Druckgrafik aus 50 Jahren in Lübeck zu sehen

Diese Ausstellung ist ein Aufruf. „Eigentlich ein politischer“, ergänzt Rainer Wiedemann. In seiner Galerie stellt er Druckgrafiken aus fünf Jahrzehnten aus. In der Ausstellung sind Radierungen, Lithografien und Holzschnitte zu sehen von Künstlern aus Schleswig-Holstein. Viele sind sehr detailliert gearbeitet, „es gibt vor allem sachliche Themen“. Techniken gehen verloren: Unter den Künstlern sind einige, die früher an Lübecker Schulen unterrichtet hatten, wie Dieter Ohlhaver, Reiner Teubert, Walther Kohlhase oder Karl Gieth. Dass sich Lehrer in ihrer künstlerischen Arbeit mit den Techniken befassten, lag in der Selbstverständlichkeit begründet, mit der Druckgrafik damals an Akademien und Schulen gelehrt worden sei, erläutert Wiedemann. Zu seiner eigenen Ausbildung ab Ende der sechziger Jahre hatte die Bandbreite künstlerischer Techniken vom Buchbinden über die Glasverbleiung bis zur Fotografie gehört. Die Ausstellung „50 Jahre Druckgraphik“ der Saalgalerie RW an der Kronsforder Hauptstraße 59 a in Lübeck mit Arbeiten von 16 Künstlern aus Lübeck und Schleswig-Holstein ist bis 14. Dezember zu sehen. Geöffnet ist sie sonnabends und sonntags jeweils von 11 bis 17 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter 04508/7484. Es wird die Möglichkeit geboten, selbst das Drucken an einer Presse auszuprobieren und die erforderlichen Werkzeuge und Mittel kennenzulernen. Auf Tafeln wird über die verschiedenen Techniken informiert, zudem gibt es für drei Euro ein Begleitheft. Die ausgestellten Werke stehen teilweise zum Verkauf. Bewusstsein für die Druckgrafik wecken: Inzwischen seien viele Druckmaschinen aus den Schulen im Schrott gelandet, bedauert Wiedemann, weil es nicht genug Kunsterzieher gebe und diese oft weder die Techniken beherrschten noch die Maschinen bedienen konnten: „Dazu muss man heute eigens eine Weiterbildung machen.“ In den Gymnasien, in denen er vor seiner Pensionierung unterrichtete, hatte er die Kunstform des Druckens in den Unterricht aufgenommen. Er hofft, mit der Ausstellung das Bewusstsein für die Bedeutung der Druckgrafiken wieder zu wecken: beim breiten Publikum ebenso wie bei Kunsterziehern. Damit verbunden sei ein Appell an die Politik, dem Kunstunterricht wieder mehr Bedeutung und Tiefe zu geben. „Ich denke, wir verlieren etwas, wenn wir die alten Techniken vergessen“, betont der Künstler. Alte Meister Gutenberg, Dürer, Rembrandt: Wiedemann hat schon einige Schätze vor der Müllpresse gerettet, deren Besitzer den Wert der Bilder etwa aus einem Nachlass nicht erkannt hatten. Aber auch im Rückgang der Sammeltätigkeit sieht er einen Grund, warum die Techniken in Vergessenheit geraten. Immerhin: „Druckgrafik gibt es seit Jahrhunderten, wir haben ihr viel zu verdanken“, sagt Rainer Wiedemann und verweist auf die alten Meister Gutenberg, Dürer oder Rembrandt, aber auch auf Künstler, die aus der Druckgrafik die Fotografie entwickelten. Druckgrafik ist immaterielles Kulturgut: Erst die Techniken im Hoch-, Tief-, Flach- und Durchdruck ermöglichten einen breiten Zugang zu Wissen und Kultur. Das lässt sich ganz weit fassen von der Vervielfältigung der übersetzten Bibel bis zum Wissenstransfer durch Bilder und Texte. 2018 wurde die Druckgrafik in die Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen. Durch Innovation und Weiterentwicklung des Druckens sowie ihrem Höhepunkt um 1920 wurde Kunst erschwinglich, darauf weist auch die deutsche Unesco-Kommission hin: „Damit konnte erstmals eine Demokratisierung der Kunst einsetzen, denn durch die Auflagen sank der Preis, und der Kundenkreis für Kunst wurde größer.“ Vor allem bildende Künstler seien es, die die traditionellen künstlerischen Drucktechniken pflegten. Das Datum der Aufnahme in die Unesco-Liste, der 15. März 2018, wird nun als „Tag der Druckkunst“ begangen. Der Berufsverband der bildenden Künstlerinnen und Künstler, in dem sich Wiedemann engagiert, ruft dazu auf, mit Veranstaltungen die Druckkunst zu präsentieren und zu vermitteln. Die Ausstellung in Kronsforde ist Wiedemanns Nachklapp zum Jahrestag. Von Margitta True

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