Live-Malerei im Schuppen 6 nimmt Form an

Für das Auge des Betrachters mögen sie schon fertig aussehen – aber Alexandra Seils und Raimund Pallussek sind noch mitten drin im Entstehungsprozess ihrer XXL-Bilder. Zwei Riesenformate lassen die beiden Küsntler während ihrer aktuellen Ausstellung „von Musen und Mächten 2“ derzeit im Schuppen 6 entstehen. Eines drei mal sechs Meter groß, eines zwei mal zehn Meter. Pallussek widmet sich auf 18 Quadratmetern der griechischen Mythologie und der Figur des Prometheus, der den Göttern das Feuer nahm, um es den Menschen zu bringen. Die gesamte Ausstellungszeit und auch nachts sitzt er in der Halle des Schuppen 6, sinniert, skizziert, ändert, erneuert und verbessert, was auf der Leinwand in Ölfarben verewigt wird. „Ich weiß selbst nicht, wie das Bild am Ende der Ausstellung am Sonntag aussehen wird“, sagt der Künstler. „Aber genau das ist ja das Spannende.“ Künstlern über die Schulter schauen: Besucher können ihm und Alexandra Seils, die auf 20 Quadratmetern das Meer auf die Leinwand bringt, beim Arbeiten direkt über die Schulter schauen, während noch weitere gut 60 Exponate des Künstlerpaars ausgestellt sind. Alle hauptsächlich in Großformaten, mit denen Seils und Pallussek am liebsten arbeiten. Und alle mit viel Details, kräftigen Farben und auch Formen und Motiven, die Raum für eigene Interpretationen und Gedanken lassen. „Abstrakter Expressionismus“, so beschreiben Pallussek und Seils ihren Stil. Der Prozess der Live-Malerei verdeutlicht dabei umso mehr, wie viel Wandlung, Arbeit und „Fluss“ dazu gehören, bis ein Bild im Detail fertig ist. Im Bild von Alexandra Seils, das sie mit einer Armee an Farben und Pinseln in der Halle entstehen lässt, sieht jeder Besucher etwas anderes, berichtet sie. „Mal ist es ein Sturm, mal eine Unterwasserwelt.“ Und genau das wünschen sich Seils und Pallussek für ihre Idee: Austausch, Einblick, Inspiration. „Jedes Bild ist ein Prozess, jede Idee am Ende anders umgesetzt“, sagt Seils. Das sei das Besondere an der Idee der Live-Malerei: Dass Besucher von Anfang bis Ende bei der Entstehung eines Bildes dabei sein können. Auch das Bild von Raimund Pallussek ist noch mitten in der Entsstehung – und ja, auch dieses Bild mag für die Besucher schon fertig aussehen. Aber der Künstler steckt noch mitten in der Arbeit. Künstlerische Gedanken in Zeiten von Corona: Aktuell richtet sich der Blick dabei vor allem auf ein beinah düster wirkendes schwarzes Etwas, das sich aus den warmen Farben im Hintergrund hervorhebt. „Das ist der Göttervater Zeus, der der Sage nach einen schwarzen Adler entsendet, um Prometheus für seine Untat zu bestrafen.“ Fertig ist das Bild aber noch lange nicht: Die Skizzen auf dem Boden offenbaren, dass auch die Büchse der Pandora in Pallusseks Bild eine Darstellung finden wird – gerade diesen Aspekt findet der Künstler so spannend. Die Büchse der Pandora war ebenfalls eine Strafe des Zeus und enthielt der Sage nach Übel, Laster, Krankheit und Tod für die Menschen, deren Schutzpatron Prometheus war. „Ein Gedanke, den ich im übertragenen Sinne in dieser Pandemie-Zeit sehr spannend finde“, sagt Pallussek. „Auch jetzt hält ein großes Übel die Welt in Atem und öffnet unser Bewusstsein erneut dafür, wie endlich die Menschheit doch ist.“ Wie die Büchse ihren Weg auf das Bild von Pallussek findet, steht noch nicht fest – es wird sich am Sonntag, am letzten Tag der Ausstellung, zeigen. Die Ausstellung „von Musen und Mächten 2“ ist noch bis Sonntag, 30. August im Schuppen 6, Untertrave 47, zu sehen. Geöffnet ist täglich von 11 bis 18 Uhr sowie freitags von 11 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Coronabedingt wird es getrennte Ein- und Ausgänge, Desinfektionsmöglichkeiten sowie eine begrenzte Besucherzahl von höchstens 50 Besuchern im Raum geben. Es besteht außerdem Maskenpflicht beim Begehen der Ausstellung. Von Schabnam Tafazoli