Die Krone glänzt nicht mehr: Warum das Ende der Monarchien nahe ist

Als der spanische Ex-König Juan Carlos am 3. August in einer Nacht-und-Nebel-Aktion bei seinem arabischen Freund Scheich Mohammed bin Said Al Nahjan Zuflucht suchte, um nicht für Bestechungsgelder der saudischen Königsfamilie zur Verantwortung gezogen zu werden, stellte das den bisherigen Höhepunkt der tiefen Krise der verbliebenen Königshäuser auf der Welt dar. In diesem bisher größten Skandal der spanischen Monarchie seit ihrer Neueinrichtung 1975 geht es um mutmaßliche Schmiergeldzahlungen beim Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahn in Saudi-Arabien. Juan Carlos soll von saudischen, der dortigen Königsfamilie nahestehenden Kreisen, 100 Millionen US Dollar für die Vermittlung eines spanischen Konsortiums erhalten haben. Der Ex-König steht im Verdacht von Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Inzwischen hat das Oberste Gericht in Madrid die Untersuchungen der Antikorruptionsbehörde an sich gezogen. In Deutschland ist die Monarchie eigentlich seit November 1918 abgeschafft. Dennoch hatten wir 2020, zumindest in Bayern, noch einen König: Maha Vajiralongkorn oder Rama X. von Thailand. Er ist ein Mitglied der Chakri-Dynastie, die seit 1782 in Thailand herrscht: erst in einer absoluten und seit 1932 in einer konstitutionellen Monarchie. Obwohl er thailändisches Staatsoberhaupt mit erheblicher Machtfülle ist, hielt sich Rama X. in den letzten Jahren viel, manche behaupten sogar überwiegend in Garmisch-Partenkirchen und am Starnberger See auf. Thailand gehört zu den wenigen verbliebenen Staaten, die dem Herrscher noch gottähnliche Eigenschaften zuschreiben. Im Mai 2014 gab es in Ramas Reich einen Militärputsch.Seitdem sind Bürgerrechte und politische Betätigungsmöglichkeiten stark beschnitten. Im Februar wurde die aufstrebende Partei Future Forward, drittstärkste Kraft bei der letzten Parlamentswahl, verboten. Aktuell demonstrieren regelmäßig Zehntausende, vor allem jüngere Bürger, für mehr Demokratie. Die Bewegung fordert den Rücktritt der Regierung und umfassende Reformen. Dabei geht es erstmals auch um die Rolle der Monarchie. Sie soll auf rein repräsentative Aufgaben beschnitten werden und ihre Macht in der Exekutive einbüßen. Der König hielt sich unterdessen gern und oft in Bayern auf. Seit Oktober 2016 besitzt er eine Villa am Starnberger See, wohnt aber oft mit seinem Hofstaat von über hundert Personen im Garmischer Grand Hotel „Sonnenbichl“. Als erster prägnanter Herrscher seit Ludwig II. am Starnberger See erregt er eine gewisse Aufmerksamkeit. Als sich der Gott-König im Mai auf dem Rennrad durch die frühsommerliche Voralpenlandschaft kämpfte, schaffte er es auf Seite Eins der „Bild“-Zeitung. Die deutsche Öffentlichkeit wird zuverlässig über Neuigkeiten aus dem Hotel „Sonnenbichel“ informiert. Rama X. scheut sich nicht, seinen Reichtum in Deutschland und in Thailand offen zur Schau zu stellen. Dass sein Privatvermögen von angeblich 34 Milliarden Euro legal erworben wurde, stellt die Opposition in Frage. Ein weiterer Kritikpunkt ist ein Gesetz, das für Majestätsbeleidigung Haftstrafen von bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. Der Protest gegen das thailändische Königshaus hat jedoch eine Schärfe und Bedeutung angenommen, wie er noch vor einem Jahr undenkbar war. Inzwischen soll Rama X. entschieden haben, Thailand nicht mehr von Garmisch aus zu regieren. Im örtlichen Landratsamt ist man verunsichert und hat beim Auswärtigen Amt angefragt, wie man mit dem neuen „Kini“ umgehen soll. Rückzug der Monarchie seit 150 Jahren: Die Monarchie als Regierungsform ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Rückzug. Zuerst stand noch die Frage im Vordergrund, ob dem König oder dem Volk die höchste Macht im Staat zukommt. Nach und nach wurde die Herrschaft des Monarchen durch eine Verfassung eingeschränkt, der König blieb jedoch für die Exekutive zuständig. Zunehmend erweiterte man die Rechte der Parlamente. Schließlich konnte in den meisten Staaten der Monarch nicht mehr ohne die gewählte Volksvertretung handeln. Seine Rolle beschränkte sich immer mehr auf Repräsentation. Von den verbliebenen royalen Familien in Europa ist die britische am Teuersten. Im Haushaltsjahr 2018/19 erhielt sie 82,2 Millionen Pfund (damals etwa 91 Millionen Euro) vom britischen Steuerzahler. In Monaco erhält die fürstliche Familie 2020 um die 60 Millionen Euro. Die Niederlande stellen ihrer Königsfamilie 44,4 Millionen Euro zur Verfügung, Norwegen zahlte 2019 etwa 433,9 Millionen Norwegische Kronen (etwa 41 Millionen Euro) an König Harald V. und sieben andere Mitglieder seiner Familie. Das Königshaus in Belgien wird vom Staat direkt mit ca. 15 Mio. Euro ausgestattet. In Schweden gelten König Carl XV. Gustav, sechs weitere Erwachsene und zwei Kinder als Vollzeit-„Royals“ und erhielten dafür 2019 ungefähr 71 Millionen Schwedische Kronen (ca. 8,5 Millionen Euro). Einen ähnlichen Betrag zahlt der spanische Staat an sein Oberhaupt König Felipe VI., nämlich 7,9 Millionen Euro. Transparenz über ihre staatlichen Zuflüsse und Ausgaben bieten nur die europäischen Monarchien. Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts hatten aber noch über 90 Prozent der Weltbevölkerung einen Zar, Kaiser oder König als Staatsoberhaupt. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs änderte sich das rapide. Vier große Monarchien wurden zu Republiken: neben dem russischen Zarenreich, das deutsche Kaiserreich, die österreich-ungarische Monarchie und das Osmanische Reich. In Portugal war die Monarchie schon 1910 untergegangen. Von 1931, dem Beginn der Zweiten Republik, bis zum Tod des Diktators Franko im Jahr 1975 gab es in Spanien keine Monarchie. In Italien fand im Juni 1946 eine Volksabstimmung über die Staatsform statt, bei der sich 54,3 Prozent der Wahlberechtigten für das Ende des Königtums aussprachen. Vor allem das britische Königreich schrumpfte stark: In der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg verkleinerte sich insbesondere das britische Königreich. Indien wurde 1950, Pakistan 1956 Republik. Einige kleinere karibische Staaten folgten nach: Guyana 1970, Trinidad und Tobago 1976 und Dominica schließlich 1978. Auch heute ist die Lage in Großbritannien und dem Commonwealth besonders komplex. Elisabeth II. ist nicht nur Königin des Vereinigten Königreiches von England, Schottland, Nordirland und Wales, sondern inzwischen noch von 15 weiteren Staaten, die früher zum britischen Empire gehörten. In England und Wales ist die konstitutionelle Monarchie unumstritten. George Orwell sprach von der „gekrönten Republik“ und der Historiker David Starkey prägte den Begriff „königliche Republik Großbritannien“. Die Queen ist seit September 2015 die am längsten herrschende Monarchin der englischen Geschichte. Ihre Popularitätswerte sind kaum zu übertreffen. Laut einer Umfrage von YouGov aus dem Oktober diesen Jahres sind 83 Prozent ihrer britischen Untertanen mit ihr zufrieden. Seit mehreren Jahrzehnten liegt die Zustimmung zur Monarchie zwischen 65 und 70 Prozent, etwa 20 Prozent lehnen sie ab, der Rest ist unentschieden. Es war ein schreckliches Jahr für die britische Königsfamilie: Schon ganz anders sieht es im Commonwealth aus. Barbados hat angekündigt, dass es nächstes Jahr die Queen als Staatsoberhaupt ablösen möchte, um damit seine koloniale Vergangenheit ganz hinter sich zu lassen. Auch Jamaica möchte in absehbarer Zeit diesen Weg gehen. In Australien sprachen sich Ende 2019 ca. 64 Prozent für ein Ende der Monarchie und die Einführung einer Republik aus. Ähnlich in Kanada, wo etwa die Hälfte der Bevölkerung die Verbindungen zur britischen Monarchie kappen möchte, wenn die Herrschaft von Queen Elizabeth endet. Die Skandale um den Rückzug von Meghan und Prinz Harry von den königlichen Pflichten sowie um Prinz Andrew (60), dessen Freund Jeffrey Epstein einen Ring zur sexuellen Ausbeutung von Jugendlichen betrieben hat und dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist, schaden der Popularität des Königshauses außerhalb der britischen Inseln sehr. Prinz Andrew musste von allen königlichen Ämtern enthoben werden. 2020 war ein schreckliches Jahr für die britische Königsfamilie. Etwa ein Viertel der Mitglieder der Vereinten Nationen sind heute noch Monarchien. 43 Staaten werden von einem Monarchen regiert. In der UN gibt es ein Kaiserreich (Japan) 33 Königreiche, ein Großherzogtum (Luxemburg), drei Fürstentümer (Andorra, Liechtenstein, Monaco), zwei Sultanate (Brunei und Oman) und drei Emirate (Katar, Kuweit, Vereinigte Arabische Emirate). Nicht in den Vereinten Nationen ist der Vatikanstaat. Er ist eine absolute Monarchie und christliche Theokratie. Im Konklave wählen die Kardinäle den Pabst, der mit absoluter Macht über den Vatikan regiert. Absolute Monarchie Der König besitzt die absolute Macht. Er untersteht selber nicht den Gesetzten, die er erlässt. In der Geschichte war der französische König Ludwig der XIV. das wichtigste Beispiel für diese Regierungsform. Heute sind die arabischen Staaten Saudi-Arabien, Oman und Katar die wichtigsten absoluten Monarchien. Konstitutionelle Monarchie Die Macht des Monarchen wird durch eine Verfassung begrenzt. In der Geschichte war das Deutsche Kaiserreich von 1871 bis 1918 eine konstitutionelle Monarchie. Aktuelle Beispiele sind die Königreiche von Jordanien und Kambodscha oder die Fürstentümer Liechtenstein und Monaco. Auch der König von Thailand, früher König von Siam ist Staatsoberhaupt einer konstitutionellen Monarchie. Parlamentarische Monarchie Der König hat zumeist nur repräsentative Ausgaben. Macht und Herrschaft liegen bei Parlament und Regierung. Es ist die Regierungsform, in der die Monarchie in Europa – zum Beispiel in Belgien, Dänemark, Schweden oder Spanien – überlebte. Sonderfall Commonwealth und das Haus Windsor Königin Elisabeth II. ist nicht nur das Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs, sondern auch von 15 weiteren Staaten des ehemaligen britischen Empire. Kanada, Australien und Neuseeland sind die größten von ihnen, Bahamas, Barbados, Jamaica und Papua-Neuguinea gehören zu den unwichtigeren. Es handelt sich um ehemalige britische Kolonien, die selbstständig wurden, aber den die Königin aus dem Haus Windsor weiter anerkennen. Barbados möchte sich im November 2021 vollständig vom Haus Windsor lösen. Die Queen selber, inzwischen 94 Jahre alt, sieht laut der Biografie von Thomas Kielinger die Unabhängigkeitsbestrebungen von Schottland als die größte Bedrohung für ihr Königreich an. Die Popularitätswerte für das Königshaus liegen in Schottland 10 bis 15 Prozent unter denen in England. Viele Verfechter der Schottischen Unabhängigkeit plädieren dafür, das Land nach dem Ende der 1707 geschmiedeten Union mit England als Republik auszurufen. Sie werden mit dem Brexit Ende Dezember weiteren Auftrieb bekommen. Der Thronfolger Charles und der Enkel William sind in Schottland und im Commonwealth nicht annähernd so akzeptiert wie die Queen. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass das Haus Windsor in zwanzig Jahren nur noch Staatsoberhaupt von „Little Britain“, also England und Wales, sein wird. Insgesamt ist die Monarchie als Regierungsform überholt, ein Phänomen des Neunzehnten Jahrhunderts, das es am Ende des Einundzwanzigsten kaum noch geben wird. Sieht man davon ab, dass sie als Mitglieder des internationalen Jetsets der Regenbogenpresse als unerschöpfliche Quelle für die Berichterstattung dienen, haben die Königsfamilien kaum noch eine Funktion. Die aktuellen Skandale beschleunigen – zumindest in demokratisch verfassten Staaten - ihren Niedergang. Von Christian Schwandt