Pocher, Joris, Völkerball: Sie geben Autokonzerte in Hamburg. Ist das rentabel?

Mit dichtem Bart und blauem Troyer sieht Björn Hansen aus wie ein waschechter Seemann und passt rein optisch perfekt an die Hamburger Hafenkante. Mit der Idee, die das angestaubte Autokino zu reaktivieren und mit Konzerterlebnissen zu verbinden, schuf seine Firma, die Morgenwelt GmbH, einen kurzfristigen Ersatz für den Konzertspaß in Corona-Zeiten. Herr Hansen, im Tanzkultfilm „Grease“ von 1978 gibt es den Song „Alone at the drive – In Movie“. Kommt es durch Ihr Engagement zu einem Revival des guten alten Autokinos? Man muss da schon zwischen Autokino und Konzerten unterscheiden. Das Autokino-Prinzip kommt aus Amerika und ist in den letzten zwei Jahrzehnten etwas außer Mode gekommen. Das letzte Autokino hat 2003 in Hamburg geschlossen, das kann man also nicht mehr zu den großen Freizeitaktivitäten zählen. Aufgrund der Corona -Pandemie haben wir das Autokino aber noch mal als künstlerisches Ersatzprogramm aus der Mottenkiste geholt. Ist ein Autokonzert denn ein würdiger Ersatz für ein echtes Livekonzert? Ich glaube nicht, dass Autokonzerte auf die Dauer ein echtes Livekonzert ersetzen können. Die Leute wollen echte, mit Leidenschaft gespielte Konzerte sehen, wo man mit einem Bier in der Hand eng nebeneinander steht. Aber im Moment ist dies die einzige Konzertform, die möglich ist. Und es hilft der Branche, wieder einmal Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wie geht es der Konzertbranche denn im Moment? Wir sind im März alle von 100 auf 0 heruntergefahren und sind seitdem eigentlich mehr oder weniger mit Berufsverbot belegt. Wenn man dann doch mal Leute auf die Bühne bringt und Leute wieder in Beschäftigung kommen und man den beteiligten Gewerken ein Mindestmaß an Wertschöpfung wiedergeben kann, ist das eine schöne Sache. Heute sind im Hamburger Autokino Cruise Inn „Airbeat One“ zu erleben. Am Sonntag heizt Lotto King Karl ein.Die weiteren Termine: 30. Juni: Völkerball 1. Juli: Die Pochers2. Juli: Mr. Hurly & die Pulveraffen3. Juli: SixxPaxx 4. Juli: Versengold 7. Juli: Gentlemen8. Juli Joris10. Juli Airbeat One 11. Juli Alligatoah. Beginn ist 21 Uhr. Die Anzahl der PKW Tickets pro Buchung ist auf 1 beschränkt. Ein Ticket gilt für einen PKW mit 2 Personen. Weitere Pewrsonen können den Kauf von Rücksitztickets an der Veranstaltung teilnehmen. Infos: https://kj.de/artist/5690/Cruise%20Inn.html Wer ist an dem jetzigen Konzept „Once in a LiveTime“ alles beteiligt? Ich selbst bin Geschäftsführer der Morgenwelt GmbH, wir veranstalten auch die Fahrraddisco und das Futur 2 -Festival in Hamburg. Außerdem arbeiten wir bei den Stadtpark-Konzerten im Bereich der Gastronomie eng mit Karsten Jahnke zusammen. Mit Jahnke haben wir auch das Konsortium „Once in a LiveTime“ gegründet, mit dem bewussten Schreibfehler, um eben an Livekonzerte zu erinnern. Die Laut GmbH ist für Technik zuständig, die Ticketmaster GmbH für die Konzerttickets, die ja durch das Autofenster gescannt werden. Mit diesen Profis setzen wir das corona-kompatible Festival um. Wie viele Leute kommen zu den Konzerten? Wir haben auf der Cruise Inn Bühne in Steinwerder Platz für 600 Autos. Im Schnitt sitzen da zwei Leute drin, also haben wir 1200 Besucher durchschnittlich pro Konzert. Bis zu zehn Personen aus zwei Haushalten dürften theoretisch in einem Auto sitzen, wenn es den Platz dafür in einem PKW geben würde. Wir passen das Konzept aber immer an an die neuesten Corona-Auflagen der Stadt. Ist es eigentlich erlaubt zu hupen? Hupen ist eigentlich nicht erlaubt, aber wir sind im Hafen, da ist schon eine gewisse Lautstärke, die großen Containerschiffe werden da be- und entladen. Das ist unser grosses Glück, dass Lautstärke nicht sooo ein großes Thema ist. Wie gesagt, ist Hupen grundsätzlich nicht erlaubt , aber wenn es passiert, können wir es nicht verhindern. Was machen die Leute noch, um ihre Begeisterung auszudrücken? Viele betätigen ihre Blinker, einige haben sich kleine Discokugeln in den PKW gehängt. Bei Max Giesinger sah man dann ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin eine von 80 Millionen“ mit Blick auf seinen ersten Hit. Und einige hupen dann eben doch mal. Sie haben ausschließlich deutsche Künstler im Programm. Wie sind Sie auf die Acts gestoßen? Wir haben den Markt sondiert und geschaut: Welche Künstler lassen sich auf das Konzept ein, vor Autos zu spielen, wer ist souverän genug dafür? Das Ganze ist ja auch eine künstlerische Herausforderung. Die Wirtschaftlichkeit ist für uns natürlich geringer, da können wir keine Gäste aus Übersee oder dem Ausland holen. Wir haben also Leute gefragt, die sowieso gerade touren wollen und sich diese Interaktion mit Leuten zutrauen, die im Auto sitzen. In Ratzeburg hat das Burgtheater bereits Anfang Mai Autokino auf dem Rathausmarkt angeboten – mit großem Erfolg. Alle Veranstaltungen waren anfangs ausverkauft. Sechs mal pro Woche wurden Filme im Autokino gezeigt – doch nun ist das Projekt vorerst zu Ende. Denn am 3. Juli startet das traditionelle Freiluftkino. Dann werden unter anderem in Ratzeburg, Mölln, Kittlitz und Salem an schönen Plätzen Filme gezeigt – die Besucher sitzen dann aber auf Stühlen und nicht im Auto. Auch in Lauenburg gab es am vergangenen Wochenende Autokino und -Konzerte und noch ein ganz besonderes Event: 115 Absolventen der Albinus-Gemeinschaftsschule Lauenburg feierten im Autokino ihre Entlassungsfeier. In Sierhagen war die Stimmung perfekt bei mehreren Auto-Discos. In bis zu 350 Autos wurde zu fetten Beats gefeiert. Die erste Veranstaltung dieser Art stieg in Schleswig-Holstein an Himmelfahrt im Trittauer „FunParc“. Die Bürgergemeinschaft hatte die Idee, ein Autokino zu etablieren – sie wurde in der Gemeinde jedoch abgelehnt. In Stockelsdorfgaben die DSDS-Finalisten Joey Heindle, Laura van den Elzen und Mark Hoffmann ein Konzert im Regen – die Besucher saßen trocken in ihren Autos. Auch die Wollnys traten in Stockelsdorf auf. Buttern die Veranstalter zu? Es gibt Tage, da buttern wir zu. An anderen nicht. Was am Ende dabei rauskommt, werden wir sehen. Wir hoffen, dass wir zumindest unsere Fixkosten mit dem Projekt gedeckt bekommen. Was aber klar ist: reich wird dabei niemand. Bleibt noch Gage für den Künstler über? Ja, natürlich bekommen die Künstler alle eine Gage. Auch für sie ist das ja gerade die einzige Möglichkeit ihrem Job nachzugehen und etwas zu verdienen. Bei uns arbeitet niemand umsonst. Kann man die Kosten für ein Konzert beziffern, die der Veranstalter hat? Nein, das ist ganz unterschiedlich. Das hängt ja stark von den Produktionskosten ab. Ein Konzert mit Pyrotechnik, Feuerwerk und großer Produktion ist natürlich ungleich teurer als eine Show, bei der jemand allein mit einer Gitarre auf der Bühne steht. Darum, Geld zu verdienen, geht es also eigentlich nicht... Nein, wir müssen das Ganze eher ideell sehen. Wir haben ja quasi eine Festivalproduktion, aber mit dem Publikum von einem Clubkonzert. Die Leinwand hat eine Größe von 220 Quadratmetern, die Bühne ist 154 Quadratmeter groß, es mussten Baugenehmigungen eingeholt werden und wir müssen garantieren, dass die Autos sich nicht in den Straßenverkehr zurückstauen. Bei 1200 zahlenden Gästen müssen alle an einem Strang ziehen... Sind eigentlich Wohnmobile auch erlaubt? Autos in jeglicher Höhe können grundsätzlich teilnehmen, aber je höher das Fahrzeug ist, umso weiter hinten muss es stehen. Daran halten sich aber auch die meisten. Mit wem können die Fans noch rechnen? Oliver Pocher kommt unter anderem noch, Alligatoah und Revolverheld, die Mittelalterband Versengold aus Bremen und Joris. Die Elektropop-Band Airbeat One aus Mecklenburg- Vorpommern hat extra ihre Headliner-Konzerte von Mitte Juli hierher verlegt. Die passen hierher mit ihrem fetten Bass. Auf die Rammstein-Tribute-Band Völkerball freue ich mich auch. Das knallt und haut rein, dazu haben wir ja die Hafenkulisse mit den großen Kränen. Wie war die Reaktion bisher? Wenn die Leute vom Platz fahren, bedanken sie sich und winken uns zu. Das hängt auch ein Stück weit davon ab, welche Künstler gerade spielen. Bei Max Giesinger war es sehr stimmungsvoll, der hat begriffen, wie man eine Autocrowd auf seine Seite zieht. Er hat eine besondere Sprache und Bühnenpräsenz und versteht es, die Leute mitzureißen. Dazu haben dann auch noch die Schiffe im Hafen mitgetutet. Reichen die üblichen Autoradios denn aus für ein Konzert? Ja, die haben in der Regel ja guten Sound, wir haben selten Fälle, dass Leute Probleme haben, wenn sie das Signal von uns bekommen. Das ist, als ob Sie Radio hören. Vor allem hat man den Sound direkt am Ohr. Wie auf dem Heiligengeistfeld, werden auch Kinofilme auf dem Areal in Steinwerder am Cruise-Inn gezeigt... Ja, da überlassen wir die Hoheit dem Abaton Kino als renommiertem Programmkino. Die sind am Puls der Zeit. Ein Film wie „Drive“ über jemanden, der nachts Bankräuber von ihren Überfällen wegkutschiert, funktioniert da natürlich besonders gut. Wenn man sich anschaut, was so in Autokinos stattfindet, sind das circa 30 Filme, die dauernd laufen. Viele Filme werden auch zurückgehalten, bis der Kinobetrieb wieder losgeht. Zum Beispiel der neue James Bond, der wurde schon von April auf November verschoben. Mit den Betreibern auf dem Heiligengeist sprechen wir uns ab, dass es keine Dopplungen gibt. Von Alexander Bösch