SHMF 2019: Hilary Hahn in dr MuK

Nicht nur die Porträtkünstlerin des SHMF 2019, Janine Jansen, ist eine ausgezeichnete Geigerin. Mit Hilary Hahn trat eine weitere hochbegabte Violinistin beim Schleswig-Holstein Musik Festival auf. Seit ihren Studientagen setzt sie sich mit Johann Sebastian Bach auseinander, und die beiden erhaltenen Violinkonzerte Bachs spielte sie in der MuK, begleitet von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Leitung von Omer Meir Wellber. Mehr zum Schleswig-Holstein Musik Festival lesen Sie hier: Schmissige Einleitung: Abweichend vom gedruckten Programm bot sie zuerst das E-Dur-Konzert (BWV 1042), später das nicht so eingängige in a-Moll (BWV 1041). Schon mit der schmissigen ersten Einleitung nahm die Amerikanerin für sich ein. Kraftvoll und doch sensibel stand der Geigenton im Raum. Flüssig im Tempo, meisterte sie den Solopart souverän. Gedankenschwer kam der Mittelsatz des E-Dur-Konzertes, zerbrechlich zart in manchen Passagen. Lebensfreude pur versprühten sie und das Orchester im Finale. Völlig integriert: Ebenso gut ausgeleuchtet erklang das sensiblere Moll-Konzert, das Hilary Hahn wiederum energiegeladen zu Ende führte. Am Pult stand der aus Israel stammende Omer Meir Wellber. Bei den Bachkonzerten setzte er sich ans Cembalo, leitete von hier, integrierte sich völlig ins musikalische Geschehen. Zu Beginn und zwischendurch erklangen zwei zeitgenössische Bearbeitungen von Beispielen aus Bachs Zyklus „Die Kunst der Fuge“, als „Contrapunctus für Orchester“ beschrieben. Im ersten Fall hatte sich Maximilian Otto, Jahrgang 1998, mit der Fuge I beschäftigt. Wellber gab deutlich die Fugeneinsätze, modellierte die Stimmen gut unterscheidbar heraus. Das wurde bei Aziza Sadikovas Bearbeitung des „Contrapunctus XII“ völlig anders. Das Orchester webte einen Klangteppich, sehr leise, fast mit Schabe-Geräuschen beginnend. Versteckter Bach: Bachs Tonfolgen kamen vor, allerdings so versteckt, dass eher Aziza Sadikova aus Taschkent zu hören war als Altmeister Bach. Nach der Pause stand Franz Schuberts dritte Sinfonie D-Dur auf dem Programm, ein spritziges, übermütiges Werk, das Schubert mit 18 Jahren schrieb. Ein Jugendwerk mag man es kaum nennen, weil das abwertend klingen könnte. Heute wissen wir, dass der Meister anschließend nur noch 13 Jahre zu leben hatte. Die Sinfonie sprüht jedenfalls vor originellen und mitreißenden Themen. Da verschafft sich ein Großer früh Gehör. Atemberaubend zum Schluss: Omer Meir Wellber wollte offenbar zeigen, was alles in den vier kurzen Sätzen steckt. Er machte schon in den langsamen Takten der Einleitung auf große Gegensätze aufmerksam. Immer wieder betonte er die Folge von zarter Empfindung und fast ruppigem Fortissimo. Zwischen Ruhe und stürmischem Aufbegehren pendelte auch der zweite Satz. Im Sturmschritt ging es ins Menuett. Niemand hätte danach schreiten können, auch nicht im ländlerhaft genommenen Trio. Geradezu atemberaubend war das Tempo im Schlusssatz. Der Dirigent steht bei alledem nicht als „Taktschläger“ vor dem Orchester. Er unterstreicht alles mit dem Körper, tanzt, schwingt, führt plastisch vor, wie er die Musik denn haben will. Für die Zugaben zog er zu guter Letzt den schwarzen Rock aus, griff zum roten Akkordeon und machte mit. Das galt sowohl für eine Orchesterzugabe mit Hilary Hahn als auch ganz am Schluss für ein Extra mit der bravourös spielenden Deutschen Kammerphilharmonie. Das Publikum war sichtlich hingerissen und feierte die Mitwirkenden stürmisch. „Trinkfeste Rentner“: Die Musikfreunde im nicht ganz ausverkauften Saal hatten längst vergessen, dass man am Anfang etwas warten musste. Der Grund wurde angesagt: Der Zug habe durch einen langen Aufenthalt drei Stunden Verspätung bekommen. Das Warten „zwischen schreienden Kindern und trinkfesten Rentnern“ habe der guten Laune der Musiker aber keinen Abbruch getan. Von Konrad Dittrich

SHMF 2019 - Weltklassegeigerin Hilary Hahn in der MuK: Sichtlich hingerissen