Unter der Leitung des ehemaligen GMD’s Ryusuke Numajiri erblühten die Streicher mit großem, sattem Ton, wobei immer wieder die klangliche Homogenität der Streicher zu bewundern war. Nicht zuletzt das fabelhafte Blech, allen voran die Hörner und das Holz (Klarinette!), ließen die Aufführung zum Vergnügen werden.
Vorzügliche Transparenz
Dabei traf auch Numajiris Deutung dieser etwas rätselhaften Symphonie genau in den Kern: Mit vorzüglicher Transparenz durchdrangen Numajiri und seine Musiker Bruckners kontrapunktische Finessen. Besonders die agogischen Tricks in den häufigen Steigerungen und bei den in großem Atem sich verlangsamenden Phrasenenden der Themenblöcke gerieten wie aus einem Guss. Um so deutlicher wurde die Weiträumigkeit des Klanges, die auch formal an in Tönen erbaute Kathedralen denken lässt, nach Ernst Bloch „Klang, der sich erst bildet“.
Doppelfuge im Finale
So wirken die ersten drei Sätze dieser Symphonie wie eine Vorbereitung auf das Finale, in dem als absoluter Höhepunkt sich der Himmel zu öffnen scheint. Und Bruckner bediente sich hier des archaischen Mittels des Kontrapunktes (Doppelfuge im Finale), der wie in keiner der anderen Symphonien das innere Satzgeschehen als prozesshaften Vorgang prägt. Durchaus im Sinne der Brucknerschen Dramaturgie mit ihrer quasi verklärenden Höhepunktgestaltung gelangen Numajiri und den Lübecker Philharmonikern eine beeindruckende Leistung, deren Wirkung noch lange nachklang.
Dabei ließen die Lübecker Philharmoniker spieltechnisch keine Wünsche offen – der Klang blieb trotz Brucknerscher Massierung immer transparent. Und in den unendlichen Steigerungen und agogischen Finessen waren die Musiker sich mit ihrem Ex-Chef einig, von den kontrapunktischen Feinheiten bis hin zum Choralhöhepunkt des Finales.
Dieter Kroll