Bastian Sicks Sprachkolumne: Pellen oder schälen? Das ist hier die Frage

Meine Leser bringen mich immer wieder dazu, über Dinge nachzudenken, über die ich mir noch nie Gedanken gemacht habe. So wollte ein Leser kürzlich von mir wissen, was der genaue Unterschied zwischen „pellen“ und „schälen“ sei. Er würde Eier und Bananen „pellen“. Seine Frau hingegen, eine Schwäbin, gebrauche dafür ausschließlich das Wort „schälen“. Wie aus dem Ei geschält: Da hatten wir schon fast die Antwort, denn der Unterschied ist zunächst mal ein regionaler. Das Wort „pellen“ ist vor allem im norddeutschen Sprachraum verbreitet, denn es kommt – wie die dazugehörige „Pelle“ – aus dem Niederdeutschen. Das erklärt, wieso die Schwaben das Wort „pellen“ nicht kennen und folglich auch nie „wie aus dem Ei gepellt“ aussehen, sondern höchstens „wie aus dem Ei geschält“. Schälkartoffeln oder Pellkartoffeln? Dabei ist das Wort „pellen“ eine Bereicherung der Sprache, denn Schälkartoffeln und Pellkartoffeln sind wahrlich nicht dasselbe. Doch wie genau definiert man den Unterschied zwischen pellen und schälen? Einige Menschen glauben, es hätte damit zu tun, ob man ein Hilfsmittel verwendet oder nicht. Schälen sei das Entfernen der Schale mittels eines Messers, pellen sei die Entfernung mit den bloßen Fingern. Das ist aber nur teilweise richtig, denn das Abziehen der Haut bei Pellkartoffeln wird auch dann „pellen“ genannt, wenn man dabei ein Messer verwendet – was ich übrigens jedem empfehlen würde, denn selbst nach dem Abschrecken mit kaltem Wasser sind Pellkartoffeln noch so heiß, dass man sie nur mit spezieller Gabel (auch Kartoffelpieker genannt) festhalten kann, will man sich beim Abziehen der Haut nicht die Finger verbrennen. Beim Pellen der Zwiebel: Die Unterscheidung richtet sich also nicht nach dem verwendeten Hilfsmittel, sondern nach der Adhäsion der Schale, das heißt nach ihrer Haftung. Lässt sie sich leicht vom Fruchtkörper abziehen, spricht man, zumindest bei uns in Norddeutschland, von „pellen“. Sitzt sie aber fest und muss heruntergeschnitten werden, so spricht man von „schälen“. Zu Besuch bei Bestsellerautor Bastian Sick Heißt es das oder der Virus? Von Platt bis Griechisch: Ostholsteins EU-Sprachen Der Leser schrieb, dass er „pellen“ auch bei der Banane verwenden würde. Nach dieser Definition müsste er damit recht haben. Ich habe allerdings noch nie gehört, dass jemand auf einer „Bananenpelle“ ausgerutscht sei. Ich selbst gebrauche „pellen“ nur für Gekochtes – einschließlich der abgestorbenen Haut auf der Nase, wenn sie sich nach einem Sonnenbrand abziehen lässt; die wurde ja gleichsam „gekocht“. Vielleicht aber sehe ich das zu eng. Einige Rezepte im Internet verwenden auch bei der rohen Zwiebel das Wort „pellen“. Ich halte es hier jedoch eher mit Günter Grass, dessen 2006 erschienenes autobiografisches Werk nicht etwa „Beim Pellen der Zwiebel“ hieß. Da brat mir einer einen Storch! Gestern bekam ich eine Mail, in der mich ein Leser nach dem Unterschied zwischen „backen“ und „braten“ fragte. Seine Freundin würde nämlich beim Pfannkuchen nicht von „backen“ sprechen, sondern von „braten“, weil er schließlich in der Bratpfanne zubereitet würde. Auch darüber habe ich bislang noch nie nachgedacht. Daher war der erste Gedanke, der mir kam: Da brat mir einer einen Storch! Von Bastian Sick