Lübeck: Wie die Sozialpädagogin Heike Knebel zur Verlegerin wurde

Es war ein Unternehmensstart aus dem Nichts. Heike Knebel hatte keinen Schimmer vom Verlagswesen, sie wusste nicht, wie man Bücher gestaltet, druckt, in den Handel und an die Kunden bringt. Sie wusste nur, dass sie ein Buch veröffentlichen, aber kein Verlag ihr Thema anfassen wollte. „Ich musste also einen eigenen Verlag gründen, wenn ich das Projekt realisieren wollte.“ Verlegerin wider Willen: Heike Knebel wurde zur Gründerin, nannte ihr kleines Unternehmen nach ihrem Enkel Kilian Andersen Verlag und publizierte zusammen mit der Lübecker Journalistin und Bloggerin Nathalie Klüver ihr Herzensprojekt, ein Buch über Suizidprävention bei Kindern und Jugendlichen, dann sollte der Verlag Geschichte sein. Es kam anders, wie das manchmal so ist, wenn man einen Schritt in eine bestimmte Richtung gegangen ist. Eine Kollegin aus der Sozialarbeit fragte vorsichtig an: Ihre Nichte habe eine Geschichte über die Flucht eines Kindes aus Damaskus geschrieben und selbst illustriert, und sie, Heike, habe doch einen Verlag – ob sie nicht ein Buch daraus machen Wolle? 2016 war das; ein Jahr zuvor hatte die Kanzlerin gesagt: „Wir schaffen das“, die Flüchtlinge aus Syrien strömten nach Deutschland, und Heike Knebel sagte ja. „Selma aus Damaskus. Eine Flüchtlingsgeschichte für Kinder“ von Lynn Marie Wendt erschien in einer kleinen Auflage – und nun sollte aber wirklich Schluss sein mit ihrem Ausflug in das Verlagswesen. Leichtes Buch zu einem schweren Thema: Aber dann kam ein Anruf aus Hamburg. Anne Spiecker hatte seit 15 Jahren ein Manuskript in der Schublade: „Meine Mama hat Krebs“. Sie hatte diese Geschichte aus der Perspektive eines Kindes geschrieben, um die eigene Krebserkrankung der damals noch kleinen Tochter begreiflich zu machen. „Das muss man verlegen, aber auch dringend illustrieren, habe ich nur gedacht“, sagt Heike Knebel. Die Verlegerin wider Willen hatte ihr nächstes Buchprojekt gefunden. Mit Illustrationen der Lübecker Grafikerin Karin Tauer von „Zebrafisch“ ist unter dem Titel „Mut im Hut“ ein hinreißend leichtes Buch über ein schweres Thema erschienen. „Das Buch ist unser Bestseller seit 2017, wir verkaufen es seitdem ohne Unterbrechung jeden Monat“, sagt Heike Knebel mit spürbarer Verwunderung über den unerwarteten Erfolg. 17 Projekte hat der Kilian Andersen Verlag seit Gründung realisiert – Bücher, E-Books, Hörbücher, DVD’s. Inzwischen kennt sich die 61-Jährige im Verlagswesen aus, hat hatte gelernt, Kosten zu kalkulieren, die Höhe der Erstauflage festzusetzen. Und sie kennt aus langjähriger Arbeit in der Sozial- und Familienhilfe die Kunden für die oft nicht leichten Themen der Publikationen. Ihre Bücher sind Herzstücke. „Berührungspunkte“ von drei Mitarbeiterinnen des Kinderschutzzentrums geschrieben, ist eine Anleitung für Eltern, um schwierige Situationen im Alltag mit Kindern aufzulösen, „Was macht mein Kind denn da?“ ist ein Wegbegleiter für Eltern mit verhaltensauffälligen Kindern. „Flasche“ von der Lübecker Bloggerin Soheyla M. Sadr ist ein Jugendbuch über Verlust, Trauer, Mobbing um den Mut, sich der eigenen Angst zu stellen. „Ich verlege Bücher, von denen ich weiß, wo sie hingehören“, sagt Heike Knebel. „Und ich arbeite mit Menschen aus Lübeck und der Region, das ist mir wichtig.“ Dabei bringt sie Autorinnen, Autoren mit Grafikern und Illustratorinnen zusammen. „Freches Gemüse“ heißt ein kleines, frisch gedrucktes Büchlein aus dem Sortiment des Kilian Andersen Verlages. Unter dem Pseudonym Anna Hasenfuss arrangiert die Autorin auf dem Balkon zahlreiches Grünzeug zu einem bunt zusammengewürfelten und äußerst redseligen Völkchen: Mit dem Frühling bekommen Paul Rose und Majoran Mortimer Gesellschaft vom italienischen Aufreißer Luigi Zucchino, von Georg Gurke, den Schwestern Clara und Cosima Tomate, Theo und Fiete Pflücksalat und einer Rackerbande Radieschen. Es dauert nicht lang und es geht hoch her im Hochbeet, wenn die Zugewanderten ihren Platz behaupten und die Tomaten sich des zudringlichen Zucchino erwehren müssen. Freundschaften und Intrigen werden geschmiedet, man sträubt die Blätter und lässt die Blüten schwellen – eine amüsante Gesellschaftsstudie aus dem Hochbeet wird da aufgefächert. Den Buchumschlag hat die jüngste Mitarbeiterin des Verlages gestaltet – Henrike, die zehnjährige Tochter des Verlags-Grafikers Stefan Klindt. Info: Anna Hasenfuss: „Freches Gemüse. Die Soap im Hochbeet“, Kilian Andersen Verlag, 9.95 € Der „Cheflektor“ ist erst dreizehn: „Esmeralda ahoi!“, ein Jugendbuch von dem Lübecker Autorinnentrio Anja Ackermann, Majka Gerke und Barbara Peters, das gerade von Schauspieler Andreas Hutzel als Hörbuch eingelesen wurde, hat der Hamburger Grafikdesigner Vlad Tkacuk illustriert – es war seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Gestaltung. Nathalie Klüvers Kinderbuch „Der Blaubeerwichtel“ wurde von der jungen Kommunikationsdesignerin Jessica Druwe liebevoll bebildert – und auch als Prüfungsarbeit an der Hochschule vorgelegt. Der Verlag wächst mit seinen Projekten, und die nächsten vier sind bereits in Arbeit. Ach ja: Der allererste Lektor der eingereichten Bücher ist immer Heike Knebels 13-jähriger Enkel Kilian, der Namensgeber. Sein Urteil zählt. 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