Kunstprojekt: Ostholstein in 500 Jahren

Die Kuratorinnen Dr. Helene von Oldenburg und Dr. Kathrin Langenohl sind gerade noch dabei, Einreichungen für den Standort auf Fehmarn vorzubereiten. Dort wird in der Petersdorfer Schule und im Kulturlabor ausgestellt, außerdem im Zeittor Neustadt sowie im Rathaus und Wallmuseum Oldenburg – und im Schloss Eutin. Hinter ihnen steht ein White Board mit Ideen und Reaktionen von Besuchern, die eigentlich zu anderen Ausstellungen im Hause gekommen waren: Gedanken zu Ostholstein im Jahr 2519. Ein Besucher fragt interessiert: „Gibt es auch etwas Wissenschaftliches?“ Überleben in einer zerstörten Umwelt: Bis Mitte Juli konnten Zeichnungen und gemalte Bilder, Skizzen, Fotos, Objekte, Film, Texte und Töne eingereicht werden. Eine Jury gab es nicht. Die Bandbreite der Teilnehmer sei so groß wie erhofft, so die Kuratorinnen: Laien und namhafte Künstler, im Alter von drei bis über 80 Jahren. Die gestellte Frage scheint die Menschen zu bewegen und die Vielfalt der Ideen, so die Kuratorinnen, spiegle die große Ungewissheit wider. Dass die Überlebensfrage von Krieg und Frieden kaum eine Rolle spiele, sei erstaunlich: „Die Menschen beschäftigt jetzt mehr der Klimawandel“, so von Oldenburg. Entsprechend gibt es düstere Prognosen für ein Überleben in einer zerstörten Umwelt, aber auch Aussichten auf eine rechtzeitige Anpassung und Nutzung verbliebener Chancen. Und es tauchen Fragen auf: Welche Gebäude sollen etwa im Falle einer Sintflut geschützt werden? Baudenkmäler oder Wohnhäuser? Prinzip Hoffnung: Was Küstenbewohner ebenfalls umtreibt, ist der Schutz der Meere. „Die Natur an den Grenzen ihrer Belastbarkeit und ihre Regeneration ist so gut wie aussichtslos“, schreibt die Künstlerin Annegret Homann zu ihren Mutationen oder eher Transformationen aus Fisch und Plastik. „Alpen im Meer“ (Brigitte Wager), „Düstere Zukunft“ (Annelie Rickert), „Erde am Arsch“ (Zaher Shokuri) oder „Überflutung I“ (Ulla Graßt) sind Visionen, die die Zukunft pessimistisch oder auch realistisch einschätzen. Das Prinzip Hoffnung stellt ein syrischer Flüchtling, der nun eine Tischlerlehre absolviert, denkbar einfach und eindrücklich dar: Er pflanzte eine Eiche in einen Tontopf mit dem Hinweis: „In 500 Jahren kann man was draus machen.“ Und was ist mit dem Konsum? Die Assemblage mit Taufkleid von Stephanie Ritterhoff erinnert unsere Nachfahren daran, wie heutzutage monotheistische Religionen gültig waren und entsprechende Rituale abgehalten wurden: Die scheinbare, vergilbte Patina des Kleides lässt an andere Vitrinen im Schloss denken, in die wir heute wiederum wie durch Fenster in den Alltag längst vergangener Tage schauen. Das Kleid wirft Diskussionen auf: Wäre das Abschaffen von Religion eine Chance für dauernden Frieden? Und was ist mit dem Konsum? Emine Sahinaz Akalin lässt in ihrer Echtzeitprojektion „terminal scene“ auf eine stilisierte Aufsicht eines Containerhafens blicken, die einer „Ordnung der Effizienz“ unterliegt, die das „Nervensystem unserer modernen Konsumkultur bildet“: eine globale organisierte Welt der Verschwendung – kalt und trist. Zeugnisse digitaler Götter: Eva Riekehoff hat im Hamburger Park Planten un Blomen Menschen zu 2519 befragt. Drei afghanische Jugendliche: „Es gibt Frieden, aber keine Freude.“ Ein Mexikaner, etwa siebzig Jahre alt: „Es gibt sehr viele arme Menschen.“ Zwei Jungs aus Bosnien: „Vielleicht kommt Jesus runter und wir sind oben. Wahrscheinlich alles kaputt. Nix mehr. Menschen zu dumm.“ Ein Chinese, Anfang zwanzig: „We will live in a very modern paradise.“ (Wir werden in seinem sehr modernen Paradies leben.) Und ein Architekt, etwa sechzig Jahre alt, vermutet, dass Artefakte der vorangegangenen Zeitalter als Zeugnisse digitaler Götter verehr werden, „ansonsten ändert sich gar nichts“. Migration ins All? Das Kunstprojekt sei auch ein Experimentierfeld und Forschungsvorhaben, betonen die Kuratorinnen. „Wir wollten diesem Interesse eine Plattform geben“, erklärt Helene von Oldenburg und Kathrin Langeohl ergänzt: „Damit sind Räume für eine potenzielle Zukunft entstanden.“ Anders als erwartet, würden nicht nur jeweils die Ausstellungen vor Ort besucht, sondern man träfe sich immer wieder an den verschiedenen Kulturorten. Manche Projekte drehen sich eher um das klimafreundlichere Weiterentwickeln der heutigen Lebensweise: So gibt es Schlafkapseln, die man mitten im Wald ordern kann, vielleicht statt einer Bebauung und die Natur bleibt unbehelligt. Auch Urban Gardening taucht in unserer Zukunft auf. Eine Migration ins All – die von Hollywood vorrangig verkaufte Zukunftsoption – nicht so oft, wie man erwarten könnte. Das kann naiv sein oder auch einfach die Mahnung, dass uns nur bleibt, Vorhandenes zu bewahren. Die Natur auf der Erde. Von Margitta True

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