Kultur-Highlights im Norden

Woran wird man sich in Lübeck erinnern, wenn man an das zweite Kultur-Jahrzehnt des neuen Jahrtausends denkt? Wir haben die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst mit vielen Hintergrundgeschichten. 2010 – Jubiläum mit Paukenschlag: Theater: Mit der „Götterdämmerung“ bringt Regisseur Anthony Pilavachi am Theater Lübeck den vierten und letzten Teil von Wagners „Ring des Nibelungen“ auf die Bühne. Die neuen Bilder fügen sich nahtlos in den Gesamtzusammenhang. Zuschauer und Kritiker feiern die Inszenierung im Rahmen des Wagner-Mann-Projektes überschwänglich. Thomas-Mann-Preis: Die Schriftstellerin Christa Wolf, damals 81 Jahre alt, erhält am 24. Oktober im Theater Lübeck den Thomas-Mann-Preis, der erstmals gemeinsam von Lübeck und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste vergeben wird. SHMF: Das Schleswig-Holstein Musik Festival feiert sein 25-jähriges Bestehen mit dem Länderschwerpunkt Polen und einer Hommage an Christoph Eschenbach (Foto). Der Dirigent und Pianist begeht seinen 70. Geburtstag. Debüt mit 80: Der Schauspieler, Maler und Musiker Armin Mueller-Stahl steht in diesem Jahr häufig im Rampenlicht. Er wird Ehrenbürger des Landes Schleswig-Holstein, feiert seinen 80. Geburtstag, eröffnet eine Ausstellung in Eutin und bringt seine erste CD mit eigenen Liedern heraus: „Es gibt Tage“ heißt sie, und er geht mit seiner Band auf Tournee. 2011 – Thomas Mann in Szene gesetzt: SHMF: Die Türkei ist der Schwerpunkt des 26.Schleswig-Holstein Musik Festivals – und der Pianist Fazil Say der Star. Prima Bilanz: 88 Prozent Auslastung (118 000 Besucher) trotz verregneter Open-Air-Konzerte. Theater: Eine grandiose Bühnenversion von Thomas Manns biblischer Roman-Tetralogie „Joseph und seine Brüder“ hat am Theater Lübeck Premiere. Regisseur Andreas Nathusius lässt alle Rollen in der vierstündigen Aufführung von Männern spielen. In einer brillant-komödiantischen Szene ist Peter Grünig als Potiphatr zu sehen. In der Pause serviert das Theater Linsensuppe und Wein. Nordische Filmtage Lübeck: Nimm zwei – die beiden wichtigsten Auszeichnungen der 53. Nordischen Filmtage gehen nach Norwegen: „Devil’s Island“ erhält den Spielfilmpreis des NDR und den LN-Publikumspreis. 2012 – Alter Schwede, was für eine Schau! Günter Grass steckt für ein Israel-kritisches Gedicht Prügel ein – später wird er gefeiert. Zu seinem 85. Geburtstag ist das ihm gewidmete Haus umgestaltet, im Dezember wird er „Europäer des Jahres“. Eutiner Festspiele: Nach turbulenten Jahren kehrt Ruhe ein. Umjubelt wird die Aufführung der Operette „Die Blume von Hawaii“. SHMF: China steht als Länderschwerpunkt im Zentrum. Einer der Höhepunkte ist die Aufführung einer Peking-Oper. Am Ende verkündet Festivalleiter Rolf Beck eine Auslastung von 83 Prozent (110 000 Besucher). Die „Jazz Baltica“ zieht von Schloss Salzau in die Evers-Werft in Niendorf – Leiter Nils Landgren gefällt der neue Spielort. Den Besuchern auch. Lübecker Behnhaus: 41 000 Besucher zählt die Ausstellung mit Werken des schwedischen Impressionisten Anders Zorn im Lübecker Behnhaus – es ist die erfolgreichste Ausstellung der letzten Jahre in Schleswig-Holstein. 2013 – Ein neuer Intendant fürs Festival: Willy Brandt wird in Lübeck zur Bühnenfigur. Zum 100. Geburtstag des in Lübeck geborenen SPD-Mannes (1913-1992) inszeniert der Schriftsteller und Regisseur Michael Wallner eine Revue über das Leben des charismatischen Politikers, der „mehr Demokratie wagen“ wollte. SHMF: Christian Kuhnt, geboren 1967 in Mainz, ist nach Justus Frantz, Franz Willnauer und Rolf Beck der vierte Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals. „Wir wollen verführen“, sagt Kuhnt im Interview. Jazz Baltica verzeichnet mit 9000 Zuhörern auf der Evers-Werft in Niendorf einen Besucherrekord. Das Lübecker St. Annen Museum präsentiert sich mit der Kunsthalle nach umfangreicher Neugestaltung als Museumsquartier St. Annen. Damit verbunden ist eine neue, zeitgerechte Konzeption der Ausstellung – Raum für Neues. 2014 – Die Welt von Cornelia Funke in Lübeck: Das Theater Lübeck wird mit dem Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet, und zwar für Sandra Leupolds Inszenierung von Verdis Oper „Don Carlo“. Die Jury begründet ihre Entscheidung damit, dass Regie und Darsteller „unerbittlich die Schmerzpunkte der Oper“ herausarbeiten. SHMF: Beim Schleswig-Holstein Musik-Festival steht unter dem neuen Intendanten Christian Kuhn erstmals kein Land, sondern eine Musikerin im Zentrum: Sol Gabetta. Vermeldet wird ein Besucherrekord mit 153 000 Zuhörern (Auslastung 83 Prozent). Welt-Bestsellerautorin Cornelia Funke kommt aus Los Angeles nach Lübeck und beglückt ihre Fans mit zahlreichen Auftritten. Die erfolgreichste deutsche Autorin von Kinder- und Jugendbüchern eröffnet im Günter-Grass-Haus die Ausstellung „Eine andere Welt“, in der Exponate aus ihrer analogen und digitalen Werkstatt gezeigt werden. Dort bemalt sie einige Wände, auch das Büro von Museumsleiter Jörg-Philipp Thomsa. Thomas Mann (1875-1955) und seine Beziehung zur bildenden Kunst ist Thema der groß inszenierten Doppelausstellung „Augen auf!“ im Lübecker Buddenbrookhaus und im Behnhaus. Kulturstaatsministerin Monika Grütters eröffnet sie. Zu sehen ist auch das Lieblingsbild des Literaturnobelpreisträgers: „Die Quelle“ von Ludwig von Hofmann. 2015 – Abschied von Günter Grass: Günter Grass stirbt am 13. April stirbt Günter Grass im Alter von 87 Jahren. Mit einer Trauerfeier in seiner Wahlheimat Lübeck verabschieden sich vier Wochen später 900 Gäste aus Kultur, Politik und Gesellschaft von dem Literaturnobelpreisträger. Das Europäische Hansemuseum wird eröffnet: Es befindet sich am ehemaligen Burgkloster und erzählt die Geschichte der Hanse. 2012 war mit dem Abriss der ursprünglichen Gebäude begonnen worden, die Baukosten erhöhten sich von geplanten 27 auf 40 Millionen Euro. Vier Jahre später, im Sommer 2019, wird der 500 000. Besucher begrüßt und der Entwurf des Hamburger Studios Andreas Heller GmbH Architects & Designer mit dem Architekturpreis Schleswig-Holstein geadelt. Die Flüchtlingskrise kommt auf die Bühne des Theaters Lübeck: Der Theaterpädagoge Knut Winkmann erarbeitet mit Geflüchteten nach dem Zweiten Weltkrieg und Menschen, die aus Nordafrika nach Deutschland gekommen sind, Stücke für die neu gegründete Bürgerbühne. Sie haben im folgenden Sommer Premiere. Martin Grubinger kommt als SHMF-Solist des Jahres nach Lübeck. Mit seinen rasanten Percussion-Shows erobert er die Herzen der Musikfreunde im Norden im Sturm und ist seitdem in jedem Jahr zu Gast, macht Workshops mit Schülern und jungen Musikern. 2016 – Die Gollanwerft macht auf Kultur: Jonas Nay erlebt einen regelrechter Preisregen. Für die Rolle eines DDR-Grenzsoldaten in der TV-Serie „Deutschland 83“ mit Maria Schrader erhält der Schauspieler und Musiker, der in Lübeck aufwuchs und das Johanneum besuchte, nicht nur den renommierten Grimme-Preis, sondern auch den Deutschen Fernsehpreis und die Goldene Kamera. Das erste Hansekulturfestival macht die Altstadtinsel zur Bühne und begeistert die Lübecker. Die Initiatoren haben mit 100 000 Besuchern gerechnet, 150 000 sind gekommen. In die Gollanwerft zieht Kultur ein: Im Februar startet die Lebensart-Messe, das Schleswig-Holstein Musik Festival spielt dort im Sommer. Inhaber Thilo Gollan will nicht nur eine Veranstaltungshalle etablieren, sondern auch Kunst in die alten Werfthallen holen. Uraufführung am Theater Lübeck: Das Musical „ Die Marzipanpiraten “ von Heiko Woltersdorf erlebt eine umjubelte Premiere. 2017 – Lübeck wird Oscar-reif: Avi Avital ist als Künstler in Residence der Star des Schleswig-Holstein Musik Festivals und begeistert mit zahlreichen Konzerten die Gäste für sein Instrument, die Mandoline. Theater: „Die Reise nach Reims “ von Rossini war die letzte italienische Oper des Komponisten. In einem noch nie im Norden dagewesenen Kooperationsprojekt wird das Werk in Zusammenarbeit der Opernhäuser Kiel und Verona sowie des Theaters Lübeck auf die Bühne gebracht. Das Reformationsjubiläum wird 2017 in ganz Deutschland groß, aber etwas bieder und betulich gefeiert. Auch das Europäische Hansemuseum widmet dem Reformator Martin Luther und seinem Werk und der Wirkung eine große Ausstellung. Ein Luther-Oratorium wird von Gabriele Pott bei Kunst am Kai uraufgeführt. Die deutsche Regisseurin Katja Benrath aus Lübeck erhält für ihren Film „Watu Wote/All of Us“ den Studenten-Oscar. 2018 ist sie sogar für den „richtigen“ Oscar nominiert. 2018 – 60 Jahre Nordische Filmtage – Vierfachgewinner zum Jubiläum: Die Overbeck Gesellschaft Lübeck feiert 100. Jubiläum. Im sanierten Pavillon sind ab November 375 Werke der Kunstgeschichte zu sehen, von Dürer bis Baselitz. Der Maler Klaus Fußmann wird 80 Jahre alt, zeigt seine Werke in einer Einzelausstellung auf Schloss Gottorf, stellt im Barberini Museum Potsdam aus und erhält am Ende des Jahres den Kunstpreis des Landes Schleswig-Holstein. Das SHMF vermeldet Besucherrekord, eine der Sternstunden des Festivals ist der Auftritt von Anna Netrebko bei der Abschlussgala. Die Nordischen Filmtage feiern 60. Jubiläum und eine Überraschung: Gleich vier Mal räumt der isländische Film „Gegen den Strom“ ab. Schauspieler Juan Camillo Roman Estrada jubelt. 36 000 Besucher kommen zu den zahlreichen Veranstaltungen – bisheriger Rekord! Ein Grund: Das Festival lief erstmals über sechs Tage. 2019 – Jonathan Meese polarisiert Lübeck: Jonathan Meese sorgt für Kontroversen und für deutschlandweite Aufmerksamkeit: Der in Ahrensburg aufgewachsene und in Berlin lebende Künstler Jonathan Meese stellt in St. Petri, der Overbeck Gesellschaft, dem Günter-Grass-Haus und St. Annen aus und provoziert – vorhersehbar – bei einer Performance in der Gollanwerft. Theaterdonner in Lübeck: Der geschäftsführende Direktor Christian Schwandt schmeißt den Job nach zwölf Jahren zum Ende der Saison 19/20 wegen permanenter Unterfinanzierung. Er sei an seine Grenzen gekommen. Im September kündigt dann auch Operndirektorin Katharina Kost-Tolmein an, im Sommer 2020 zu gehen. Ihr Nachfolger wird der neue GMD Stefan Vladar. Das Figurentheater Lübeck und das Figurentheater-Museum werden komplett umgebaut. Also weicht das Figurentheater in andere Spielstätten aus – bis zum Sommer in das Theater Lübeck, a b Herbst ins Hansemuseum. Die kolumbianische Künstlerin Doris Salcedo erhält den ersten Possehl-Preis für Internationale Kunst mit einem Preisgeld von 25 000 Euro und zeigt in der Kunsthalle St. Annen erstmals in Deutschland ihre Werke. Von LN

Jahresrückblick Kultur im Norden 2010-2019 - Jubiläen und Rekorde – das war das Kulturjahrzehnt im Norden