Moderatorin Gaby Krebs: „Der Priwall ist mein Sehnsuchtsort“

Eines Tages saß sie in der Maske und beschloss: „Ich mach das nicht mehr.“ Zwölf Jahre hatte Gabriele Krebs beim Shopping-Sender HSE24 ihre „China-Waren“ am Bildschirm verkauft. „Es lief großartig“, sagt die 58-Jährige über ihre Verkaufszahlen. „Aber ich hatte es satt.“ Die schicke Dachterrassenwohnung in München konnte bezahlt werden, die Pendelflüge zwischen der bayrischen Landeshauptstadt und Hamburg, wo ihr Mann Peter, genannt Piet, Geschäftsführer beim Bundesligisten HSV Handball war, gehörten zum Alltag – und je erfolgreicher eine Sendung lief, desto höher stieg sie auf in der Tele-Shopping-Welt, tingelte von einer schicken Veranstaltungen zur nächsten und hielt das Gesicht für flammlose LED-Kerzen in die Kamera. Die Scheinwelt lenkte vom inneren Schmerz ab – bis zur Rente wollte Gaby Krebs den „Schrott“ der TV-Welt aber nicht durchziehen. Zu schwer wog das Schicksal, das sie mit sich trug – und zu groß war die Sehnsucht nach der inneren Ruhe, die ihr München nicht geben konnte. Das konnte nur der Priwall. TV-Starkoch Steffen Henssler eröffnet Restaurant auf dem Priwall Ferienanlage Beach Bay auf dem Priwall fast fertig Markthalle auf dem Priwall eröffnet Ahoi –Hensslers Restaurant auf dem Priwall eröffnet Beach Bay: So gut gefällt es den Priwall-Urlaubern Beach Bay: Nach dem Lockdown boomt die Ferienanlage Täglicher Spaziergang zum Meer: Der Geruch von frischen Brötchen und Zeitungspapier ist ihr bis heute in der Nase, wenn sie jeden Morgen ihre Wohnung in der Alten Wache verlässt, um im „Blauen Loch“ nach dem Meer zu schauen. Immer, wenn Gabriele Krebs als Kind im Priwall-Urlaub und für ihren Vater zum Kiosk lief, gab es frische Brötchen und eine Zeitung in die Hand – hier auf dem Priwall, wo sie all ihre Ferien auf dem Campingplatz verbracht und ihre erste große Liebe kennengelernt hat, hier an der Wiek, wo sie als Kind so oft zur Vorsicht ermahnt wurde, nicht zu weit rauszufahren. „Hier ist mein Sehnsuchtsort“, sagt sie. Und das „Blaue Loch“ tut sich jeden Morgen am Ende der Allee auf, die Gaby Krebs parallel zum Dünenpark geht, wenn sie ihren täglichen Spaziergang macht. „Ein Weg voller Bäume mit einem Guckloch auf die Ostsee“, erklärt sie. „Das ist mein Fenster zum Meer.“ Die Frau mit der schnittigen Kurzhaarfrisur kann nicht zählen, wie oft sie hier am Strand gestanden und auf die Wellen geschaut hat. Unzählige Male hat sie hier die Schiffe vorbeiziehen sehen und sich gefragt, warum das Schicksal ihr so weh getan hatte. Sie fand keine Antwort. Sie fand nur einen Moment Ruhe. Wie sollte man sich auch erklären, dass man vier Kinder verloren hatte? Robert, Benedikt, Florian und Thomas haben es nicht auf die Welt geschafft. Sie alle starben zwischen der 32. und 36. Schwangerschaftswoche im Mutterleib. Lupus kostete vier Totgeburten: Die bei ihr nicht erkannte Autoimmun-Krankheit Lupus hatte Gabriele Krebs die Totgeburten gekostet. „Ein Kind zu verlieren, ist schon die Hölle“, sagt sie. Wie ich das überlebt habe, vier tote Kinder zu verkraften, weiß ich nicht.“ Die Antwort lautet Max und ist heute 20 Jahre alt. Nachdem ein Arzt bei Gabriele Krebs die Diagnose Lupus gestellt hatte, konnte er ihr gezielt helfen, eine Schwangerschaft mit einem gesunden Kind durchzubringen. Gabriele Krebs zeigt auf einen riesigen Stapel gebundener, einzeln datierter Jahresbücher, der auf ihrer Fensterbank steht. Ehemann Piet drückt sie an sich. „Wir haben Max’ ganzes Leben dokumentiert.“ Sie musste raus aus München: Denn kaum hatte Max es im Jahr 2000 auf die Welt geschafft, kroch die Angst um diesen einen Schatz hoch, für den Gaby Krebs so sehr gekämpft hatte. Die ständige Panik, dass dem Kind etwas geschehe, die vielen schlaflosen Nächte, in denen der Sohn später nicht da war, weil er in die Pubertät gekommen war und um die Häuser zog. Und die Leere, als er ganz aus dem Haus war, um zu studieren. „Ja, ich bin eine richtige Helikoptermutter“, gibt Gaby Krebs zu. Aber wer kann ihr das bei der Vorgeschichte schon verwehren? Deswegen auch musste sie raus aus München. Raus aus der oberflächlichen TV-Welt und hoch an die Ostsee. „Hier ist mein Herz zu Hause.“ Auch der „neue“ Priwall mit Restaurants, Unterkünften und Flaniermeile gefällt Krebs. „Ich mag’s.“ Der Sohn, der heute auf Mallorca studiert, bleibt ihr erhalten – das erst konnte Gabriele Krebs begreifen, als sie beschloss, ihrem hektischen TV-Alltag ein Ende zu setzen und sich in Richtung Norden zurückzuziehen. Ein Buch über ihre verlorenen Kinder hat sie bereits geschrieben. Das zweite ist in Arbeit. Das Thema? Loslassen. „Das fällt mir auf dem Priwall nicht schwer.“ Info: Das Buch von Gaby Krebs „Schicksal, schau mal – Vier Sternenkinder und ein Max“ ist erschienen im Novum Verlag, ISBN: 978-3-95840-568-4. Von Schabnam Tafazoli