Familienspaß im Teil-Lockdown: Jetzt ist die beste Vorlesezeit

Eine gemütliche Atmosphäre, ein schönes Buch und schon kann’s losgehen: Vorlesen ist ein tolles Thema für die ganze Familie – und wird leider viel zu selten praktiziert. Eltern fehlt es laut aktueller Vorlesestudie, die jedes Jahr im Herbst vorgestellt wird, an Zeit und Lust, ihren Kindern zu Hause vorzulesen. Traditioneller Vorlesetag auch im Corona-Jahr: Es gebe laut Umfrage im Haushalt „anderes zu tun“, viele seien außerdem „zu erschöpft“ und gehen davon aus, dass dem Nachwuchs in Schulen und Kindergärten genug vorgelesen werde. Das mag zwar sein – aber das heimische Vorlesen in trauter familiärer Atmosphäre ersetzt es nicht. Und wann wenn nicht in diesem Jahr ließe sich der Trend ändern, wenn das nassgraue Wetter und die Corona-Maßnahmen ohnehin andere Aktivitäten ausschließen. Traditionell gibt es anlässlich der Studie jeden dritten Freitag im November den bundesweiten Vorlesetag an den Schulen im ganzen Land. Vorlesen heißt, gemeinsam Neues zu entdecken und zu lernen, einander zu verstehen: Der Bundesweite Vorlesetag ist seit 2004 Deutschlands größtes Vorlesefest und eine gemeinsame Initiative von Die Zeit, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung. Jedes Jahr am dritten Freitag im November setzt der Aktionstag ein öffentliches Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens und begeistert Kinder und Erwachsene für Geschichten. Am 20. November findet der Bundesweite Vorlesetag bereits zum 17. Mal statt. In diesem Jahr digital unter dem Motto „Europa und die Welt“, zu dem es die verschiedenen Aktionen gibt. Mehr Infos unter www.vorlesetag.de. Eltern fehlt das Vertrauen: Da pandemiebegingt alles in diesem Jahr etwas ausgebremst ist, können Eltern nun getrost zum Buch greifen. „Vorlesen fördert nicht nur das Denken und die Kreativität, es vergrößert den Sprachschatz und hat auch noch eine wichtige soziale Funktion“, sagt Bildungsministerin Karin Prien den LN. „Es vermittelt Nähe, es vermittelt Zugewandtheit. Das ist gerade in diesem Jahr der Pandemie von immenser Bedeutung für die Kinder und die Familien.“ Zudem bedarf es nicht viel, auch wenn Eltern laut Studie das anders sehen. Viele glauben, sie müssten beim Vorlesen schauspielern und ihre Kinder zum geduldigen Zuhören zwingen. „Sie fühlen sich der Aufgabe nicht gewachsen“, sagt Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. „Die Hälfte hat in ihrer eigenen Kindheit zu Hause keine Vorleseerfahrungen gemacht. Ihnen fehlt das Vertrauen, dass Vorlesen jederzeit und überall ohne Übung möglich ist.“ Der bundesweite Vorlesetag sowie die Vorlesestudie sind ein gemeinsames Projekt von der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Deutsche Bahn Stiftung. Die Studie wird seit 2007 jährlich durchgeführt. In diesem Jahr wurden bundesweit 528 Mütter und Väter von Kindern zwischen einem und sechs Jahren interviewt, die einmal pro Woche oder seltener vorlesen. Die repräsentative Befragung fand zwischen Ende Mai und Ende Juni statt. Die Vorlesestudie 2020 hat erstmals untersucht, warum manche Eltern ihren Kindern nicht vorlesen. Denn rund ein Drittel (32 Prozent) der Eltern in Deutschland tun dies selten oder nie - diese Zahl sei seit Jahren konstant, sagte Simone Ehmig von der Stiftung Lesen. Erstmals sei gezielt diese Zielgruppe befragt worden, um herauszufinden, was dahinter steckt. Die am häufigsten genannten Gründe seien, dass sich das Vorlesen nicht in den Alltag integrieren lässt, die Eltern es nicht für wichtig halten und es ihnen keinen Spaß macht. Dabei sei das Vorlesen für Kinder wichtige Vorraussetzung für den Zugang zu guter Bildung, so Ehmig. Die gesamten Ergebnisse der Studie sowie weitere Infos zum Thema Vorlesen gibt es auf der Seite www.stiftunglesen.de LN-Redakteur Jürgen Feldhoff hat jahrelang aktiv beim Vorlesetag mitgemacht und schon an vielen Lübcker Schulen für die Kinder vorgelesen. „Vorlesen verbindet“, sagt Feldhoff. „Einer liest, die anderen hören zu – und alle haben was davon.“ Nun hat er sich für die LN-Leser noch einmal hingesetzt und liest die Sage von Theodor Storms „Der Bau der Marienkirche zu Lübeck“. Das Video dazu sehen Sie hier: Vorlesen fördert Entwicklung der Kinder: „Wir müssen das Vorlesen runterholen von dem Sockel, auf dem es häufig steht“, sagt Prof. Simone Ehmig, die die aktuelle Vorlesestudie der Stiftung Vorlesen geleitet hat. Es sei wichtig, Eltern klar zu machen, dass es einfach um gemeinsame schöne Zeit mit den Kindern gehe. Vorlesen fördere die sprachliche Entwicklung und das spätere Leseverhalten der Kinder, so Ehmig. Kinder profitierten für ihre soziales Entwicklung davon – „und dadurch, dass sie sich in Figuren hineinversetzen auch für die Bildung ihrer sozialen Kompetenzen“, erklärt Ehmig. Und in diesem Jahr macht Vorlesen noch viel mehr Sinn: „Beim gemeinsamen Eintauchen in eine spannende oder lustige Geschichte können Eltern und Kinder für einen Moment die Einschränkungen, mit denen wir alle gerade zurechtkommen müssen, vergessen und wieder etwas Kraft schöpfen“, sagt Bildungsministerin Prien. Welche Geschichten eignen sich gut zum Vorlesen? Welchen Abenteuern hören Kinder gerne zu? Wir haben uns in der Redaktion umgehört und eine Vorlese-Liste für Sie erstellt: „Für Hund und Katz ist auch noch Platz“: Ein Bilderbuch in Reimen, gut geeignet zum Vorlesen für Kinder ab 3 Jahren, die einer Hexe und ihren Gefährten auf dem Besen durch die Lüfte folgen, bis die Gruppe einem gefräßigen Drachen begegnet. . . Die britische Autorin Julia Donaldson des Buches ist vor allem als Schöpferin des berühmten Grüffelo bekannt. Lesedauer: rund 10 Minuten „Die Schule der magischen Tiere“: Diese beliebte Kinderbuchreihe von Autorin Margit Auer hat es bereits auf elf Bände geschafft und soll Ende November sogar als Kinofilm auf die Leinwand kommen. Die Geschichten spielen an der Wintersteinschule, an der Lehrerin Miss Cornfield eine ganz besondere Klasse unterrichtet: Eine Klasse, in der die Kinder sprechende Tiere haben, was natürlich ein Riesengeheimnis ist. Überreicht werden die Tiere (unter anderem ein Fuchs, eine Schildkröte, ein Pinguin und ein Pinselohrschwein) von Mister Mortimer Morrison – dem Inhaber einer magischen Zoohandlung. Lesedauer: Hier können Eltern und Kinder ab sechs Jahren ungefähr auf große Abenteuerreise gehen. Die Bücher sind oft über 200 Seiten lang und in einzelne überschaubare Kapitel aufgeteilt, die man sich zum Vorlesen prima einteilen kann. Achtung, Hörwurmgarantie! Die Bände sind außerdem in großer Schrift verfasst und eignen sich auch für Kinder zum Lesenlernen. „Mama Muh“: Mama Muh ist die neugierigste Kuh aller Zeiten und macht vor gar nichts Halt. Unerschrocken probiert sie erst einmal alles aus – auch wenn ihre Freundin, die Krähe, meistens anderer Meinung ist. Die tierisch lustigen Abenteuer von der schwedischen Autorin Jujja Wieslander gibt es für alle Altersklassen in Form von Bilderbüchern bis hin zu gebundenen Büchern mit längeren Geschichten. Lesedauer: Rund zehn Minuten für die kleinen Versionen. Etwa 30 Minuten und länger für die Bücherabenteuer. „Keiner gruselt sich vor Gustav“: Eine rührig lustige Geschichte von Guido van Genechten über ein kleines Gespenst, das irgendwie nicht so ist, wie die anderen Gespenster –und trotzdem seinen Weg geht. Für Kinder ab vier Jahren, zum Vorlesen und später zum Selbstlesen. Lesedauer: Etwa 30 bis 60 Minuten „Madita“: Die Bücher von Bestsellerautorin Astrid Lindgren gehen natürlich immer und gehören in jede Kindheit. Die siebenjährige Madita wohnt mit ihrer Familie auf dem wunderschönen Gut Birkenlund in einer schwedischen Kleinstadt. Sie möchte gern ein artiges Mädchen sein –aber das gelingt nicht immer: Es gibt so viel Spannendes in der Welt zu erleben, zu probieren und zu erforschen. Lesedauer: Das gut 400 Seiten dicke Buch ist ein schönes Werk, mit dem man es sich in der dunklen Jahreszeit und im Teil-Lockdown zu Hause gemütlich machen und beliebig zum Vorlesen einteilen kann. „Der Stinkehund“: Er sieht aus wie ein zerfledderter Wischlappen, und er müffelt nach Sardinen, weil er in einer Mülltonne wohnt – der Stinkehund ist ein echter Straßenköter und wünscht sich eigentlich nur ein Herrchen und ein zu Hause. Die Bücher von Autor Colas Gutman gibt es inzwischen mit vielen tollen, lustigen Abenteuern der müffeligen Vierbeiners. Für Kinder ab sechs Jahren. Lesedauer: Die Bücher haben gut 60 Seiten. Die lesen sich an einem langen Abend oder aufgeteilt in mehreren kleinen Vorleseabeteuern. Von Schabnam Tafazoli