So etwas muss nicht sein. Wer, bitteschön, möchte am Sonntagabend um viertel nach acht abgetrennte Gliedmaßen im Fernsehen sehen? Oder den blutrünstigen Mann mit der Axt im Wald, natürlich im strömenden Regen? Mit solchen Horrorbildern sollen wir in den Tatort reingezogen werden, doch sie passen überhaupt nicht zum übrigen Setting. Das „Monster von Kassel“ soll ein aalglatter Showmaster sein, der in einer schicken Villa wohnt, in der seit Derricks Zeiten die Bösen zuhause sind, in einer scheinbar heilen Welt.
Gutes Ermittler-Team
Es sind nicht die Schauspieler, die diesen „Tatort“ unglaubwürdig machen. Den Frankfurter Kommissaren Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) sehen wir gerne zu, ebenso wie Constanze Lauritzen (Christina Große) und der trauernden Mutter Kirsten Rohde-Jansen (Stephanie Eidt). Sie spielen alle gut, natürlich auch Barry Atsma, der den smarten Fernsehmann Maarten Jansen verkörpert, der reihenweise junge Verehrerinnen hat.
Kaltblütiger Mord oder im Affekt?
Das große Problem: Man traut Jansen den bestialischen Mord am eigenen Stiefsohn, dem 17-jährigen Luke, nicht zu. Zwischen den vielen Shows und zahlreichen Affären soll er mal eben nachts einen Draht spannen, minuziös und kalt geplant, damit der Junge vom Rad stürzt, ihn dann wütend zu Tode treten, anschließend aber wieder ganz kaltblütig zerteilen und fein säuberlich verpacken, als handele es sich um ein Postpaket mit Überlänge.
Und dann verteilt er die Pakete sorgsam, in Frankfurt, in Kassel, auf einem Friedhof. Gleich danach bringt er morgens Croissants zum Frühstück mit. Was soll es denn nun sein? Ein kaltblütiger Mord oder ein Mord im Affekt? Die Mischung passt überhaupt nicht zusammen.
Dürftiges Motiv
Hinzu kommt noch das mehr als dürftige Mordmotiv: Der Showmaster hatte es auf die jugendliche Nachbarin Therese abgesehen, in die sein Stiefsohn verliebt war, hat. Der findet einen Liebesbrief von Therese an Maarten und gerät darüber mit dem Vater in Streit und versteckt alle Briefe der Verehrerinnen. Das soll der Auslöser für diesen Horror-Mord sein? Das ist reichlich dünn.
Schön sind einige Erkenntnisse am Rande. Frankfurter halten Kassel offenbar für triste Provinz, wo man immer einen Regenschirm braucht. Solche kleinen Schrulligkeiten und Klischees hätte man ausbauen können.
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Christian Risch