Nina-Mercedés Rühl: Klinken putzen für die Schauspiel-Karriere

Die braunen schulterlangen Haare sind mit Spangen artig aus dem Gesicht gebändigt, die ausdrucksstarken Augen fest auf die Zuschauer fokussiert. Wenn Nina-Mercedés Rühl auf der Bühne steht und in dem Ein-Personen-Stück „Name: Sophie Scholl“ zwischen lauter Papierstapeln über Loyalität und Mut spricht, vibriert ihre schmale Gestalt förmlich vor Energie. Auch im wirklichen Leben steht die 31-jährige gebürtige Berlinerin gehörig unter Strom. Seit knapp zwei Jahren lebt die Schauspielerin in der Hansestadt und hat hier ihre neue Heimat gefunden. Als Sophie Scholl ist sie gerade als Gast am Theater Lübeck zu sehen. Mit der neuen mobilen Produktion, die sich an Schüler ab der 10 Klasse richtet, hat sie schon einige Erfahrung. Bereits 2016 feierte Rühl damit am Theater Überzwerg in Saarbrücken Premiere, spielte es an Theatern in Ingolstadt und Reutlingen. „Ich bin auf der Seitenbühne groß geworden“: Der Weg in die Schauspielerei war für Rühl nicht ganz einfach. Ihr Vater wollte, dass sie etwas Vernünftiges lerne, erzählt sie. Dabei war er nicht ganz unbeteiligt an ihrer Leidenschaft für die Bühne. „Mein Vater ist Bühnentechniker, meine Mutter Schneidermeisterin am Theater, meine Oma war Balletttänzerin. Meine Mutter hat immer gescherzt, dass ich auf der Seitenbühne groß geworden bin“, sagt Nina-Mercedés Rühl lachend. Schon in der Schule nahm sie Kurse im darstellenden Spiel und spielte in der Theater AG. Nach dem Abi ging sie erst einmal als Au Pair nach England und studierte dann zwei Semester Theaterwissenschaften an der Uni in Leipzig. Doch die Sehnsucht nach der Bühne blieb. Der Versuch, an einer staatlichen Schauspielschule angenommen zu werden, scheiterte. Stattdessen schrieb sie sich an der Theaterakademie Sachsen ein, einer privaten Schauspielschule. Etwa 200 Bewerbungen verschickt: Nach der Ausbildung fing dann das Klinkenputzen an. „Es ist nicht einfach, ein Engagement zu bekommen, wenn man nicht an einer staatlichen Schule ausgebildet wurde“, sagt sie. Rund 200 Bewerbungen hat sie in der Zeit geschrieben. „Ich gehe dahin, wo der Job ist. Als Schauspieler muss man viel Eigeninitiative zeigen und ein dickes Fell haben“, sagt Rühl. Am Theater Überzwerg in Saarbrücken wurde sie schließlich angenommen, spielte dort Kinder- und Jugendtheater. Diese Zeit möchte sie nicht missen. „Kinder sind einfach brutal ehrlich in ihrer Kritik“, sagt sie. Eine ihrer Rollen damals: Sophie Scholl. „Ich bin ein kleines Stehauf-Männchen“: In dem Stück geht es einerseits um die Jurastudentin Sophie Scholl. Die muss in einem Prozess aussagen und steht vor einer folgenschweren Entscheidung. Andererseits geht es um die Widerstandskämpferin Sophie Scholl, die sich vor fast 80 Jahren gegen den Nationalsozialismus gestellt hat. Von beiden Sophie Scholls steckt auch einiges in Nina-Mercedés Rühl. Wie die heutige Sophie ist sie immer auf der Suche, hat sie festgestellt. „Bei der historischen Sophie ist es die Lebensfreude, Energie und Begeisterungsfähigkeit. Ich teile mit beiden aber auch deren wichtigste Eigenschaft: Sie sind beide Kämpferinnen. Diese Eigenschaft würde ich mir auch zuschreiben, ich bin ein kleines Steh-auf-Männchen.“ Lesen Sie auch „Name Sophie Scholl“: Die Suche nach Loyalität am Theater Lübeck Kultur-Experte Gordon Krei: „2021 könnte die Wut eskalieren“ Nach Bauernprotest in Ratzeburg: Engholm schaltet sich ein Lebensgefährte ist Schauspieler am Theater Lübeck: Während ihrer Zeit in Tübingen traf sie ihren Lebensgefährten, ebenfalls Schauspieler, der am Theater Lübeck engagiert ist. Mit ihm zog sie in die Hansestadt. Für Nina-Mercedés Rühl bedeutete der Umzug wieder Klinken putzen und ein neues Netzwerk aufbauen. Mittlerweile arbeitet sie als freie Schauspielerin, nicht nur am Theater, sondern auch für Film und Fernsehen. So stand sie schon in der ZDF-Serie „Nordruf Hafenkante“ oder im „Tatort“ vor der Kamera. Auch als Synchronsprecherin kann man sie hören. Jetzt auf eine Sparte konzentriert: Während des Corona-Shutdowns stand auch bei Nina-Mercedés Rühl das Leben erst einmal still. Doch die ungeplante Pause tat ihr gut. „Ich habe in den letzten zwei Jahren versucht, alle Sparten abzudecken. Das hat echt Kraft gekostet. Während Corona hab ich mich auf eine Sparte konzentriert. Der Shutdown hat alles entschleunigt“, sagt sie. Doch nun geht es bei Rühl wieder los. Erster Schritt ist das Gast-Engagement mit „Name: Sophie Scholl“ am Lübecker Theater. „Es wird nie langweilig“, sagt Rühl. Von Majka Gerke