Neue Studie: Wie in der Corona-Pandemie wieder Zuschauer in Konzertsäle und Stadien kommen sollen

Mit einem modularen Konzept wollen Wissenschaft, Sport und Kultur wieder mehr Zuschauer in ihre Spielstätten holen – bis hin zu Vollbesetzung. „Wir wollen der Politik einen Weg aufzeigen, wie es zurück gehen könnte“, sagte der Berliner Gesundheitsökonom Florian Kainzinger am Montag in Berlin während der Präsentation des Konzepts, an dem 20 Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mitgearbeitet haben und das von gut 40 Sport- und Kultureinrichtungen getragen wird. „Wir können nicht alles absperren“: Einen genauen Zeitpunkt wollten die Beteiligten nicht nennen. Es gehe um eine Gesamtschau verschiedener Kriterien. „Zentrale Frage ist die Belastung des Gesundheitswesens“, sagte Kainzinger. „Wir können nicht alles absperren, bis die letzte Person geimpft ist.“ Infektionen seien nicht zu 100 Prozent auszuschließen, heißt es in dem Papier. Aber das entspreche „der Realität in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens“. Man müsse die Risiken abwägen und einen „emotionalen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Totalverlust“ so weit wie möglich vermeiden. Vom DFB bis zum Bühnenverein: Zu den Unterstützern des Konzepts zählen Expertinnen und Experten etwa aus den Bereichen Infektiologie und Virologie, Raumlufttechnik, Gesundheitsökonomie sowie Sport- Kultur- und Rechtswissenschaften. Mitgezeichnet haben Deutscher Fußball-Bund, Handballbund, Volleyband-Verband, Basketball Bund mit ihren jeweiligen Liga-Verbänden ebenso wie der Bühnenverein mit zahlreichen Einzeltheatern. Aus dem Veranstaltungsbereich sind einige Hallen und Arenen dabei. Lesen Sie auch Notruf der Generalmusikdirektoren: „Wir brauchen eine Öffnungsstrategie“ Studie: 30 Milliarden Euro Verlust für Kultur- und Kreativwirtschaft Merkels Lockerungsplan: So reagieren Schleswig-Holsteins Fraktionen Aus Sicht von Georg-Christian Zinn, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin in Ingelheim, soll das Konzept „möglichst vielen Zuschauern die Möglichkeit geben, an den Veranstaltungen teilzunehmen“. Als Vertreter der Theater sagte Klaus Dörr, Intendant der Volksbühne Berlin: „Wir können jeden Tag starten.“ Der Leitfaden sieht zunächst ein Basiskonzept zur Rückkehr von Zuschauern vor. Bei geschlossenen Räumen wie Konzerthäusern, Theatern, Opern, Hallen oder Arenen soll jeweils ein Hygiene-, Lüftungs- und Infektionsschutzkonzept notwendig sein. Zudem werden Konzepte zum Ein- und Auslass sowie für An- und Abreise verlangt. Damit werde eine Besetzung zwischen 25 und 30 Prozent möglich. Im Außenbereich wird bei vergleichbaren Standards eine Auslastung von bis zu 40 Prozent als möglich betrachtet. „Vollauslastung von Opern und Konzerten“: Für mehr Auslastung dienen Spezialkonzepte, wobei ein Hygienekonzept mit hohen Standards „Wildwuchs“ verhindern soll. Ein Maximalmodell erfordert etwa digitales Kontaktmanagement und Antigen-Tests vor jeder Veranstaltung. Mit solchen Maßnahmen ist laut dem Konzept eine „Vollauslastung von Opern, Konzerten und Sportereignissen“ möglich. Es gehe jetzt darum, einen „intelligenten, schrittweise erfolgenden und auch innovativen Weg zurück zur Normalität zu finden“, heißt es in dem Papier. Unter anderem sollten nicht mehr die Inzidenzwerte von 50 oder 35 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen die tragende Rolle spielen, sondern etwa die Auslastung der Krankenhäuser oder die Inzidenz in speziellen Altersgruppen. Der vorgeschlagene Ansatz erlaubt es, Breitenveranstaltungen „mit vertretbarem Aufwand und Risiko“ sowie Spitzenveranstaltungen mit größerem Einsatz wieder möglich zu machen. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat gestern in einer Online-Sitzung des CDU-Präsidiums von vorsichtigen Öffnungsschritten für Kultur, Sport und Restaurants gesprochen. „Ein Hoffnungsschimmer“: „Es ist toll, dass Konzepte wie diese entwickelt werden und damit eine einheitliche Lösung vorgeschlagen wird, die für die gesamte Branche gilt“, sagte Thilo Gollan, Chef der Lübecker Kultur-Werft. „Eine Reihe von Veranstaltungen werden dadurch wieder möglich, auch wenn sie nach wie vor nicht wirtschaftlich sein können und unterstützt werden müssten. Aber es ist ein erster Schritt zurück in ein kulturelles Leben. Ein Hoffnungsschimmer.“ Für das Schleswig-Holstein Musik Festival bestätigt die Studie den Weg, den das Festival mit seinem „Sommer der Möglichkeiten“ bereits im vergangenen Jahr gegangen ist. „Wir hatten ein Hygienekonzept und befinden uns mit den örtlichen Gesundheits- und Ordnungsämtern kontinuierlich im Austausch“, sagte Pressesprecherin Laura Hamdorf. Die maximal möglichen Kapazitäten würden in der Regel von den Indoor-Veranstaltungsorten vorgegeben. Bei den Outdoor-Spielstätten, die beim SHMF normalerweise keine Veranstaltungsorte sind, sondern lediglich im Rahmen des Festivals dazu gemacht werden, stimmt sich die Festivalleitung eng mit den zuständigen Behörden ab. „Die Gesamtauslastung dabei auf pauschale Prozentpunkte festzulegen, ist nicht sinnvoll, da solch eine Einschätzung ausschließlich in Bezug auf einen konkreten Ort gemacht werden kann und unter Einbeziehung der örtlichen Gegebenheiten zu vollziehen ist“, so Hamdorf. Der Ausschank von Getränken werde sich nach den im Sommer geltenden Bestimmungen richten. „Aktuell gehen wir davon aus, dass wir keine Pausen haben werden, wollen aber auch hier spontan und flexibel reagieren.“ „Emotionale und psychische Erosion“: „Wir haben die Hoffnung noch nicht verloren, aber es wird anstrengend“, sagte Sigrid Dettlof vom Lübecker Theater Combinale, die gerade aus einer Zoom-Konferenz mit der Kieler Kulturministerin Karin Prien und anderen Theatern kam. Anders als Soloselbstständige seien die Theater relativ gut abgesichert, dennoch: „Wir werden immer sehr eindringlich gebeten, Geduld zu haben, aber das hören wir jetzt schon ziemlich lange.“ Das zermürbe, die „emotionale und psychische Erosion“ werde zu einem Problem. Die Theater hätten Vorkehrungen getroffen. Und bei den Veranstaltungen im vorigen Jahr habe es in den Häusern kaum Infektionen gegeben. Da stünden die Kollegen jetzt in den Startlöchern und wollten etwas tun. Sie hofften auf eine Öffnung im April oder Mai. Von dpa/LN