Wissenschaftler als Weltenbummler

„43 fehlen mir noch. In zehn Jahren will ich es schaffen“, verrät er mit Blick auf alle 196 Länder der Erde. Seine subjektiven Eindrücke von der Landwirtschaft der Länder rund um die Erde will der Honorarprofessor der Uni Kassel mit dem Projekt „World of Food and Farming“ seinen Nachfolgern als Buch hinterlassen. Rahmann: „Europa soll dieses Jahr fertig werden. Die Story steht.“ Die Idee zu den teilweise sehr persönlichen Bild-Geschichten aus der Welt der Landwirtschaft hatte der Oldesloer bereits vor 20 Jahren. Noch bevor es ihn in den Kreis Stormarn trieb. Wenn der 55-Jährige in Vorträgen erzählt , dass er in Amerika geboren ist, staunen die Zuhörer. Doch so heißt in Wirklichkeit nur der Ort in Ostfriesland, aus dem der Wissenschaftler stammt. Von dort aus zog es ihn in die weite Welt. Erstmals reiste er vom ostfriesischen Bauernhof aus als Robin- Wood-Aktivist ins nahe Ausland – nach Holland. Doch ihm reichte es nicht aus, vom Stand aus den Regenwald retten zu wollen. Er wollte nicht nur die Theorie, sondern den Dingen auf den Grund gehen. „Ich wollte es mit eigenen Augen sehen“, sagt er. Und so landete der damals 24-jährige Student 1986 für ein Jahr als landwirtschaftlicher Praktikant für ein Volkswagen-Projekt auf der VW-Fazenda in Brasilien. Er lernte viel über tropische Rinderhaltung. „Da habe ich entwurmen gelernt.“ Den Regenwald, den er damals erreichte, gibt es heute nicht mehr. Rahmann: „Es ist alles abgeholzt.“ Der Wald musste für die Tierhaltung weichen. Forschung mitten in Afrika: Sein zweites großes Auslandsprojekt führte den Oldesloer im Auftrag des Instituts für Tropenlandwirtschaft ins afrikanische Malawi. „Ich musste auf der Karte erst einmal gucken, wo Malawi ist“, gibt er zu. In dem armen Land durfte Rahmann 1989 forschen und seine Diplomarbeit über die Milchkuhhaltung schreiben. „Es war wirklich gut dort. Ich habe geweint, als ich wieder weg musste“, berichtet er. Ab 1990 untersuchte er dann als Doktorand im Sudan, wie die Nomaden in der Dürre überleben, welche ökonomische Bedeutung die Tierhaltung in der Sahelzone hat. Im Zelt zog Rahmann mit den Nomaden durch die Landschaften. „Die Zeit hat mich tief geprägt“, erzählt er. „Ich bekam Respekt vor dem Überleben.“ Eine Flasche des verunreinigten Trinkwassers von dort hat er bis heute aufgehoben. Bei dem Projekt verlor er eine Kollegin, die an einer Infektion starb. Im Hinblick auf die eigene Familiengründung entschied Rahmann sich damals gegen die Arbeit in der Entwicklungshilfe und für die Forschungsarbeit mit Nutztieren in Deutschland. Doch durch den Ökolandbau war er nach einer Weile doch wieder weltweit unterwegs. „Das fing mit Trenthorst an, im Jahr 2000.“ Damals wurde Rahmann Chef des Ökoinstituts. Später war er zudem drei Jahre Präsident der „International Society of Organic Agriculture Research“(Isofar), gehörte dem Weltvorstand von „Organic Movement“ an. Der Institutsleiter: „Da gestaltet man viel.“ Die Öko-Expo in Südkorea: Ein Highlight war die Organisation der größten Öko-Veranstaltung der Welt für die Isofar in Südkorea. Vier Jahre lang dauerte die Vorbereitung der „Expo“ für den Ökolandbau mit 40 Mitarbeitern. Rahmann: „Ich war zwölf Mal da und habe Südkorea sehr gut kennen gelernt.“ 1,1 Millionen Besucher kamen zur Veranstaltung „Science meets the public.“ In anderen Kulturen entdeckte der Oldesloer Ökolandbau aus den unterschiedlichsten Gründen. In Saudi-Arabien beispielsweise wurde Gemüse ökologisch angebaut, da pestizidbelastete Nahrungsmittel Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit der Frauen im Palast hatte. Dort besuchte er auch den mit 35000 Kühen größten und modernsten Milchviehbetrieb der Welt – mitten in der Wüste. In Georgien stieß er auf eine 2000 Jahren alte Weinrebe, in Österreich auf den 1000 Jahre alten Klostergarten Sankt Gerold. Er traf auf Pensionäre als Landbesetzer in Aserbaidschan, ein Ökodorf in Ägypten, Schafe, die auf Kakaoplantagen in Ecuador das Unkraut vernichten und in Israel auf den größten Anbau essbarer Blumen für Fünf-Sterne-Hotels. Die meisten seiner Reisen um die Erde sind mit seiner Leidenschaft für die Landwirtschaft verknüpft. Und selbst wenn er privat unterwegs ist, besucht er in für ihn neuen Ländern am liebsten Bauern oder Wissenschaftler, die er bei den weltweiten Treffen kennengelernt hat. „Ich würde es nicht als Urlaubsreisen bezeichnen. Urlaub mache ich in Deutschland“, erzählt er lachend. Die Touren um die Welt seien anstrengend und fordernd. Obwohl Rahmann bereits so häufig in Afrika unterwegs war – zuletzt zweieinhalb Jahre für ein Welthungerhilfe-Projekt in Äthiopien – hat er auf dem Kontinent noch 21 Länder nach. In Amerika sind es neun, in Asien fünf, im Pazifik acht. „2028 gehe ich in Rente. Bis dahin will ich alles erledigt haben“ sagt er. Häufige Begleiterin auf seinen Reisen ist übrigens Ehefrau Klaudia. „Sie hat auch schon die 100er Liste der Länder dieser Welt überschritten.“ An seinem Geburtstag am Sonntag, 29. April, 15 Uhr, startet Gerold Rahmann im Herrenhaus Trenthorst eine neue Veranstaltungs- Reihe. Zu Berichten aus der Welt der Landwirtschaft der von ihm bereisten Länder stellt er ein Produkt vor. Den Anfang macht der Kaffee. Die Kosten betragen 6/4 Euro. Eine Anmeldung – E-Mail an foelt@thuenen.de oder Telefon 04539/88800 – ist erforderlich. Susanna Fofana

Bad Oldesloe/Trenthorst - Wissenschaftler als Weltenbummler