Zweiter Corona Lockdown: Stormarner Gastronomie zwischen Angst und Hoffnung

Am Montag, 2. November, treten die neuen Corona-Beschränkungen in Kraft, die vorerst bis Ende November gelten sollen. Erneut ist vor allem die Hotel- und Gastronomiebranche vom Lockdown betroffen. Restaurants, Cafés und Kneipen werden geschlossen. Von den Stormarner Betrieben kommt Kritik, aber auch Verständnis für die Maßnahmen. Corinna Klaus-Tamke und Ehemann Helwig Tamke vom Reinfelder Gasthof „Kalkgraben“ hatten ein besonders schweres Jahr. Erst kam im Frühjahr die Corona-Krise, danach die Baustelle mit dem Shutdown. Die B 75 war den Sommer über wegen Bauarbeiten gesperrt. „Wir haben erst seit dem 3. Oktober wieder auf und noch gar nicht alle Mitarbeiter wieder mit im Boot, weil uns das zu unsicher war“, berichtet die „Kalkgraben“-Chefin. Drei Mitarbeiter hätten sie wegen der Krise bereits entlassen müssen, vier seien noch in Kurzarbeit. Verständnis für die Maßnahmen der Politik: Für die einschneidenden Maßnahmen der Politik äußert die Gastronomin angesichts der steigenden Infektionszahlen dennoch Verständnis, obwohl gerade Karpfenzeit und damit Hochsaison für ihren Gasthof ist. „In unserer Nachbarschaft sind jüngere Menschen schwer an Corona erkrankt. Die waren am Boden. Ich möchte die Krankheit nicht haben und auch kein Spreader-Hotspot sein. Die ganze Welt hat daran zu knabbern, und jeder muss seinen Teil dazu beitragen.“ Dabei hatte das Gastronomen-Ehepaar gerade einen Zentner Karpfen für die kommenden Wochen gekauft. Feinschmecker aus ganz Stormarn und darüber hinaus schätzen den „Kalkgraben“ für seine Spiegelkarpfen. Aber die Delikatesse landet diesmal nicht auf dem Teller. „Die Karpfen müssen wir wohl wieder in den Herrenteich zurückbringen“, sagt Klaus-Tamke. Übersicht für Schleswig-Holstein: Wie stark verbreitet sich die Corona-Erkrankung? Übersicht für Deutschland: Die Gesamtentwicklung, alle Hotspots und Reisewarnungen Diese beiden Artikel sind kostenlos für alle lesbar, die nachfolgenden regionalen Analysen sind LN-Plus-Lesern vorbehalten. Interaktive Karte: Wo sind die Corona-Hotspots in Schleswig-Holstein? Analyse: Gibt es mehr Corona-Infektionen, weil auch mehr getestet wird? Mehr aus Ihrer Region: Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Lübeck Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Ostholstein Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Segeberg Zahlen und Fakten zum Coronavirus im Kreis Herzogtum Lauenburg Zahlen und Fakten zum Coronavirus in Stormarn Mit Torten to go gegen die Krise: Das Reservierungsbuch von Sandra Seidel vom „Hofcafé Landzauber“ in Heilshoop war voll. Dann kam die Hiobsbotschaft. „Wir waren im November ausgebucht. Ich bin gerade dabei, allen Gäste abzusagen.“ Die Café-Betreiberin hat sich im ersten Lockdown mit einer Alternative über Wasser gehalten: Das „Hofcafé Landzauber“ hat Außer-Haus-Verkauf angeboten und ist damit um eine Schließung herumgekommen. Das will sie jetzt fortführen. „In so einer Krise braucht man halt ein bisschen Zucker. Kuchen, Torten, unseren leckeren Afternoon-Tea und unser Genießer-Frühstück kann man vorher bestellen und abholen.“ „Hygienekonzepte in der Gastronomie funktionieren“: Derzeit überlegt die Gastronomin noch, ob sie nur am Wochenende öffnet anstatt von Donnerstag bis Sonntag. „Ich muss gucken, wie ich das wuppe, damit alle Angestellten bei mir bleiben können.“ Bei Sandra Seidel macht sich aber auch etwas Frust breit. „Ich bin der Meinung, man hätte durchaus früher eingreifen sollen – mit Kontaktsperren.“ Außerdem ist sie überzeugt, dass die Hygienekonzepte in der Gastronomie funktionieren. Die Ansteckungsgefahr sei verschwindend gering, auch wenn es vielleicht ein, zwei schwarze Schafe unter den Kollegen gebe. „Von daher kann ich nicht verstehen, dass es uns wieder so trifft, während die Kaufhäuser, wo die Leute alles anfassen und anprobieren, offenbleiben. Da ist die Ansteckungsgefahr wesentlich größer, als wenn ich hier am desinfizierten Tisch sitze.“ Diese Texte haben wir exklusiv für LN-Plus-Leser recherchiert: Das sind die aktuellen Corona-Regeln in Schleswig-Holstein Halloween: Diese Regeln gelten wegen Corona So unterschiedlich sind die Corona-Regeln in den Nord-Bundesländern In diesen Texten informieren wir kostenlos über Corona-Regeln: Beherbergungsverbot: Das sind die Regeln in den anderen Bundesländern Diese weiteren Corona-Regeln haben die anderen Bundesländer erlassen Telefonische Krankschreibung ist wieder möglich Fragen und Antworten: Wo gilt die Maskenpflicht? Welche Ausnahmen gibt es? Abholservice – das ist auch das neue Erfolgsrezept im „Gasthaus Mäcki“ in Bad Oldesloe. „November und Dezember sind ja eigentlich die Monate, wo man ein bisschen Heu einfahren kann, wie ich immer sage. Aber wir hoffen, dass wir mit unserem Außer-Haus-Service durch die Krise kommen“, sagt Chefin Ute Meyer. Enten- und Gänsebraten mit Klößen, leckerer Soße, Rotkohl und Bratapfel – das gibt es auch im „Gasthaus Mäcki“ zum Mitnehmen. Dass wieder einmal die Gastronomie betroffen ist, kann Ute Meyer nicht ganz nachvollziehen. „Ich bin ein bisschen traurig, muss ich ehrlich sagen. Wir haben alle Hygieneauflagen erfüllt.“ Der Gast, der nur zum Essen komme, habe bestimmt nicht zum Anstieg der Infektionen beigetragen. Gutbürgerliches vom Restaurant „Zum Kamin“: Auch Klaus Strahlendorf vom Bad Oldesloer Restaurant „Zum Kamin“ hat die Durststrecke im Frühjahr dank Außer-Haus-Verkauf überstanden. Doch jetzt der zweite Lockdown war nicht nur für den dienstältesten Gastronomen der Stadt ein kleiner Schock, sondern auch für die Kunden. „Unsere Gäste sind sehr traurig. Wir hoffen, dass es nur vier Wochen andauert, damit wir die Vorweihnachtszeit noch genießen können.“ Derweil bietet Strahlendorf montags bis freitags von 11.30 bis 13.30 Uhr Mittagstisch to go an – Leckeres wie Rippenbraten mit Backpflaumen, Grünkohl oder Rübenmus. Von Donnerstag bis Sonnabend soll es auch abends von 18 bis 19.30 Uhr Spezialitäten zum Mitnehmen geben. „Kurzarbeitergeld wurde ruckzuck genehmigt“: Enttäuscht von der Politik ist der Oldesloer nicht, im Gegenteil. „Ich möchte ein großes Lob aussprechen. Uns wurde beim ersten Lockdown unheimlich schnell geholfen. Das Kurzarbeitergeld wurde ruckzuck genehmigt, auch das Überbrückungsgeld. Auch was jetzt mit den 75 Prozent im Gespräch ist, ist für uns ein Silberstreif am Horizont.“ Seine Angestellten will Strahlendorf in dieser schweren Zeit auf jeden Fall unterstützen – unter anderem soll eine fleißige 450-Euro-Kraft eine kleine Gehaltserhöhung bekommen. „Denn gerade diese kleinen Haushalte, die das Geld dringend brauchen, die trifft es am bittersten.“ Gutsküchen-Chef will seine Angestellten absichern: Matthias Gfrörer vom Restaurant „Gutsküche Wulksfelde“ in Tangstedt hat derzeit schlaflose Nächte. „Ich stelle mir die Frage, ob wir diese Pausenzeit aushalten. Wir haben nicht viel weglegen können in diesem Jahr. Im Gegenteil. Wir haben in Umbau und Renovierung investiert und keine Reserven für so eine Aussitzphase. Es ist wirklich bedrohlich“, gibt der Gastronom zu. Der Bund will Unternehmen, die von Corona-Maßnahmen betroffen sind, schnell finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Kleine Firmen sollen bis zu 75 Prozent des Vorjahresumsatzes erhalten. „Bei der Antragstellung laufen aber viele Sachen schwierig. Die Abwägung ist sehr willkürlich. Ich kenne Betriebe, die kriegen den Höchstsatz, andere bekommen keinen Cent ausgezahlt. Allein die Beantragung des Kurzarbeitergeldes ist richtig Arbeit.“ 32 Leute gehören zum Team von Gfrörer – und er hat sich die Mammutaufgabe gestellt, bis Montag für alle Kurzarbeiteranträge auszufüllen. „Damit alle Angestellten abgesichert sind. Ihre Existenzen müssen ja auch weitergehen. Ich möchte in dieser Situation niemandem kündigen.“ Besonders schwer betroffen von der Krise ist auch das „Park Hotel Ahrensburg“. „Wir hatten vom 20. März bis 1. August komplett geschlossen. Denn größere Seminare und Tagungen, das was uns ausmacht, haben nicht stattgefunden“, schildert Direktor Michael Bertz. Im August sei das Park Hotel wieder mit Übernachtung und Frühstück gestartet, was ab September auch wieder sehr gut anlief. „Wir hatten in der ganzen Zeit keinen Krankheitsfall und haben alles gegeben, damit die Gäste bei uns sicher übernachten können. Aber nun ist ab Montag wieder zu und alle gehen in Kurzarbeit. Das ist natürlich beängstigend für alle.“ Von Britta Matzen