Europa mit Europa retten

Knapp 100 Seiten umfasst das Bändchen, wobei sich vieles im Ungefähren und Bekannten bewegt, auch wenn mit Oskar Negt einer der renommierten deutschen Denker im Spiel ist. Ein Essay von Ulrike Guérot aber lohnt die Lektüre. Die Politikwissenschaftlerin von der Universität im österreichischen Krems sowie der Berliner European School of Governance beklagt eine „große Erosion der europäischen Idee“: der Brexit eine „schmuddelige europäische Reality-Show“, die Parteiensysteme „kollabiert“, Europas Sozialdemokratie „von der Bildfläche verschwunden“ und stattdessen eine „identitäre Internationale“ mit finanziell gut ausgestatteten Förderern. Es ist eine vernichtende Bilanz, die Guérot da zieht. Aber wenn alles darniederliegt, hat man eben auch freie Sicht. Sie nimmt dabei vor allem die europäischen Grundprinzipien in den Blick, und sie nimmt sie ernst. Europa sei nur mit mehr Europa zu retten, macht sie deutlich. Der Europäische Rat, der auch jetzt wieder in Brüssel tagt, müsse seine beherrschende Stellung verlieren. Stattdessen sollte das Europaparlament ein wirkliches Parlament werden, gewählt nach einheitlichem Wahlrecht und ausgestattet mit vollem Initiativ- und Haushaltsrecht. Und man müsse Europa – wie dessen Vordenker vor dem Zweiten Weltkrieg – als autonome Regionen unter dem Dach einer Europäischen Republik begreifen. 1870 habe man im Deutschen Bund auch gesagt: Eine einheitliche deutsche Sozialversicherung – nie!“, hält sie Zweiflern entgegen. Aber dann sei halt Bismarck gekommen. int Ulrike Guérot, Oskar Negt u. a.: „Europa jetzt! Eine Ermutigung“, Steidl-Verlag, 95 Seiten, 10 Euro LN

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