Geschichte um Politik und Sex, Liebe und Folter

Am Premierenabend gab‘s statt des besungenen Mondes und der sehnsuchtsvoll adressierten Sterne leider nur dunkle Wolken, kalte Windböen und Regenschauer, etwas für Hartgesottene. Doch die Südafrikanerin Erica Eloff (am Lübecker Theater zuletzt als Königin der Nacht in Erinnerung) beeindruckte in der Titelrolle mit außerordentlich souveräner stimmlicher Gestaltung und überzeugender Darstellung vieler Schichten eines tradierten Frauenbildes: schön, besitzergreifend, eifersüchtig, aber politisch ganz ahnungslos. An ihrer Seite ein glanzvoller Tenor, der Mexikaner Rodrigo Porras Garulo als Cavaradossi, und den Schurken Scarpia gibt der südkoreanische Bariton Adam King mit zunehmendem Bosheitsdruck in herrischen Gesten wie im Gesang. Durch die Soundanlage klingt die Musik der an der Bühnenseite in einem Orchesterraum platzierten Mecklenburgischen Staatskapelle unter Leitung von Daniel Huppert aggressiver und druckvoller als im Opernhaus, aber das wirkt bei diesem Werk sogar recht passend. Die Oper „Tosca“, bei der Uraufführung im Januar 1900 das erste große Opernereignis des 20. Jahrhunderts, beeindruckt bis heute mit ihrer raffinierten musikalischen Dramaturgie. Das Werk war einst umstritten (zu viel Politik, zu vulgär, ein Kritiker hatte sich gar über „Folterkammermusik“ beklagt), doch beim Publikum blieb das Schicksal dieser Floria Tosca beliebt. Nicht zuletzt deshalb, weil mit der berühmten Sängerin ein unpolitischer Mensch ins Räderwerk einer brutal reaktionären politischen Maschinerie gerät und darin mit ihrem Geliebten, dem Vatikan-Maler Mario Cavaradossi, unschuldig zermahlen wird. Dass dieser Polizeichef Scarpia damit auch noch seine privaten sadistischen Gelüste befriedigt, steigert die emotionale Spannung. Diese Psychothriller-Konstellation erweitert Regisseur Toni Burkhardt mit den an Faschismus erinnernden schwarzen Uniformen der Geheimpolizei ins Gesellschaftliche. Denn zur Zeit der Handlung, Juni 1800, entscheidet die Schlacht von Marengo zwischen Napoleon und den Österreichern über Fortschritt oder Reaktion in Europa. Widersprüchliche Nachrichten von ihrem Ausgang dringen nach Rom, wo ein reaktionäres Regime die Anhänger der soeben gestürzten Republik brutal beseitigt. Dabei rückt der Missbrauch der Religion durch Machtpolitik ins Zentrum der Handlung, und in der Musik wird dies wie eine Zwangsvereinigung der Gegensätze zelebriert, mit gewaltsamen klanglichen und rhythmischen Kontrasten. Spannungsreich, wie sich da Scarpias bedrohlich machtherrliche Gesänge mit religiösen Gesängen des Chores vermischen. Das Bühnenbild (Wolfgang Kurima Rauschning) greift dies mit großer Symbolik auf: Ein riesiges leeres Kreuz in der Bühnenmitte, davor ein kreuzförmiger roter Weg. Auf, an und unter diesen Kreuzen spielt sich die ganze Grausamkeit dieser Geschichte ab: Flucht und Leidenschaft, Folter, Exekutionen und Machtspiele, Toscas verzweifelter Notwehr-Mord am Schurken Scarpia und ihr Freitod. Ein bitteres Bild vom „christlichen Abendland“, das deutlich in unsere Zeit herüberzeigt. Die nächsten Termine: 27. Juni, 20 Uhr/ 29. Juni, 20.30 Uhr/ 30. Juni, 19 Uhr/ 5. Juli, 20 Uhr/ 6. Juli, 20.30 Uhr/ 7. Juli, 19 Uhr/ 8. Juli, 18 Uhr/ 13. Juli, 19 Uhr/ 14. Juli, 20.30 Uhr/ 17. Juli, 20 Uhr/ 20. Juli, 20.30 Uhr/ 21. Juli, 19 Uhr/ 25., 26., 27. und 28. Juli, 20 Uhr Preise: 59-79 Euro, ermäßigt 49-69 Euro, Schüler/Studenten zahlen 29-39 Euro. Theaterkasse: Telefon 0385/5300-123 Weitere Infos: www.mecklenburgisches-staatstheater.de Nächste Premiere: Dracula am 30. Juni, 20.30 Uhr, Schlossinnenhof Dietrich Pätzold