Künstler in der Pandemie: Wie das Zaubertheater Lübeck die Coronakrise meistert

Ende Oktober war es vorbei. Da half keine Magie mehr und kein doppelter Boden. Da schloss das Virus die Tür des Lübecker Zaubertheaters zu, und seither ist sie auch nicht wieder aufgegangen. Lockdown, seit fast einem Vierteljahr. Kosten und Verträge laufen: Da könnte man ins Fluchen kommen, ins Verzweifeln gar. Aber Verzweiflung ist mit Roland Henning (42) nicht zu machen. Natürlich ist das eine harte Situation, sagt er. Natürlich haben sie sich erst vor wenigen Jahren hier in den Räumen eingerichtet, haben renoviert und investiert. Natürlich laufen die Kosten und die Verträge. Aber er mag dem Trübsinn nicht das Feld überlassen, ohnehin nicht und auch nicht in diesem Fall. Es wird vorbeigehen, sagt er. Da sei jetzt jeder gefordert. Da gebe es Regeln, und an die müsse man sich halten. Das Virus mache da keinen Unterschied. Dann werde eine andere Zeit kommen, die alte vielleicht, und dann gehe es wieder weiter. Es ist eine Übung in Zuversicht in unübersichtlichen Zeiten. Kunstmuseen in Deutschland wollen schneller raus aus dem Lockdown. Mit einem Brief an die Kulturverantwortlichen von Bund und Ländern haben sich jetzt die Leitungen führender Häuser für eine Öffnung der Museen stark gemacht. „Unsere Sorge gilt der Eindämmung der Pandemie, zugleich aber auch einer dem jeweiligen Verlauf von Corona angepassten Wiedereröffnung der Museen“, heißt es in dem Schreiben an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sowie ihre Länderkolleginnen und -kollegen. „Die Museen haben schon nach der Phase des ersten Lockdowns ihre Häuser mit großer Sorgfalt der neuen Situation angepasst“, schreiben die Verantwortlichen. Museen seien sichere Orte, in denen Hygienemaßnahmen strikt befolgt und „wie an keinem anderen öffentlichen Ort“ überwacht würden. Die meisten Museen verfügten über eine ausgefeilte Klimatechnik und Raumkapazitäten, die Bewegungsabläufe nach Distanzgebot steuern und entzerren könnten. Roland Henning betreibt das Zaubertheater mit seiner Frau Annika Ehly und einer 400-Euro-Kraft. Sie waren vorher vier Jahre in der Mengstraße, seit 2017 findet man sie unten in der Beckergrube. Er übt jetzt viel, sagt er. Er hatte drei Programme einstudiert, jeweils anderthalb Stunden, jetzt arbeitet er an einem neuen. Die alten könnte er inzwischen nicht mehr so einfach abrufen, er hat sie halt lange nicht gespielt. Aber das alles, die Tricks, die Show, die Zuschauer, die Magie, wenn die Magie auf den Gesichtern ihre Wirkung zeigt, das fehlt ihm schon sehr. „Das Schlimmste ist, nicht auftreten zu dürfen“, sagt er. „Ich vermisse das echt.“ Zaubern ohne Publikum, das geht einfach nicht. Das ist nicht nur kein Geisterspiel wie im leeren Fußballstadion, das ist wie ein Spiel ohne Ball. Roland Henning hat sich angesehen, wie Kollegen ihre Shows jetzt online machen, und er hat festgestellt, dass das nichts für ihn ist. „Das verliert gleich hundert Prozent von seinem Charme“, sagt er. „Es ist die Interaktion, die fehlt. Gedanken lesen zum Beispiel, das funktioniert einfach nicht mit mir selbst. Das beeindruckt mich nicht im Geringsten.“ Sie haben in der Pandemie die Kosten zurückgefahren, soweit es geht. Sie haben für das Zaubertheater alle Hilfen beantragt, für die sie berechtigt sind, und sie haben auch Hilfe erhalten. Sie komme zwar schleppend, aber sie komme. „Ich kann nicht jammern“, sagt er. „Es ist ein Segen, dass wir in einem sozialen Gefüge leben, das so etwas auffangen kann. Wir sind dankbar für die Unterstützung.“ Lübeck: Zauberei und Theater im Garten des Kulturbüros „Lübeck ist eine Zauberin“, sagt Roland Henning Reine Zauberei: Wer blinzelt, hat verloren Zu Beginn der Coronakrise haben sie die Zeit genutzt und eine neue Lichtanlage eingebaut. Jetzt haben sie das Foyer umstrukturiert und eine kleine Bühne installiert, um auch dort spielen zu können. Sie haben das Onlinesystem umgestellt, eine Sache, an die er sich ohne den Lockdown wohl nicht rangetraut hätte. Und er lernt jetzt auch längere Texte für sein Programm. Das war vorher ebenfalls anders. „Diese Krise ist auch ein großer Katalysator“, sagt er. Man ist gezwungen, die gewohnten Bahnen zu verlassen und zu schauen, was es sonst noch so gibt. Und dann stellt man fest, dass man einiges kann, wenn man es mal versucht. Wo Gefahr ist, wächst das Rettende eben auch. Ans Aufgeben jedenfalls hat er nie gedacht. „Nein“, sagt er, „Zaubern ist ja meine Kernkompetenz. Ich weiß, es funktioniert, wenn wir keine Krise haben. Und es wird wieder passieren. Ich würde nicht an einer neuen Show arbeiten, wenn ich nicht wüsste, dass wieder eine Normalität eintritt. Es ist eine Frage der Zeit. Alles geht vorbei, jeder Tunnel hat ein Ende. So wie die Pandemie gekommen ist, wird sie sich wieder rausschleichen. Sie wird nicht weg sein, aber wir werden sie im Griff haben. So wird’s laufen. Das war ja bei der Spanischen Grippe genauso. Darauf hoffe ich, und dann sitze ich hier und spiele meine Shows.“ Von Peter Intelmann