Nordische Filmtage Lübeck 2020: Das sind die Perlen des nordischen Dokumentarfilms

In diesem Jahr sind wieder einige wahre Perlen des nordischen Dokumentarfilms im Programm. Da geht es zum Beispiel um eine Hausfrauenschule in Reykjavik, um die Arbeit von Bestattern oder um isländische kulinarische Spezialitäten wie abgesengte Schafsköpfe (die Augen gelten als besondere Delikatesse). Einen Überblick zu allen Filmen im Dokumentarfilmprogramm finden Sie hier Der Film über die Hausfrauenschule von Reykjavik ist ein typisches Beispiel für den skandinavischen Dokumentarfilm. Vier junge Frauen werden dabei beobachtet, wie sie ein Jahr in der seit 1942 bestehenden Schule verbringen. Regisseurin Stefanía Thors lässt die jungen Damen ganz einfach erzählen, wie sie sich die Ausbildung in der in einer wunderschönen Villa untergebrachten Hausfrauenschule vorstellen. Ihre Erwartungen reichen dabei vom Kochen über Nähen bis hin zum Reparieren von Haushaltsgegenständen. All dies steht tatsächlich auf dem Lehrplan des Instituts, das vom isländischen Staat finanziert wird. Witzige und weniger lustige Situationen werden ganz einfach gezeigt, ohne groß kommentiert zu werden – die Bilder sprechen für sich. Nordische Filmtage 2020 nur als Online-Festival So schauen Sie einen Film online Gewinnen Sie tolle Preise beim Online-Quiz zu den Nordischen Filmtagen Alle Berichte, Infos und Programmlisten finden Sie auf unserer Themenseite zum Festival Ihr Geschäft ist der Tod: Ganz anders gearbeitet in Sachen Stil und Sujet ist hingegen ist der Film „Meanwhile on Earth“ von Carl Olsson (S/DK/EE). Er zeigt den Alltag von Menschen, die täglich von Berufs wegen mit dem Tod konfrontiert sind – Totengräber, Bestatter, Pathologen und Präparatoren zum Beispiel. Für diese Menschen ist der Tod, wie Thomas Mann einst gesagt hat, „ein alter Bekannter“, sie leben von ihm und mit ihm. Carl Olssen zeigt den Alltag in der Branche der letzten Dinge in langen Einstellungen und oftmals starren Bildern, die gelegentlich nur schwer in ihrer Sachlichkeit zu ertragen sind. Aber es ist gerade diese Sachlichkeit, die allen Beteiligten und auch den Toten ihre Würde belässt. Respekt ist daher auch eines der Hauptthemen dieses Films – eine überaus starke Dokumentation. Die Schönheit der nordischen Flora in strahlenden Farben: Im hohen Norden – der wahre Norden liegt ja bekanntlich in Schleswig-Holstein – sieht die Welt anders aus als in südlicheren Gefilden. Rau und kahl, windumtost und frostgebeutelt stellt man sich diese arktische Welt vor, und das ist sie auch. Aber nur auf den ersten Blick. Als Maler hat man einen anderen Zugang zu dieser Welt, das zeigen die großformatigen Werke des Isländers Eggert Pétursson. Er malt die Schönheit der nordischen Flora in strahlenden Farben und mit liebevollem Blick. Gunnlaugur Thór Pálsson hat diesen Film gedreht, einen Film, der überrascht und überzeugt: „Wie ein Gemälde von Eggert Pétursson“. Die „schwedische Nachtigall“: Zu den eindrucksvollen Porträts der Filmtage 2020 gehört eine Lebensbeschreibung der „schwedischen Nachtigall“ Jenny Lind (1820-1887). Jenny Lind war der erste weltweit gefeierte Superstar des klassischen Gesangs wie nach ihr zum Beispiel Maria Callas oder Renata Tebaldi. Das Besondere an dem Film „The Animated Story of Jenny Lind“ von Dette Feuk aber ist, dass echte Darsteller in animierten Szenen agieren. Das mag gegen die „reine Lehre“ des Dokumentarfilmes verstoßen, ist aber dennoch ein legitimer und hochästhetischer Zugang zum Leben dieser außergewöhnlichen Künstlerin. Hier geht’s zur Übersicht über die Nordic Shorts Noch ein Animationsfilm wird unter der Rubrik Dokumentarfilme geführt: „Mein liebster Krieg“ von Ilze Burkovska-Jacobsen. Die Regisseurin beleuchtet anhand ihrer eigenen Lebensgeschichte die leidvolle Geschichte ihres Heimatlandes Lettland im 20. Jahrhundert, die geprägt ist durch Kriege, Unterdrückung und den unbändigen Wunsch der Letten nach Freiheit und Unabhängigkeit. Das ist ganz wunderbar dargestellt – der Schrecken wird greifbar und nicht oberflächlich ästhetisiert. Das ist nur eine kleine Auswahl aus dem diesjährigen Dokumentarfilm-Programm. Es deckt wieder die ganze Bandbreite der skandinavischen Dokumentationen ab. Und die zeichnen sich aus in diesem Jahr wieder durch eine Eigenschaft aus, die diese Filme unverwechselbar macht: Den unverstellten Blick. Von Jürgen Feldhoff