Der Prophet und sein Zögling

„Neue Bahnen“ war der Beitrag Schumanns über Brahms überschrieben, der in der Neuen Zeitschrift für Musik am 28. Oktober 1853 erschien. Darin heißt es, „ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten“, sei aus dem fernen Hamburg erschienen. Das Original dieser Zeitschriftennummer ist in der Ausstellung im Brahms-Institut zu sehen, und wie immer wohnt dem Original ein spezieller Zauber inne. „Es ist wunderbar, dass wir aus unserem Bestand so viele Autographen und andere Originale zeigen können“, sagt Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Instituts und Professor für Musikwissenschaft an der Musikhochschule. „Es ist eine ganz besondere Beziehung zwischen zwei Musikern, die mit diesem Beitrag Schumanns ihren Anfang nahm.“ Die Ausstellung korrespondiert mit dem Robert Schumann gewidmeten Komponistenporträt des Schleswig-Holstein Musik Festivals in diesem Jahr, das morgen mit dem Voreröffnungskonzert beginnt. Seit einigen Jahren arbeiten das Brahms-Institut und das Festival zusammen, die Ergebnisse waren stets sehens- und hörenswert. Dazu gehört auch ein wissenschaftliches Symposium, das ebenfalls morgen im Museum Behnhaus stattfindet (siehe neben stehendem Artikel). Zu den Preziosen, die das Institut zeigt, gehören auch die Illustrationen, die Ludwig Richter zu Kompositionen von Robert Schumann geschaffen hat. Vor allem die Zeichnungen und Vignetten zu Schumanns für Kinder bestimmte pädagogische Werke sind sehenswert. Romantische Kunst im allerbesten Sinne, obwohl diese kleinen Bildwerke zumeist alles andere als melancholisch sind. Melancholie pur hingegen bietet das fotografische Bildnis von Robert Schumann, das ihn mit aufgestütztem Kopf im Halbprofil zeigt. Es ist als das Schumann-Bild schlechthin in das kollektive Gedächtnis eingegangen, der junge Brahms ließ sich in derselben Haltung fotografieren. Über eines seiner späten Werke schrieb Brahms, jeder Ton müsse Melancholie verströmen – allerdings nicht im depressiven Sinne, sondern als „süßer Schmerz“. Damit ist Robert Schumanns musikalische Grundhaltung trefflich genau geschildert, Brahms ging diesen Weg weiter. Ausgerichtet ist die Ausstellung im Brahms-Institut aber auch auf Hörbeispiele. Der junge Brahms vertonte Eichendorffs Gedicht „Mondnacht“, nachdem Schumanns Vertonung bereits für Furore gesorgt hatte. Beide Fassungen sind an einer Hörstation zu erleben, gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau. „Das ist einerseits ein Zeichen der Bewunderung für Schumann“, sagt Wolfgang Sandberger. „Andererseits aber auch der Wunsch des jungen Komponisten, das Vorbild zu übertreffen. Das ist Brahms mit diesem Lied jedoch nicht gelungen.“ In anderen Hörbeispielen sind Brahms’ Bearbeitungen von Schumann-Werken zu hören, sein Leben lang beschäftigte sich der Hamburger mit den Kompositionen des 1856 verstorbenen Meisters. Die Ausstellung über das Komponisten-Zwiegestirn wird heute um 18 Uhr im Brahms-Institut eröffnet. Wolfgang Sandberger und der Schriftsteller, Pianist und Kritiker Hanns-Josef Ortheil führen ein Gespräch zum Thema „Mein Leben mit Schumann“. Diesen bezeichnet Ortheil als seinen „Herzenskomponisten.“ Die Veranstaltung ist ausverkauft. Das Symposium zu Robert Schumann beginnt morgen um 10 Uhr im Museum Behnhaus. In vier Vorträgen werden die Ideen des „Poetischen“ bei Schumann, seine psychische Erkrankung, sein Verhältnis zu Brahms sowie seine Tätigkeit als Kritiker und Musikschriftsteller beleuchtet. Referenten sind Christiane Tewinkel aus Berlin, die sich zu Schumanns Idee des Poetischen äußert, sowie Friederike Wißmann aus Dresden („Zwei Lesarten: Eichendorffs ,Mondnacht‘ bei Schumann und Brahms“), Reinhard Steinberg aus München, der über die neuesten Erkenntnisse betreffend der psychischen Erkrankung Robert Schumanns spricht, sowie Eleonore Büning, langjährige Musikredakteurin der FAZ, die sich Schumanns Tätigkeit als Musikschriftsteller widmet. Nach einer Einführung von Wolfgang Sandberger beginnen die Vorträge um 10.20 Uhr. Die Veranstaltung soll gegen 14 Uhr beendet sein. Der Eintritt kostet fünf Euro. Jürgen Feldhoff

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