Wer nach den letzten beiden „Tatort“-Folgen aus Dortmund den Eindruck gewonnen hat, Kommissar Faber (Jörg Hoffmann) werde allmählich ein bisschen freundlicher, hat sich getäuscht: Er ist pampiger denn je, träumt schlecht und wird von seiner Lübecker Vergangenheit und der Sehnsucht nach seinen ermordeten Liebsten erdrückt.
Faber bepöbelt Zeugen und piesackt seine Kollegen
Im Dortmunder Krimi „Inferno“ kehrt Faber noch mehr als sonst das ruppige Arschloch heraus, sowohl gegenüber seinen Kollegen (den jungen Pawlak schickt er vom Kantinentisch zu einem Rechercheauftrag, um dann dessen Essen aufzuessen, Kollegin Dalay treibt er zum üblen Selbstversuch mit der Plastiktüte überm Kopf) als auch gegenüber Zeugen im Krankenhaus (er bepöbelt den Stationsleiter, der ihm auf den Kopf zusagt, er nehme Antidepressiva).
Polizei oder Krankenhaus: Welcher Job macht kranker?
Es werden zwei Systeme gegeneinander geschnitten, die sich ähneln: Für die Mordkommision wie für die Notaufnahme gehört der Tod zum Alltag, in beiden Berufen pflegt das Privatleben zu Bruch zu gehen, die Nerven liegen blank. Diese Gegenüberstellung ist stark in Szene gesetzt. Der hektische Klinikbetrieb hat so gar nichts von den idyllischen Arztserien, die das Erste am Vorabend so gern zeigt, wo das medizinische Personal immer Zeit und Rat hat und voller Charme stets die richtige Diagnose stellt. In dieser Dortmunder Notaufnahme geht fast alles schief, Ehen zerbrechen, das Personal nimmt Drogen, pflegt heimlich verletzte Kleintiere und neidet einander besser dotierte Posten. Polizei oder Krankenhaus: Welcher Job macht kranker?
Der einsamste aller „Tatort“-Kommissare
Faber ist Chef eines Vierer-Teams, aber er ist der einsamste aller „Tatort“-Kommissare. Diesen Fall löst er, weil er sich von dem Schwindel-Arzt, selbst als er diesen durchschaut hat, Hilfe bei seiner Vergangenheitsbewältigung erhofft. Es ist ein Psycho-Duell zwischen Kommissar und Stationsleiter, das Faber unter Todesgefahr für sich entscheidet: Wie er im Alleingang den Verdächtigen stellt, indem er dessen Jaguar unter Ausstoß eines Kampfschreis mit seinem Saab rammt, ist genauso irre wie ungewöhnlich. Toller Regieeinfall, Richard Huber! Da lassen sich auch logische Schwächen verzeihen: Welches Paar, das erkennbar nicht mehr gemeinsam glücklich ist, zieht denn gemeinsam in einen Neubau in einer Dortmunder Einzelhaussiedlung, schon gleich mit getrennten Schlafzimmern?
Dieser Krimi ist kein Stimmungsaufheller, die für die „Tatort“-Reihe typische Prise Humor fehlt hier ganz. Dennoch ist „Inferno“ ein Highlight der Serie, hoch spannend, gut gespielt, interessant erzählt. Schön wäre trotzdem, wenn Faber das nächstes Mal wieder weniger ruppig mit seinen Kollegen umspringt.
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Lars Fetköter