Kunst trotz Corona: Hier können Sie in Lübeck Bilder und Plastiken kaufen

„Ich würde mir niemals ein Bild kaufen, das ich nur auf einer Internetseite gesehen habe,“ entrüstet sich eine Kunstliebhaberin. Nachvollziehbar, live ist natürlich unschlagbar. Aber im von Corona diktierten Lockdown bleibt dann nur Verzicht, was gerade kleine Galerien empfindlich trifft. In Lübeck müssen schon die ersten schließen. Beispielsweise das „Atelier Roststätte“ an der Glockengießerstraße 50. Inhaberin Tina Schönwald hatte im Frühjahr ihre Galerie eröffnet. Die Fotografin, die sich mit ihrem Schwarzweißkalender „Lost in Lübeck“ einen Namen gemacht hat, hatte große Pläne. Sie sagt: „Ich wollte nicht nur Fotos ausstellen, sondern auch kleine Veranstaltungen machen, Lesungen zum Beispiel.“ Konnte sie knicken. Denn in ihrer Galerie seien nach den Corona-Hygienevorschriften „1,4 Besucher“ zugelassen. Seit März hat sie laufende Kosten und kaum Einnahmen. Jetzt macht sie Ende des Jahres schweren Herzens dicht. Sehen, aussuchen und bestellen: Die meisten Galerien präsentieren ihre Bilder, Objekte und Skulpturen brillant auf ihren Webseiten: Der Kunst-Kunde kann fast wie „in echt“ in Augenschein nehmen, was ihm angeboten wird, er findet Größenangaben und Hinweise auf das Material, das Entstehungsjahr sowie auf Preise. Doch der digitale Weg ist nur eine Möglichkeit, in Corona-Zeiten Kunst zu betrachten und kaufen. Denn viele Galerien haben riesige Schaufenster, in denen man Bilder, Fotografien und Objekte unmittelbar und direkt betrachten kann. Also: Sehen, aussuchen und im Internet bestellen. So können Kunstliebhaber zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie können Galerien im Lockdown unterstützen und jetzt möglicherweise noch ein ganz besonderes Last-Minute-Weihnachtsgeschenk erstehen. Kontrapost ist ein Begriff aus der Bildhauerei: Im „Kontrapost“ im Balauerfohr 6-8 etwa kann man alles unmittelbar sehen, was zurzeit ausgestellt ist. Denn die meterhohen Glasfronten gewähren ringsum Ein- und Durchblicke auf kleine Bronzefiguren und Bilder. Wenn man in der bei Einheimischen und Touristen beliebten Hüxstraße in Richtung Krähenstraße um die Ecke biegt, steht man vor der kleinen Galerie. Ein rotes Banner mit der Aufschrift „Galerie“ vertreibt unmissverständlich Mutmaßungen „Kontrapost“ wolle auf eine alternative Poststelle aufmerksam machen. Nein, mit Post habe der Name nichts zu tun, sagt Anne von der Heyde amüsiert. „Das ist ein Begriff aus der Bildhauerei. Der Kontrapost bezeichnet ein Gestaltungsmittel, bei dem es um den Ausgleich von Gewichtsverhältnissen geht,“ erläutert sie. Die 36-Jährige ist Bildhauerin, die Bronzefiguren gestaltet, diese in ihrer Galerie „Kontrapost“ ausstellt und zurzeit daneben Ölbilder von der Possehl-Kunstpreisträgerin Janine Gerber zeigt. Anne von der Heyde, die „Kontrapost“ im Januar 2021 jetzt bald ein Jahr betreibt, wollte Veranstaltungen in loser Folge anbieten, doch Corona machte ihr wie den meisten ihrer Mitstreiter und Mitstreiterinnen im Kulturbereich einen dicken Strich durch die Rechnung. Die geplanten Veranstaltungen ließen sich aufgrund der Corona-Hygienevorschriften nicht umsetzen, beklagt sie. „Viele denken vielleicht, Galerien seien wie die Kunsthallen und Museen im Lockdown total außen vor. Aber wir Galeristen sind Einzelhändler und nehmen selbstverständlich jederzeit Online-Bestellungen an“, betont sie, „die Adressen findet man im Internet.“ Die Bildhauerin Anne von der Heyde liebt das kleine Format („Dafür findet sich immer ein Plätzchen“) und sie liebt die Darstellung von Alltagssituationen. Sie beobachtet Menschen und Tiere sehr genau, entdeckt in deren Verhalten oftmals eine unfreiwillige Komik. Diese hält sie in ihren Arbeiten mit Empathie humorvoll fest - etwa in „Annäherung“, in der im Miniformat von 18 Zentimeter Länge und zwei Zentimeter Breite sich vier ganz unterschiedliche Hündchen in Positur werfen. Überhaupt tauchen Hunde als Objekt ständig solo oder als Begleiter von Menschen in Anne von der Heydes Werk auf. Sie gesteht freimütig: „Ich bin eine Hundenärrin!“ Obwohl die beiden im „Kontrapost“ ausstellenden Künstlerinnen mit völlig unterschiedlichen Materialien gestalten – Anne von der Heyde modelliert mit Bildhauerwachs, Janine Gerber malt mit Öl auf Leinwand – ähnelt sich ihre Herangehensweise. Beide arbeiten nicht nach einem Konzept, nicht nach Vorlagen. Alleiniger Motor ist die Emotion, die Intuition. „Ein Bild entsteht bei mir aus dem Fleck heraus,“ so beschreibt es die 39-jährige Janine Gerber und fügt hinzu „Ich arbeite eigentlich wie eine Bildhauerin, nur auf einem Bild mit Öl.“ Ihre Gesichter in sanften Rose- und Brauntönen wirken skizzenhaft, lassen das Prozesshafte erkennen. Ebenso gleichen die Körper, die sie in Ausschnitten von der Seite, von hinten und von vorn malt, Schemen, die dem Moment verhaftet sind. Die zarte Farbgebung in Rose-, Braun- und Gelbnuancen, kombiniert mit gedecktem Weiß, Grau- und Schwarztönen unterstreichen das Flüchtige und die Leichtigkeit des Augenblicks. So bei dem Bild „fliegen“, das einen weiblichen Körper in tänzerischer Haltung von hinten zeigt. Beide Künstlerinnen, sie sind fast gleich alt und befreundet - wenden sich mit ihren Arbeiten dem Leben zu. Die Bildhauerin Anne von der Heyde widmet sich auf direkte unpathetische Weise dem Alltäglichen mit seinen kleinen großen Gesten, die Malerin Janine Gerber hält die Ästhetik des Alltags fest – den Zauber von Farbe, Licht und Bewegung. Momente der Leichtigkeit. Die Galerie „Kontrapost“ hat drei feste Künstler, die sie ausstellt: Dazu zählt die Hausherrin und Bildhauerin Anne von der Heyde mit Bronzearbeiten, die Possehl-Kunstpreisträgerin Janine Gerber mit Ölbildern sowie Wolf-Dieter Pfennig, ein ehemaliger Dozent von Anne von der Heyde aus Potsdam. Pfennig ist Maler und Grafiker. Daneben zeigt „Kontrapost“ die Arbeiten von wechselnden Künstlern. Zuletzt stellte dort der Lübecker Rainer Bendfeldt Plastiken, Bilder und Objekte aus. Kontrapost, Balauerfohr 6-8, Lübeck, geöffnet Mittwoch bis Freitag 11-18 Uhr, Sonnabend 11-17 Uhr. Telefon: 01525 – 424 01 58 Von Dorothea Kurz-Kohnert