Sophie Scholls Suche nach Loyalität am Theater Lübeck

„Ich heiße Sophie Scholl und da fängt das Problem schon an.“ Mit diesen Worten beginnt das intensive Ein-Personen-Stück „Name: Sophie Scholl“, das im Theater Lübeck als neue mobile Produktion von Jung plus X gerade Premiere feierte. Der Name erzähle eine Geschichte, allerdings nicht ihre, sagt Sophie Scholl in dem Stück von Rike Reiniger. Diese Sophie Scholl, gespielt von Nina-Mercedés Rühl, ist Jurastudentin und steht kurz vor ihrem Abschluss. Sie trägt schwer an ihrem Namen. Ihre Namensvetterin hat sich vor fast 80 Jahren immerhin gegen den Nationalsozialismus gestellt, kam vor Gericht und wurde hingerichtet. Sie schrieb als Ikone des Widerstandes Geschichte. „Nach ihr sind Plätze und Schulen benannt. Ich möchte verschwinden hinter der Bedeutungslosigkeit eines Namens, den niemand kennt“, sagt Sophie Scholl. Zwei Leben zwischen Papierstapel: Auch die Jurastudentin Sophie Scholl steht auf dem Prüfstand, sie soll als Zeugin in einem Gerichtsprozess aussagen. Bei dieser Sophie Scholl geht es nicht um Leben und Tod, sondern um Betrug und um ihre zukünftige Karriere. Soll sie dafür lügen? Oder soll sie die Wahrheit sagen und damit ihre Zukunft riskieren? Das Stück, inszeniert und ausgestattet von Stephanie Rolser, verknüpft geschickt die Biografie der Widerstandskämpferin Sophie Scholl mit dem Konflikt der heutigen Sophie. Mit Hilfe der Beleuchtung wird das Publikum von düsterer Nazi-Zeit in den heutigen Gerichtssaal transportiert. Zwischen den Papierstapeln, die als Bühnenbild dienen, entdeckt der Zuschauer gleich zwei Schicksale. Schauspielerin Nina-Mercedés Rühl gelingt ein intensiver Spagat zwischen den beiden Sophie Scholls. Sie ist mal zart und zerbrechlich, mal kraftvoll, frech und voller Tatkraft. Jede Geste, jeder herausgepresste Satz vermittelt den Konflikt ihrer Figuren und berührt den Zuschauer. Eine Produktion nicht nur für Jugendliche: Als Sophie Scholl steht Rühl nicht das erste Mal auf der Bühne. Sie hat diese Rolle auch schon im Überzwerg Theater in Saarbrücken gespielt. „Sie ist gerade nach Lübeck gewechselt und sprach mich an, ob die Produktion nicht auch was für Jung plus X wäre“, sagt Knut Winkmann, Leiter der Theaterpädagogik am Theater Lübeck. Mit dem Stück, das für Jugendliche ab der 10. Klasse geeignet ist, will er nicht nur an die Schulen gehen, auch andere Veranstaltungsorte sind geplant. Derzeit laufen zum Beispiel Gespräche mit dem Justizministerium in Kiel, sagt Winkmann. Denn das Stück behandelt auch den Druck, der auf angehenden Anwälten lastet. So ist es für die Jurastudentin Sophie Scholl ein Drahtseilakt auf der Suche nach Maßstäben und Loyalität. „Der Leistungsdruck ist immens“, sagt Winkmann. Lesen Sie auch Lübeck bekommt ein Street-Art-Festival Clowns und Mozart – die neuen „Kulturfunke“-Projekte aus Lübeck Digitale Mördersuche mit dem Tablet im Günter-Grass-Haus 2021 fällt der letzte Vorhang im Theater Partout Von Majka Gerke