Knockin‘ On Heavens Door: Die letzten Tage des Wolfgang Borchert

Er würde heute als Popstar gefeiert werden: Schauspieler, Bestsellerautor – und viel zu jung gestorben. Wolfgang Borchert erlebte seinen Ruhm nicht mehr, er wurde nur 26 Jahre alt und starb schwer krank in einem Hospital in Basel. Da war sein wichtigstes Werk, das Nachkriegsdrama „Draußen vor der Tür“, bereits als Hörspiel bekannt, einen Tag nach seinem Tod kam es erstmals in den Hamburger Kammerspielen auf die Bühne. Das Buch gehörte lange zur Pflichtlektüre in den Schulen. Nun betrachtet Frauke Volkland in ihrem Roman „Dieses kostbar kurze Leben“ den Menschen Wolfgang Borchert. Leidenschaftliche Nonnen und Fieber-Fantasien: Am 19. September 1947 begibt sich der 26-Jährige, körperlich und seelisch vom Krieg gezeichnet und schwer leberkrank, auf eine Zugfahrt von Hamburg in die Schweiz. Es ist ungewöhnlich heiß an diesem Tag, immer wieder plagen den jungen Mann Schweißausbrüche. Er soll sich in den Schweizer Bergen beim Verleger Henry Goverts erholen. Doch dazu kommt es nicht. Er erleidet einen Zusammenbruch und wird in das Claraspital in Basel eingewiesen, das von katholischen Nonnen geführt wird und wo er bis zu seinem Tod bleibt. Wolfgang Borchertwurde am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren, war zunächst Buchhändler und Schauspieler. 1941 wurde er als Soldat an die Ostfront verlegt; zwei Mal kam er wegen „Zersetzung“ in Haft. Die Erzählung „Die Hundeblume“ und das Drama „Draußen vor der Tür“ machten ihn berühmt. Er starb am 20. November 1947 . Frauke Volkland beschreibt diesen zweimonatigen Aufenthalt so anschaulich, als würde man mit einer Webcam ins Krankenzimmer blicken. Der Leser leidet mit Wolfgang unter der garstige Nonne Placidia, die er „die Plage“ nennt, freut sich über die fast leidenschaftliche Fürsorge der Nonnen Mina und Hedi. Es ist ein Kommen und Gehen in diesem Zimmer 200. Sehnsüchtig erwartet Borchert die jungen Künstlerinnen Nelly und Sonja, in die er sich prompt verliebt. Eine andere Besucherin schenkt ihm Kopien von Paul-Klee-Gemälden, in denen er Trost findet. Der Kranke stürzt sich in die Arbeit, lektoriert Manuskripte und schreibt einen letzten Text, um irgendwie die Kosten für seine Behandlung zu begleichen. Und der Ungläubige diskutiert mit einem Theologen über Gott und die Welt und greift zur Bibel, während er bereits im Sterben liegt. Knockin’ on Heavens door. Lesen Sie auch Rainald Grebe macht jetzt „Popmusik“: „Es stört nicht beim Bügeln“ Wacken-Chef im Interview: Kann das Festival stattfinden? Frauke Volkland versteht es, in schnörkelloser Sprache auch das Innenleben des jungen Mannes zu beschreiben, seine emotionale Achterbahnfahrt. Die geschwollene Leber, „der Fußball im Bauch“, bereitet ihm unsägliche Schmerzen, er weint vor Sehnsucht an seine Eltern in Hamburg, die nicht in die Schweiz einreisen dürfen. Er wehrt sich gegen die Willkür der Oberin und malt sich rauschhaft eine Zukunft mit der einen oder anderen seiner Verehrerinnen aus. Er leidet, fordert, verführt, schmeichelt, verletzt. Frauke Volkland hält sich in ihrem fiktiven Roman über die Leiden des jungen W. an bekannte Fakten, Zitate und Personen, die sich durch Originaldokumente belegen lassen. So haben Borcherts Eltern bei einer späteren Reise in die Schweiz Schwestern des Hospitals und Besucherinnen gesprochen und ihre Eindrücke in einem Tagebuch festgehalten. Der Leser erhält eine Ahnung davon, was für ein charismatischer Mann dieser Autor und Schauspieler gewesen sein muss. Einer, der heutige Schüler wahrscheinlich schwer beeindrucken würde. Frauke Volkland, „Dieses kostbar kurze Leben, Osburg Verlag, 300 Seiten, 20 Euro Von Petra Haase