„Hamburg Calling“ von Alf Burchardt und Bernd Jonkmanns

Sie sind dann doch nicht gekommen. Im Januar 1978 sollten die Sex Pistols in Hamburg spielen, in der Markthalle, einem der Epizentren von Punk und New Wave an der Elbe. Zwölf Mark hätte der Eintritt kosten sollen. Aber es wurde nichts daraus. Johnny Rotten fragte bei einem Konzert im „Winterland“ in San Francisco: „Schon mal das Gefühl gehabt, betrogen worden zu sein?“, dann gab es die Band nicht mehr. Alf Buchardt, Bernd Jonkmanns: „Hamburg Calling. Punk, Underground & Avantgarde 1977 – 1985“, Junius Verlag, 144 Seiten, 29,90 Euro Einige Größen des Punk schauten aber doch vorbei, allen voran die Ramones im September jenes Jahres in der Markthalle. Sie spielten 24 Songs und brauchten keine Stunde. Auch The Clash waren da mit einem zornigen Joe Strummer, der nach dem Konzert ein paar Stunden bei der Polizei verbrachte. Und die Talking Heads mit XTC als Vorband im Onkel Pö. Es waren fiebrige Zeiten damals Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre. Von überall her tauchten plötzlich Bands auf, von denen man noch nie gehört hatte, die aber mindestens eine kleine musikalische Revolution im Gepäck hatten. Hamburg war neben Düsseldorf und Berlin eine der Hauptstädte der Bewegung. Und man war sich untereinander nicht immer grün. Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten erzählt heute noch, wie sie als Berliner Band bei einem Konzert in der Hamburger Markthalle von grölenden und Flaschen werfenden Punks empfangen wurden. So war das Thees-Uhlmann-Konzert in Lübeck „Wir waren ziemlich durch als Band“, sagt Kettcar-Gitarrist Erik Langer John Lydon – Punk mit Lesebrille Ein im vergangenen Jahr erschienener Bildband berichtet von diesen Jahren. Alf Buchardt und Bernd Jonkmanns haben dafür eine Menge Fotos ausgegraben und mit Akteuren von damals gesprochen. Mit Clemens Grün etwa, der unter anderem das Kir betrieb und nicht nur mit seiner weißen Kleidung zwischen all den Schwarzgekleideten auffiel. Heute sitzt er im Vorstand des Hamburger Taxenverbands. Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen kommt zu Wort, der inzwischen an der Oper und am Theater inszeniert. Auch der große Underground-Impresario Alfred Hilsberg, der von ungefähr jeder Band eine Platte veröffentlicht hat, auf fast allen Ebenen aktiv war und ohne den vieles anders oder gar nicht gelaufen wäre im deutschen Underground. Musiker von damals erzählen, Timo Blunck etwa von Palais Schaumburg und den Zimmermännern, Frank Ziegert von Abwärts, Andreas Dorau. Auch der Filmemacher Klaus Maeck, der mit seinem Plattenladen Rip Off genauso wichtig war wie Michael Ruff von den Geisterfahrern mit Ruff Trade. „Steig in unser Auto, Campino“: Und immer schwingt die Begeisterung und das Staunen mit, was alles möglich war und wie leicht manches fiel, wenn man es einfach machte. „Junge, vergiss deine Band“, beschreibt Campino von den Toten Hosen eine Szene nach einem Konzert in Cloppenburg mit den Razors von der Elbe. „Du kommst jetzt mit nach Hamburg, wir brauchen dich. Steig in unser Auto!“ Er ist dann aber doch lieber mit seinen Jungs heim nach Düsseldorf gefahren. Es ist eben alles verdamp lang her, würde Wolfgang Niedecken sagen. Von Peter Intelmann

„Hamburg Calling“ von Alf Burchardt und Bernd Jonkmanns – Punk und Wave an der Elbe