Beschützer-Missionen zählen unter Gamern gemeinhin zu den unbeliebtesten Aufgaben: Eine wehrlose Figur von A nach B zu eskortieren, sorgte schon bei „Resident Evil 4“ eher für Frust anstatt für eine emotionale Bindung. „A Plague Tale: Innocence“ – im Wesentlichen eine einzige Beschützer-Mission – trägt also ein schweres Kreuz.
Die Beschützerin ist die jugendliche Amicia de Rune. Der Beschützte: ihr fünfjähriger Bruder Hugo. Die beiden Nachwuchs-Adeligen verbringen ein beschauliches Leben im Frankreich des 14. Jahrhunderts, bis die Inquisition auftaucht und Vater, Mutter sowie Bedienstete gnadenlos tötet, um Hugo in ihre Gewalt zu bringen.
Der ist aufgrund einer mysteriösen Krankheit gleichsam Ursache und Lösung für eine Plage, die das Land bald in Form gefräßiger Ratten überzieht, die selbst vor lebenden Menschen keinen Halt machen.
Spielerisch ist „A Plague Tale“ bestenfalls solide. Es wird vornehmlich geschlichen, was aber weder anspruchsvoll ist noch mit alternativen Lösungswegen aufwartet. Erst in der zweiten Hälfte werden die Areale, das Inventar und damit auch die Möglichkeiten größer.
Mit ihrer Schleuder kann Amicia dann Feinde direkt ausschalten oder die lichtscheuen Rattenschwärme kontrollieren, indem sie Fackeln entzündet oder löscht. Mit gesammelten Materialien wird spezielle Munition hergestellt und die Ausrüstung aufgewertet.
Technisch überzeugt „Innocence“ im Hinblick auf die detaillierten Umgebungen und die Lichtstimmung. Auch die musikalische Untermalung, die von verstörend-kreischenden Streichern getragen wird, ist gelungen. Die hölzernen Charakteranimationen trüben die sonst gute Inszenierung aber arg.
Die große Stärke des rund 15 Stunden langen Spiels ist allerdings erzählerischer Natur. Amicia wird, wie auch der Spieler, ins kalte Wasser geworfen und muss sich plötzlich um ein Kind kümmern, mit dem sie zuvor keinerlei Berührungspunkte hatte.
Beide durchleben einige Höhen, zahlreiche Tiefen und wachsen so allmählich zusammen – eine Entwicklung, die sich genau so auf den Spieler überträgt.
In dieser enorm atmosphärischen, düsteren, von Krankheit und Krieg geplagte Welt ist jeder Moment der Ruhe, jede neue Freundschaft ein kleiner Lichtblick.
Speziell bei der Charakterzeichnung haben die Autoren großartige Arbeit geleistet: Die Figuren sind glaubwürdig, dank der tollen Vertonung schließt man sie schnell ins Herz. „Innocence“ ist damit eine Blaupause dafür, wie Beschützer-Missionen eben doch funktionieren können.
Fazit: Fans charaktergetragener Story-Adventures kommen mit „A Plague Tale“ voll auf ihre Kosten, auch wenn das Spiel in Ermangelung alternativer Pfade kaum Wiederspielwert bietet.
Die Handlung rund um eine dunkle Macht, religiösen Fanatismus und zwischenmenschlichen Zusammenhalt ist nicht nur dramaturgisch gelungen und wartet mit zahlreichen interessanten Figuren und Wendungen auf – sie hat überdies auch einen runden Abschluss zu bieten. Da kann man auch die spielerischen Schwächen verschmerzen.
Info: „A Plague Tale: Innocence“ ist für rund 50 Euro für PC, PS4 und Xbox One erhältlich.
Wertung und Infos
Wertung: 4 von 5 Punkten
Genre: Schleich-Story-Adventure
Erscheinungsdatum: 14. Mai 2019
Plattformen: PC, PS4, Xbox One
Preis: ca. 50 Euro
Jugendfreigabe: ab 16 Jahren
Entwickler: Asobo Studios
Publisher: Focus Entertainment
Webseite:
www.aplaguetale.com
Das sollten Eltern über „A Plague Tale: Innocence“ wissen
„A Plague Tale: Innocence“ ist kein Spiel für Kinder. Die dargestellte Welt ist, trotz fantastisch-mystischer Elemente, wohl genauso, wie das Mittelalter einst war: grausam, düster und von Tod durchzogen. Zwar ist die Darstellung der Gewalt nicht überbordend explizit, doch im Kopfkino kommt sie voll zur Geltung. Ein starker Magen sei empfohlen. Von der USK ist das Spiel ab 16 Jahren freigegeben.
Von Christian Neffe