St. Annen Museum in Lübeck kauft zwei Cranach-Gemälde

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten in dieser unbehaglichen Zeit. Kurz vor dem Reformationstag präsentiert Museumsleiterin Dagmar Täube im St. Annen Museum ihre neuesten Einkäufe: zwei Porträts der berühmten Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon, gemalt vor fast 500 Jahren von Lucas Cranach dem Älteren, der 1472 in Kronach zur Welt kam und 1553 Weimar gestorben ist. Er gilt mit Albrecht Dürer und Hans Holbein als wichtigster Maler der deutschen Renaissance. Geld stammt aus einem Lübecker Nachlass: „Es handelt sich um einen echten Coup“, sagt Dagmar Täube, die immer auf der Suche nach exklusiven Werken ist, um die hochkarätige Gemäldesammlung zu erweitern. Gekauft hat sie diese Schätze vom Kunsthandel Senger für „eine knappe Million Euro“. Das Geld stammt aus dem Nachlass des Lübecker Finanzbeamten und Kunstfreundes Georg Bartsch. Er hinterließ seiner Heimatstadt Lübeck vor zehn Jahren ein Vermögen mit der Auflage, es für den Kauf von Kunstwerken aus dem 12. bis 17. Jahrhundert und deren Restaurierung zu verwenden. Nachdem davon schon acht Objekte, unter anderem das Gavnø-Retabel und zuletzt die ,Liebesgabe’ von Hans Kemmer erworben werden konnte, kam im Februar dieses Jahres das Bildnis ,Hieronymus’ aus der Werkstatt von Joos van Cleve (1485-1541) dazu. Und nun die beiden Cranach-Bilder, „damit ist der Nachlass nun aufgebraucht“, sagt Dagmar Täube. So sahen vor 500 Jahren Hochzeitsbilder aus: Das Bildnis von Martin Luther in einem breiten Holzrahmen hat nur einen Durchmesser von 12,5 Zentimeter, doch seine Strahlkraft und Detailtreue sind spektakulär. „Man sieht jede Wimper, jedes Barthaar“, schwärmt Dagmar Täube und erzählt die spannende Geschichte zum Gemälde. Denn es ist Luthers Hochzeitsbild – auch wenn er darauf nicht gerade sehr glücklich aussieht. Zu dem Luther-Porträt gehörte das heute verlorene Gegenstück mit Luthers Frau, der ehemaligen Nonne Katharina von Bora. Beide waren eng mit Lucas Cranach und dessen Frau befreundet und auch Trauzeugen bei der Luther-Hochzeit 13. Juni 1525. Und schon damals verschenkte man gerne Selbstgemachtes: Die kleinen Porträts waren vermutlich das Hochzeitsgeschenk von Lucas Cranach. „Das Bildnis gehört zu einer Gruppe mehrerer gleichartiger Porträts, die das Paar als Hochzeitsbilder verschenkt hat. Aufgrund der hohen Qualität gehen wir davon aus, dass unser Bild das erste ist und eigenhändig von Lucas Cranach gemalt wurde“, sagt Dagmar Täube. Weitere Luther-Porträts aus der Serie sind heute im Lutherhaus Wittenberg und im Kunstmuseum Basel. Markenzeichen: die geflügelte Schlange: Eine Besonderheit des Bildes sei seine leicht gesteigerte Größe im Vergleich zu anderen und die feine Inschrift mit der Altersangabe „AETATIS SV 42 – JAR“, die nur hier zu finden sei. „Lucas Cranach signierte die Tafel mit einer geflügelten Schlange, die er in Anlehnung an sein Wappen als Marken- oder Warenzeichen nutzte.“ Auch die Jahreszahl 1525 ist zu lesen. PR-Kampagne gegen das priesterliche Zölibat: Die runde Form des Bildes hat auch eine besondere Bedeutung. „Die Form ist an antike Münzen angelehnt. Damit betont Cranach Luthers humanistische Gesinnung“, sagt Dagmar Täube. Cranach habe überhaupt die ersten Rundbildnisse der deutschen Malerei geschaffen. Diese Bildniskampagne sei auch ein Statement gegen das Establishment gewesen, eine geschickte PR-Aktion. „Der Reformator wollte damit den bewussten Verstoß gegen das priesterliche Zölibat, das Luther ablehnte, in sichtbarer Form öffentlich bekunden“, erklärt Täube. Zwei Freunde: Luther und Melanchthon in Lübeck vereint: Ein enger Vertrauter Luthers war der Theologe und Humanist Melanchthon. Er lehrte mehr als 40 Jahre an der Universität Wittenberg und verfasste zahlreiche Schriften der Reformation. Mit 20,1 mal 14,4 Zentimetern ist das Melanchthon-Bild etwas größer als das Luther-Porträt. „Es entstand 1543 in einer Reihe von Doppelbildnissen, die ihn und seinen engen Vertrauten Martin Luther zeigen“, sagt Dagmar Täube, aber auch hier sei das zugehörige Gegenstück verloren. Lucas Cranach habe das Werk wohl unter Mithilfe von geübten Werkstattmitarbeitern gemalt, das sei früher sehr üblich gewesen und kein Makel. Im Vergleich mit weiteren Varianten von Melanchthon-Porträts gelte das im St. Annen Museum als eines von besonders herausragender Qualität. Andere Exemplare gibt es noch in Schleswig, Eisenach und Florenz. Immerhin: In Lübeck sind die beiden Freunde nun wieder vereint. Sammlung von internationalem Rang: „Ich danke Frau Dr. Täube dafür, dass Sie es geschafft hat, die Gemäldesammlung um zwei so herausragende Stücke zu erweitern. Das Museum gewinnt damit eine ganz neue Zukunftsperspektive.“, sagt Hans Wißkirchen, Leitender Direktor der Lübecker Museen. Das St. Annen-Museum ist mit diesen beiden Ankäufen nun weiter auf dem guten Weg, sich als international bedeutendes Kunstmuseum zu präsentieren. Neben der größten Sammlung norddeutscher Schnitzaltäre besitzt das Museum eine kleine, aber hochkarätige Sammlung deutscher und niederländischer Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts. Neben einem Porträt des Reformators Johannes Bugenhagen, der Luther und seine Frau vermählt und von 1530 bis 1531 in Lübeck die reformatorische Kirchenordnung ausgearbeitet hat, sind die beiden wichtigsten Vertreter der Reformation nun auch im Bestand des Museums. Lesen Sie auch Die wertvollsten Niederländer in Lübeck zeigt das St. Annen-Museum Große Ausstellung im Herbst 2021 geplant: Gerne weist Dagmar Täube auch immer wieder auf die Werke Hans Kemmers hin, die im Museum zu sehen sind. Der „Cranach von Lübeck“ war Schüler von Lucas Cranach und im 16. Jahrhundert einer der wichtigsten Maler in Lübeck. Zu diesem Thema ist für Herbst 2021 eine große Ausstellung mit dem Titel „Lucas Cranach d.Ä. und Hans Kemmer. Meistermaler der Reformation“ in Planung. Bis zum Sonntag kann man sich die Werke im St. Annen Museum noch von 10 bis 17 Uhr ansehen. Im November muss das Museum wegen des Lockdowns geschlossen bleiben Weitere Informationen unter www.st-annen-museum.de Von Petra Haase