SHMF-Intendant Christian Kuhnt: „In Krisen steckt auch eine Chance“

Die Coronakrise zwingt SHMF-Intendant ins Homeoffice – am Tag der offiziellen Absage des Festivals aber steht er in seinem Büro telefonisch Rede und Antwort über die Pläne für einen „Sommer der Möglichkeiten“. Denn so ganz verloren für die Musik soll dieser Sommer dann doch nicht sein. Herr Kuhnt, Sie haben lange gezögert – was hat den Ausschlag gegeben für die Absage des Festivals? Die Entscheidung des Landes, dass Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern als Großveranstaltungen anzusehen sind – und damit nach dem Beschluss der Bundesregierung bis zum 31. August nicht stattfinden können. Damit war klar, dass wir etwas mehr als 50 Konzerte in diesem Jahr nicht machen können. Aber man kann diese 50 nicht einfach aus einem Programm mit 217 Konzerten herauslösen. Und man muss auch kein Prophet sein, um zu wissen, dass die hygienischen Auflagen, die dann verlangt werden, an den Ambiente-Spielstätten, die das Festival ausmachen, überhaupt nicht realisierbar sind. Daniel Hope hat sofort zugesagt: Trotz Absage des Festivals planen Sie einen „Sommer der Möglichkeiten“ – wie kann der aussehen? In Krisen steckt ja auch eine Chance. Wir haben in den letzten Wochen sehr intensiv mit den Künstlern des diesjährigen Festivalsommers gesprochen, die uns versichern, dass sie, sofern es möglich ist, dabei sind, was immer wir vorhaben: Zu diesen Künstlern gehören Martin Grubinger, Avi Avital, unser diesjähriger Porträtkünstler Xavier de Maistre, der besonders gebeutelt ist, weil er so viel Energie in die Vorbereitung gesteckt hat. Deshalb haben wir auch beschlossen, zwei seiner Konzerte auf Januar 2021 zu verlegen, nicht ausfallen zu lassen. Daniel Hope hat sofort zugesagt, in Lübeck in Anlehnung an sein Musikfest etwas zu machen: Wir werden gemeinsam Lübeck entdecken. Intensives Bekenntnis zum Festival: Auf welchen Wegen sollen sie dabei das Publikum erreichen? Auf verschiedenen Kanälen. Das wird das Radio, Fernsehen, sicher auch das Internet, eventuell auch ein Podcast. Ideen, das merken wir jetzt, gibt es ganz, ganz viele – und ein ganz intensives Bekenntnis zur Idee des Festivals von Seiten der Künstler. Wir haben auch bewusst den Titel „Sommer der Möglichkeiten“ gewählt, weil wir auch ein bisschen spontan sein müssen. Wir wissen ja noch nicht, was möglich ist, und vielleicht kann man dann, ohne dass irgendeine Gefahr davon ausgeht, auch wieder eine Zusammenkunft stattfinden lassen. Auch diese Option möchten wir uns offen halten. Ein SHMF-Spendenfonds für die Künstler: Wie teuer kommt das SHMF die Absage zu stehen? Dabei muss man Verschiedenes berücksichtigen. Zum einen werden wir selbstverständlich die Kartenpreise erstatten. Wir haben aber einen Appell an unser Publikum gerichtet, darüber nachzudenken, ob es möglich ist, darauf zu verzichten. Wir haben einen Fonds zugunsten der freiberuflichen Künstler und Künstlerinnen ins Leben gerufen: „Das SHMF hilft“. In den fließen zu 100 Prozent die Gelder unserer Kunden, die auf die Rückerstattung verzichten. Das wird hoffentlich gut angenommen und soll das Leid lindern von unzählig vielen Musikern und Musikerinnen, die freiberuflich tätig sind. Die uns in den letzten Jahren so viele wunderbare Momente beschert haben und die jetzt schon seit vier Wochen ohne Einkommen sind. Das ist das eine. Das andere ist: Wir haben Gespräche geführt mit unseren Sponsoren, Partnern, mit Stiftungen und werben darum, das Geld nicht zu verlieren. Wir wollen ein Festival präsentieren, das anders, das aber nicht schlechter ist. Wir werden kleiner, wir werden anders, aber wir werden nicht schlechter. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Welche Auswirkungen ergeben sich für die Planung des Festivals in 2021? Schränkt das Ihre Möglichkeiten ein? Wir haben in den letzten Jahren wirtschaftlich immer mit Maß geplant und konnte eine Rücklage bilden. Aber wir können nicht davon ausgehen, das nach der Coronakrise alles wieder so ist wie früher. Wir müssen auch einbeziehen, dass möglicherweise Sponsoren, die gerne dabeigeblieben wären, nächstes Jahr mal eine Pause machen. Deswegen rechnen wir mit einem noch spitzeren Bleistift. Aber gute Ideen haben wir für 2021 auch schon! Und wir verschieben – was wir heute noch nicht kundgetan haben – auch viele Konzerte ins Jahr 2021. Viele Künstler, die dieses Jahr gekommen wären, die kommen dann ganz einfach nächstes Jahr. Lesen Sie auch: Nachrichten aus der Kultur im Norden Von Regine Ley

Nach Absage des Festivals - SHMF-Intendant Kuhnt: Chance in der Corona-Krise