Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll, und es machte noch eine ganze Reihe anderer Dinge, wofür Wasser bekannt ist. Verfolgen konnte man das im Rittersaal des Eutiner Schlosses, wo am Montag (20. Mai) unter schweren Kristalllüstern und den Blicken adliger Herrschaften von den alten Ölbildern ringsum das Classical-Beat-Festival zum Konzert geladen hatte. „Pyanook“ war es betitelt, ein überaus interessanter Abend, der tags zuvor schon in Scharbeutz zu erleben war.
Alle meine Entchen
Ein gutes Dutzend junger Musiker und Musikerinnen stand da vor den Zuhörern, und sie hatten einiges mitgebracht: Saxofon und Trompeten, Bass und Gitarre, Schlagzeug, Flöten und Klavier. Bernd Ruf, Professor an der Lübecker Musikhochschule und einer der musikalischen Köpfe des Festivals, brachte noch seine Klarinette ins Spiel, mit der er zum Auftakt und mit sehr langem Atem ein „Quellgeflüster“ entwickelte. Das ging alsbald in eine Händel-Bearbeitung des Posaunisten Brian Scarborough über, auf die Doug Perry am Vibrafon Smetanas verwandelte „Moldau“ fließen ließ, nach allen Regel dieser funkelnden Kunst und mit allen Entchen aus dem Kinderlied obendrein.
Das Experiment ist ja ein ganz wesentliches Moment für dieses Festival. Es mag sich nicht an die Genregrenzen halten und kombiniert, was in seinen Augen kombiniert gehört. Am Ende etwa wurde Claude Debussys „La Mer“ einer modernen Prüfung unterzogen, eine in den Jazz kippende Bearbeitung von Ralf Schmid, Saxofon- und Bass-Solo inklusive. Auch „The Water is Wide“ und „Lost at Sea“, das erneut Brian Scarborough aus Kansas bearbeitet und geschrieben hatte, ging diese Wege.
Silvester am Strand
Ebenso Kai Ono, ein Pianist und Komponist, der in Los Angeles groß geworden ist und heute in New York lebt. Bei „Eric the Finisher“ pulsierte alles und drängte nach vorne, erinnerte sich an Jazz und Rock, irgendwo war immer etwas los. Das folgende „Study in Gold“ ließ es ruhiger angehen, so wie man sich wohl einen Sonnenuntergang am Pazifik vorstellen muss, denn dort sei er in seiner Jugend an Silvester immer mit seinen Freunden gewesen, sagte Ono.
„Pyanook“ als Name über dem Abend stammt von Ralf Schmid, der an der Freiburger Hochschule für Musik Klavier lehrt und von Whitney Houston und Herbie Hancock bis Daniel Hope schon mit ganz verschiedenen Größen gearbeitet hat. „Pyanook“ hat er sein aktuelles Projekt genannt, bei dem er normalerweise zwei Flügel spielt, einer davon präpariert, und das mit speziellen Handschuhen. Die lassen die Fingerspitzen frei, sind aber mit Elektronik und blinkenden Lämpchen versehen. Sie erlauben ihm, die Töne des Klaviers zu formen und zu verfremden und auch mit dem Licht zu spielen. Eine bemerkenswerte Technik. Zurzeit nimmt er ein Album auf, im Herbst soll es erscheinen.
Peter Intelmann