauchen 1,20 Meter Höhe, die anderen sprechen von 1,60 Meter. Bevor irgendetwas passiert, nehmen wir lieber die höhere Variante und zäunen die Klärteiche damit ab“, sagt der Bürgermeister. Von Britta Matzen