Gottlieb Ernst Barlach – Pastor in Bargteheide

1935 erhielt der Pastor in Bargteheide einen Brief von dem Bildhauer Ernst Barlach. Der Künstler reagierte damit auf eine Zeitungsnotiz im „Oldesloer Landboten“: Darin wurde unter der Überschrift „Grober Unfug“ berichtet, dass das Grabkreuz von Pastor Barlach, der auf dem Bargteheider Friedhof begraben liegt, abgebrochen worden war. Gottlieb Ernst Barlach war von 1856 bis 1874 Pastor in Bargteheide und der Großvater des Künstlers. Brief von Ernst Barlach: In seinem Brief bittet Ernst Barlach um einen kurzen Bericht, um „wenigstens notdürftig ein bißchen Licht in die Gründe der Handlung“ zu bringen, „um nicht von Abgründen zu sprechen“. Weiter drückt er seine Betroffenheit aus, da er sich aus Jugendtagen an den Großvater erinnere: „...vor allem aber bin ich durch sehr lebendige Erzählungen meiner Mutter aus in Bargteheide verlebten Brauttagen mit so mancherlei Vorstellungen vom Ehrwürdigen der Gestalt dieses meines Ahnen so reichlich ausgestattet, daß es mir unmöglich wird, die leidige Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen“. Pastor Barlach starb 1874: Pastor Barlach war am 6. April 1856 in sein Amt eingeführt worden. Am 31. Januar 1874 starb er in Bargteheide und wurde auf dem Friedhof an der Kirche beigesetzt. Über ihn ist nur wenig bekannt, auch wenn Ernst Barlach seinen Großvater in seiner Autobiographie erwähnt. „Großvater Barlach hatte Liebeskummer … Als er an seinem ersten Enkel das Werk der Taufe übte, stand er, frisch verlobt, mit seinem Sohn auf dem Balkon des Ratzeburger Hauses, legte reuig die Hände auf das Gitter und seufzte aus tiefster Seele: ,Wo ward ick se wedder los?’“ Der erste Enkel war Ernst Barlach, dessen Vater Georg Gottlieb Barlach als Arzt unter anderem in Ratzeburg praktizierte. Anekdoten über den kleinen Pastor: Dass überhaupt etwas über Pastor Barlach bekannt ist, verdankt die Nachwelt Friedrich Wilhelm Droß (1886-1972). Der Jurist und Literat war ein Freund Ernst Barlachs und wurde 1938 einer seiner Nachlassverwalter. 1946 war er Mitbegründer der Ernst-Barlach-Gesellschaft in Hamburg. Er hat 1934 eine Schrift hinterlassen, in der er zu Ernst Barlachs Geburtstag in mehreren Anekdoten auch dessen Bargteheider Großvater Revue passieren lässt. Demnach soll der kleingewachsene Pastor sich auf der Bargteheider Kanzel einen Tritt eingerichtet haben, um größer zu erscheinen. Der Trick kam ans Licht, als sein Hilfspfarrer – „ein Jüngling ungewöhnlich ausgedehnter Länge“ – bei seiner Predigt fast mit den Knien den Kanzelrand überragte. „Die Andacht der Gemeinde wurde teils durch Lachlust, teils durch die Besorgnis gestört, der lange Kandidat könne unversehens ins Kirchenschiff hinunterstürzen“, schreibt Droß. Pastor Barlach war auch Lehrer im Dorf: Gottlieb Ernst Barlach war 1856 als Nachfolger von Christian Friedrich Berger Pastor in Bargteheide geworden. Dort zeugt heute noch das Protokollbuch des Schulcollegiums von Barlachs Zeit, das im Bargteheider Stadtarchiv aufbewahrt wird. Barlach, der als Pastor auch Lehrer im Dorf war, hat das Protokollbuch geführt. In der Kirchengemeinde gibt es außerdem einen Band mit Aufzeichnungen für das Pastoratsarchiv, in dem sich mehrfach die Unterschrift Gottlieb Barlachs findet. Barlach hat das Amt 18 Jahre bis zu seinem Tod ausgeübt. Wie er damals aussah, zeigt eine Federzeichnung in der Sakristei der Bargteheider Kirche. Seinen Großvater hat Ernst Barlach in seiner Biografie noch einmal erwähnt: „Nur, wenn der Bibelabschnitt gelesen war, durfte nach der Ordnung des Pfarrhauses in Bargteheide zu Bett gegangen werden.“ Mehrere Grabschändungen: Seit 1933 gab es eine Hetzkampagne gegen Ernst Barlach, der sich wachsenden Anfeindungen durch völkische und nationalistische Kreise ausgesetzt sah. In dem Zusammenhang wird auch die Grabschändung 1934 gestanden haben, wie ein Brief Ernst Barlachs an seinen Bruder Hans zeigt. „Unseres Großvaters ... Grabmal in Bargteheide hat man demoliert ... Der Wind, der gegen mich wehte, hat sich seit einigen Monaten gedreht, aber die Kreaturen lassen sich nicht stören.“ Die Grabschändung blieb nicht die letzte: 1974 berichteten die „Lübecker Nachrichten“ von einer erneuten Zerstörung der Grabanlage. „Unbekannte haben nachts das auf dem alten Gottesacker neben der Kirche stehende 1,50 Meter hohe Marmorkreuz des Grabes des früheren Pastors Gottlieb Ernst Barlach – eines Verwandten des berühmten Bildhauers Ernst Barlach – abgebrochen und umgestoßen.“ Als Schuldige wurden Jugendliche vermutet, die abends beobachtet wurden, wie sie auf Mopeds „zwischen den Grabflächen und Gräbern neben der Kirche herumkurvten.“ Heute steht das Grabkreuz nicht über der ursprünglichen Grabstelle, sondern wurde näher an die Kirche heran gerückt. Von Bettina Albrod