Wildfleisch aus der Region schwer zu bekommen

Das Rudel Damwild kommt neugierig an den Zaun, als Christian Rahe und Kirsten Voß-Rahe sich dem Gatter nähern. Doch die beiden Betreiber des Hof Viehbrook in Rendswühren haben diesmal kein Futter dabei. Da entscheidet sich der scheue Hirsch doch lieber, mit seinem Rudel an das andere Ende der riesigen, acht Hektar großen Streuobstwiese zu laufen. Man weiß ja nie. Doch gejagt wird an diesem eiskalten Dezembertag auch nicht, obwohl die Nachfrage nach Wildfleisch gerade zur Weihnachtszeit immer besonders hoch ist. „Dieses Jahr ist es sogar noch mehr geworden, denn die Menschen können Weihnachten ja nicht in die Restaurants essen gehen und kochen deshalb zu Hause die klassischen Weihnachtsgerichte selbst“, sagt Kirsten Voß-Rahe. Aber auch generell werde die Nachfrage nach Wildfleisch immer mehr. „Natürlich ist Wild zu Weihnachten der Klassiker, aber auch zur Grillsaison steigt mittlerweile die Nachfrage“, sagt Christian Rahe, der Vorsitzender des Gehegewildtierverbandes in Schleswig-Holstein ist. Wildhandel Ellerbrock, Hamburger Straße 34, Zufahrt über Olivett-Allee, Bad Oldesloe, Telefon 04531/89 76 777, mehr Infos auf www.ellerbrock-wildhandel.de von Bülow’sche Wildspezialitäten, Forstgut Bergholz im Herzogtum Lauenburg, Mobil: 0160 / 59 56 115, mehr Infos auf www.forstgut-bergholz.de Wildglück Premium Wildfleisch UG , Alte Salzstraße 20, Schnakenbek, Tel: 04153/550 95 81, mehr Infos auf www.wildglueck.de Hof Viehbrook, Viehbrooker Weg 6, Rendswühren, Telefon: 04394/992356, Infos auf www.hof-viehbrook.de, im Hofladen gibt es unter anderem Dam- und Rotwild aus dem Erlebniswald Trappenkamp. Wildfleisch aus Bio-Gatterhaltung kann dort auch im Onlineshop bestellt werden und kommt dann im Paket gekühlt nach Hause. Fleischereifachgeschäft Fritze, Dorfstraße 27, Kalübbe. Telefon: 04526/14 04, Infos unter www.fleischer-mit-herz.de Wild kann oft auch direkt beim Jäger vor Ort gekauft werden, nachfragen lohnt sich. Lokale Anbieter kann man auf www.wild-auf-wild.de finden. Ansonsten verkaufen auch Wildhändler oder viele Schlachter, die häufig selbst zur Jagd gehen. Auch die Landesforsten Schleswig-Holstein bejagen die staatlichen Reviere. Wenn man Wild aus den Landesforsten haben möchte, können Interessenten direkt die Förster ansprechen. Allerdings gibt es das Wild dann nur in der Decke/Schwarte und nicht küchenfertig. Der Käufer müsste es also dann beim Metzger seines Vertrauens küchenfertig vorbereiten lassen. Denn normalerweise beliefern die Landesforsten fast ausschließlich nur Händler. Deutsche essen immer mehr Wildfleisch: Zahlen des Landesjagdverbandes bestätigen diese Einschätzung. Im vergangenen Jagdjahr 2019/2020 haben die Deutschen rund 34 000 Tonnen Wildbret verspeist. „Das sind 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Am begehrtesten sind Wildschwein, Reh, Rot- und Damhirsch“, so ein Verbandssprecher. Die gestiegene Nachfrage spiegelt sich auch in der vermehrten Jagd wider. „Insgesamt sind die Strecken bei allen Schalenwildarten, dazu gehören unter anderem Rehe und Wildschweine, in den vergangenen Jahren angestiegen. Vom Jagdjahr 2017/18 bis 2019/20 lag der Anstieg bei rund 15 Prozent“, erklärt Ionut Huma, Sprecher der Landesforsten Schleswig-Holstein. Die Strecken bezeichnen die Anzahl der bei den Jagden, deren Hauptsaison jetzt im Dezember ist, geschossenen Wildtiere. Bei Rehen wurden im Jagdjahr 2018/19 im Kreis Segeberg 5200, in Stormarn 3491 und im Herzogtum Lauenburg 4874 Tiere geschossen. Für die Förster sind die gestiegenen Abschusszahlen auch aus Naturschutzgründen eine positive Entwicklung. Huma: „ Die Erhöhung der Abschusszahlen war notwendig. Damit verfolgen die Landesforsten das Ziel, Verbissschäden zu verringern und klimastabile Wälder fit für die Zukunft zu machen.“ Verbraucher wollen regionale Produkte: Für Huma ist die gestiegene Nachfrage auch nicht verwunderlich: „Endverbraucher möchten wissen, woher ihr Fleisch stammt und legen immer mehr Wert auf eine gute Qualität – und auch der regionale Bezug des Fleisches spielt eine immer größere Rolle.“ Das alles sei mit dem Kauf von Wildfleisch gegeben. „Man weiß, woher es stammt, es ist qualitativ hochwertig und es kann direkt aus der Region bezogen werden. Zudem ist Wildfleisch ausgesprochen schmackhaft, mager, vitaminreich und sogar für die Diätküche geeignet. Wildfleisch hat längst Einzug in die Alltags-Küche gefunden“, ist sich Huma sicher. Was vielen Menschen auch wichtig sei: Wild stamme nicht aus Massentierhaltung. Wildfleisch ist nicht günstig, aber oft preiswerter als anderes Biofleisch. Je nach Händler variieren die Preise etwas. Wenn es küchenfertig ist, kostet ein halbes Kilo Damwildgulasch aber um die 15 Euro, ein Wildschweinbraten mit 1,7 Kilo liegt bei 32 Euro. Der Rehrücken um die 35 Euro. Ein edles Filet vom Rotwild liegt bei 60 Euro pro Kilo. Zum Vergleich: Ein Bio-Rinderfilet im deutschen Supermarkt kostet je nach Angebot ebenfalls um die 60 Euro. Laien sollten Wildfleisch auch am besten küchenfertig kaufen. Teilweise ist das Wildbret dann sogar schon eingelegt oder gewürzt. Oft haben Wildhändler auch nicht nur Steaks und Braten, sondern auch Bratwurst, Sauerfleisch oder Salami. Vermarktung des Wildfleisches ist ein Problem: Wahrscheinlich würden noch viel mehr Verbraucher auch im Alltag auf regionales Wildfleisch umsteigen. Das Problem ist nur, dass der Kunde es sich immer noch oft „organisieren“ muss, beim örtlichen Jäger, in Hofläden oder bei einem lokalen Fleischer. Ob Rehbraten zum Fest oder Wildschweinsteaks für den Grill – Wildfleisch aus Deutschland findet nur selten bis gar nicht den Weg in die Supermärkte. Ein Problem, über das die Gehegewildtierhalter und der Landesjagdverband regelmäßig sprechen. Nur gibt es noch keine Lösung. „Da ist eine Lücke“, sagt Rahe, auf der einen Seite habe man hoch qualifizierte Jäger mit einen Wildbestand, der in einigen Waldgebieten definitiv zu hoch sei. „Auf der anderen Seite ist der Verbraucher, der das Fleisch kaufen möchte. Aber dazwischen fehlt einfach die Vermarktungsstruktur. Es gibt keine Erfassung des Angebots an Wild aus Jagdrevieren und Gehegen und daher kommen wir nicht in den Einzelhandel. Wir können die Verträge mit den ganzen Mengen, die da gefordert werden, gar nicht bedienen“, sagt Rahe. Naturnahe Gatterhaltung soll helfen: Mit der naturnahen und bio-zertifizierten Gehegehaltung will Rahe zumindest ein bisschen den veränderten Kundenwünschen entgegenkommen. Denn die Kunden wollen zwar regionale Produkte in Bioqualität, aber sie wollen eben nicht wie früher ein ganzes Reh langfristig beim Jäger bestellen, sondern sie wollen „die Fleischstücke, die sie brauchen und das möglichst sofort. Am besten wie bei Amazon Prime“, sagt Rahe mit einem Augenzwinkern. Die regionale und naturnahe Gehegewildhaltung könne dieser Nachfrage entgegenkommen, weil männliche Tiere nicht nur in der Jagdzeit entnommen werden können. Zudem können auch einzelne Teile des Tieres verkauft werden, verwertet wird jedoch nicht nur Rücken oder Keule, denn der Hof stellt auch Wildsalami oder Bratwürste her. Die Corona-Krise hat derweil sogar die Digitalisierung vorangetrieben. Da der Hofladen zur Zeit nicht regelmäßig geöffnet ist und weit ab liegt, hat der Viehbrookhof seinen ersten Onlineshop gegründet. Da können sich die Kunden ihre Rehkeule oder das Dammwildgulasch direkt per Paket nach Hause schicken lassen. Innerhalb von 24 Stunden soll das gekühlte Fleisch beim Kunden sein. Alles fast schon wie beim Onlineriesen. Von Sven Wehde