Versetztes Ortsschild erlaubt das Rasen in Grabau

Guten Gewissens trauen sich die Anwohner der Grabauer Dorfstraße nicht mehr, ihre Kinder morgens zum Schulbus zu schicken. Denn vor ihrer Haustür, sagen sie, rasen die Autos nur so vorbei beziehungsweise legen in der recht schmalen Straße eine riskante Fahrweise an den Tag. Und das liegt offenbar nicht nur daran, dass sie aufgrund der Bauarbeiten an der L 226 jetzt an einer Umleitungsstrecke wohnen. Denn von einem auf den anderen Tag genießen sie nicht mehr den Schutz eines Tempolimits von 50 Stundenkilometern. Im Außenbereich ist Tempo 100 erlaubt: „Man hat einfach das Ortsschild, das früher am Spielplatz vom Naturerlebnis Grabau stand, weggenommen und es um einen Kilometer versetzt. Jetzt liegen wir im Außenbereich. Praktisch bedeutet das, dass auf der Strecke 100 gefahren werden darf. Viele rasen hier mit 70, 80 entlang “, sagt Marc-Oliver Kösling verärgert. Dabei sei die Straße in Kurven schwer einsehbar. Zudem sei sie so eng, dass Fahrzeuge im Gegenverkehr nur Außenspiegel an Außenspiegel aneinander vorbeikämen und das auch nur, weil sie den unbefestigten Seitenstreifen nutzten. Für Kinder, die mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs seien, stelle das eine gefährliche Situation dar. „Im Übrigen liegt auf der Strecke auch das Asylbewerberheim. Die Bewohner müssen alle zur Bushaltestelle nach Grabau laufen. Ein Auto besitzt dort niemand“, fügt Kösling hinzu. Zu Spitzenzeiten 80 bis 90 Kinder im Naturerlebnis: Der Anwohner machte sich jedoch nicht nur um die eigenen drei Kinder und die seiner Nachbarn Sorgen, sondern dachte gleich an die vielen Familien, die mit ihren Lütten regelmäßig zum Spielen nach Grabau kommen. „Im Sommer und auch jetzt an den Wochenenden ist hier wahnsinnig viel los. Manchmal sind 80 bis 90 Kinder da“, berichtet Kösling. Deshalb nahm er Kontakt zum Geschäftsführer des Naturerlebnisses auf. Jörg Schumacher war die neue Situation auf Anhieb nicht geläufig, da das Ortsschild umgesetzt worden war, als die Zufahrt in Richtung Grabau wegen der Bauarbeiten komplett gesperrt war und die Mitarbeiter nur aus Sülfelder Richtung zum Naturerlebnis kamen. „Ich habe mich dann umgehend mit dem Landrat in Verbindung gesetzt und konnte erreichen, dass zum Schutz der Kinder um den Spielplatz die Geschwindigkeit wenigstens auf 50 Stundenkilometer reduziert wird“, sagt er. Dass das Ortsschild falsch gestanden habe, sei von der Kreis-Behörde für Verkehrslenkung offenbar schon vor längerer Zeit beanstandet worden. Auf deren Anordnung habe jetzt wohl der Bürgermeister reagiert und die Versetzung veranlasst. Kreis bietet Weilerschilder als Kompromiss an: „Das Ortsschild hat schon jahrelang an der falschen Stelle gestanden. Denn es ist nur da angebracht, wo tatsächlich eine enge Bebauung vorliegt“, erklärt Ordnungsamtsleiterin Ines Höwing, die mit der Umsetzung befasst ist. Zwischen dem Ortskern und den Höfen der Anwohner sei freies Gelände. Dem müsse mit der Beschilderung Rechnung getragen werden. Außerdem sei es nicht konform mit der Straßenverkehrsordnung, Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Ortsschilder zu regeln. „Wir haben uns aber bemüht, eine Regelung im Sinne der betroffenen Bürger zu finden“, räumt die Ordnungsamtsleiterin ein. Der besiedelte Abschnitt der oberen Dorfstraße beziehungsweise Hoherdamm werde demnächst mit grün-gelben Weilerschildern kenntlich gemacht. Da es sich nur um Ortshinweisschilder ohne verkehrsrechtliche Bedeutung handele, damit also kein Tempolimit verbunden sei, würden gleichzeitig zwei 50er Schilder hinzugestellt. „Wir sind froh, diese Regelung im Einvernehmen mit der Kreisbehörde gefunden zu haben. Außerdem haben wir sie nicht vom grünen Tisch aus beschlossen, sondern alles an Ort und Stelle geprüft. “, sagt Ines Höwing. Stormarner Behörde unterlag im Rechtsstreit: Die Anwohner wundern sich jedoch, weshalb so ein kompliziertes Verfahren nötig ist, für das letztlich insgesamt acht neue Schilder aufgestellt werden müssen. Wie Hans-Jürgen Zimmermann, beim Kreis für die Verkehrslenkung zuständig, erklärt, bleibe seiner Behörde keine andere Wahl als so zu handeln. Der Kreis sei in einem ähnlich gearteten Fall verklagt worden. „Und da haben wir verloren“, berichtet Zimmermann. „Es ging damals um die Durchgangsstraße zwischen Lasbek und Barkhorst. Wir hatten dort 70 angeordnet. Der Autofahrer, der dort geblitzt wurde, hatte mit der Begründung geklagt, dass die Strecke nicht durchgehend bebaut ist und sich somit außerhalb der Ortslage befindet, wo gewöhnlich Tempo 100 erlaubt ist. Er hat letztlich Recht bekommen. So ist nun einmal die Gesetzeslage. Obwohl es viele Tote auf den Autobahnen gibt, haben wir immer noch kein Tempolimit“, sagt Zimmermann. In der Urteilsbegründung habe der Richter angemerkt, dass es auf dieser Strecke keine Unfälle gegeben habe, die ein Limit rechtfertigten. Um den Anwohnern dennoch Schutz bieten zu können, sei für die Dorfstraße und den Hohendamm die Kombination von Weilerschildern mit Tempo-50-Begrenzung gewählt worden – eine für Laien vielleicht umständlich wirkende Regelung. „Wir hätten uns mehr Transparenz gewünscht“: Die Anwohner sind nun gespannt, wo die grün-gelben Schilder nun letztlich aufgestellt werden. Sie sind skeptisch, dass sie und ihre Familien von der neuen Lösung tatsächlich profitieren werden. Dabei dürfte auch ihr Frust darüber eine Rolle spielen, dass sie im Vorfeld von keiner Seite aus über die geplante Veränderung informiert wurden. „Wir hätten uns mehr Transparenz und Kommunikation gewünscht. Wir sind im Übrigen nicht auf Krawall gebürstet, sondern möchten eine vernünftige Regelung“, sagt Marc-Oliver Kösling. Von Dorothea von Dahlen